RED Wireless Verbot,

Droht ein Verkaufsverbot für Wireless-Geräte? (Bild: ke NEXT / Wikimedia)

Es gibt eine neue EU-Richtlinie für alle elektrischen oder elektronischen Geräte, die über Funk kommunizieren oder Funkortung betreiben. Wie im Normungsbereich üblich, ist die Richtlinie – hier die Radio Equipment Directive (RED) – eher allgemein formuliert, sodass erst harmonisierte Europäische Normen (hEN) festlegen, wie Geräte im Detail gebaut werden müssen, um in der EU zugelassen zu sein. So weit, so üblich. Das Problem: Weil diese Normen fehlen, droht bald ein Verkaufsverbot für funkende Elektrogeräte. Dieses möglicherweise schon in wenigen Wochen in Kraft tretende Verbot betrifft Navigationsgeräte, Smartphones, WLAN-Router und internetgesteuerte Haushaltsgeräte ebenso wie Industriemaschinen im Industrial Internet of Things. Experten diskutieren sogar darüber, ob nicht sogar simple Näherungsschalter Funkanlagen im Sinne der RED sind.

Die Verunsicherung auf offizieller Seite scheint groß. „In der Tat sind neben den Consumer-Produkten auch Industrieanwendungen betroffen“, bestätigte Haimo Huhle, Leiter der Abteilung Innovationspolitik beim ZVEI gegenüber ke NEXT. Allerdings wolle der ZVEI davon absehen, mit eigenen Pressestatements in die Diskussion einzusteigen, man arbeite mit entsprechenden Stellen der Bundesregierung, der EU-Kommission sowie den Normungsorganisationen an möglichen Lösungen. Auch die anderen Fachverbände halten sich bedeckt.

Doch die Bundesregierung baut mittlerweile Druck gegenüber der EU auf. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die europäische Normungsorganisation ETSI zum schnelleren Arbeiten aufgefordert. Laut der Tageszeitung Welt ließ Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries in einem Brief an EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska verlauten: „Nach Ablauf der Übergangsfrist werden ab Juni 2017 zahllose neue, innovative Produkte aufgrund fehlender Zulassungsnormen nicht auf den Markt gebracht. Alte Produkte von Tausenden europäischer Hersteller können nicht mehr verkauft und müssten vom Markt genommen werden.“ Allerdings schieben sich Europäische Kommission und ETSI gegenseitig die Verantwortung für das Problem zu.

Wo genau liegt das Problem?

Die sogenannte Radio Equipment Directive (RED) 2014/53/EU löste zum 12. Juni 2016 die bisher gültige R&TTE-Richtlinie ab, als Übergangsfrist wurde ein Jahr festgelegt. Sprich, ab dem 12. Juni 2017 muss innerhalb der EU verpflichtend die RED angewendet werden. Klingt simpel, hat aber einen Haken: Die für die Anwendung der Richtlinie nötigen Normen werden von der europäischen Normungsorganisation ETSI verabschiedet. Die liegt aber mit der Ausarbeitung der Normen um Monate hinter dem Zeitplan. Bislang sind nur wenige neue Normen veröffentlicht. Da jedoch noch viele der wirklich relevanten Normen fehlen, können viele Hersteller von Funkprodukten ab Mitte Juni ihre Geräte nicht mehr vertreiben. Denn wenn man nicht nach einer Norm bauen kann, muss man jedes neue Gerät einzeln bei einer Prüforganisation, einer „benannten Stelle“, vorlegen und auf Konformität prüfen lassen. Abgesehen davon, dass das sehr teuer ist, wären die verfügbaren Prüfinstitutionen schnell maßlos überlastet.

Doch wie sehr betrifft das die Industrie? In Grunde enorm, Industrie 4.0 sei Dank. Denn eine „Funkanlage“ im Sinne der Richtlinie ist „ein elektrisches oder elektronisches Erzeugnis, das zum Zweck der Funkkommunikation und/oder der Funkortung bestimmungsgemäß Funkwellen ausstrahlt und/oder empfängt, oder ein elektrisches oder elektronisches Erzeugnis, das Zubehör, etwa eine Antenne, benötigt, damit es zum Zweck der Funkkommunikation und/oder der Funkortung bestimmungsgemäß Funkwellen ausstrahlen und/oder empfangen kann.“ Kurz gefasst: Produkte, die irgendein Funkmodul enthalten, fallen nun vollständig unter die RED-Richtlinie. Die RED regelt dabei unter anderem die Sicherheitsanforderungen (Art 3.1 (a)), die Anforderungen an elektromagnetische Verträglichkeit (Art 3.1 (b)) und die Frequenznutzung von Funkanlagen (Art 3.2). EMV-und LVD-Richtlinie finden keine Anwendung auf Produkte unter der RED-Richtlinie, andere Richtlinien wie die Maschinenrichtlinie werden parallel angewendet.

Unterschieden wird auch, ob eine Maschine fest integrierte Funkmodule besitzt, oder ob es sich nur um zusätzlich eingebaute Sender handelt. In letzterem Fall muss wohl nur der Sender zertifiziert werden, in ersterem die gesamte Maschine – bei Losgröße 1 im Sondermaschinenbau eine Katastrophe… Doch auch hier ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen ein „permanenter“ Einbau stattfindet und in welchen Fällen es sich um keinen fixen Einbau handelt? Ein Hinweis scheint die feste Verdrahtung im Gegensatz zu Steckverbindungen zu sein.  

Offenkundig sind hier noch viele Fragen offen, zum Beispiel wie unvollständige Maschinen zu behandeln sind oder was im Falle einer Nachrüstung von Maschinen und Anlagen mit Funkmodulen zu beachten ist. Die neuen Normen müssen also zügig her: Bis Anfang Juni! Alternativ könnte die EU-Kommission bestehende R&TTE-Normen ebenfalls unter der RED listen und erweiterte Anforderungen für Funkempfänger dann im Zuge der Überarbeitung der harmonisierten Normen einführen. Was die Hersteller dazu sagen, werden wir auf der aktuell laufenden Hannover Messe für Sie in Erfahrung bringen. Es ist allerdings jeder Maschinenbauer gut beraten, sich selber schlau zu machen, wenn er Funktechnologie einsetzen will. Womöglich droht in acht Wochen ein Verkaufsverbot.

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