Vorfreude und Respekt zugleich: So lässt sich wohl der Gemütszustand von mir und meinem Chefredakteur Wolfgang Kräußlich noch während der Anreise zwecks Videodreh zu Rail Tec Arsenal (RTA) in Wien beschreiben. Im Hinterkopf haben wir das Vorgespräch mit Katharina Wagner, Pressesprecherin von RTA: starke Sonnencreme sollten wir mitnehmen, eine Sonnenbrille und außerdem sei ein wind- und wetterfestes Regencape nicht schlecht. Na das kann ja heiter werden – „Heiter oder nicht“, grinst Wolfgang als wir das riesige Areal erreichen. Wahre Worte: Schließlich kann im RTA-Windkanal künstliches Wetter jeder Art quasi auf Knopfdruck erzeugt werden. Wir wissen: RTA ist ein international tätiges Forschungs- und Testinstitut für Schienen- und Straßenfahrzeuge, neue Transportsysteme und alle technischen Einrichtungen, die im Gebrauchsalltag extremen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind. In der Anlage in Wien betreibt RTA zwei Klima-Wind-Kanäle (KWK) mit separater Messdatenerfassung. Im kleineren KWK mit 33,8 Metern Länge finden LKW oder Busse und im größeren KWK mit 100 Metern Länge sogar ganze Lokomotiven samt Wagons Platz.
Was darfs sein?
Empfangen werden wir von Michael Artner aus dem Anlagenbetrieb von RTA, Sabine-Skaletz-Karrer, Pressesprecherin von Pilz und Thomas Weiss, technischer Support bei Pilz. Ein paar Tropfen Sonnencreme später stehen wir zum ersten Mal im kleinen KWK. Der große ist belegt – so ein Pech…aber nicht schlimm, da die beiden Kanäle in ihren grundsätzlichen Elementen gleich sind: Ein großer schwarzer Schlund aus dem der Wind schießt, stufenlos regulierbare Sonnenfelder mit einer Leistung bis zu 1000 Watt pro Quadratmeter, frei einstellbare Luftfeuchtigkeitswerte, sowie Beregnungs- und Beschneiungseinrichtungen.
Ausgelegt sind die Kanäle nach dem Göttinger Prinzip: Die Luft wird in einem geschlossenen Kreislauf mittels Gebläse umgewälzt. Detail am Rande – der dafür eingesetzte Ventilator hat einen Durchmesser von 6,5 Meter. Dabei durchströmt die Luft einen Wärmetauscher, der sie bis auf minus 45 Grad abkühlt oder bis auf plus 60 Grad aufheizt. Und das soll nach unserer Recherche Ruck-Zuck gehen: Von plus 40 Grad kann beispielsweise mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 10 Kelvin pro Stunde auf minus 30 Grad abgekühlt werden. Die höchste Windgeschwindigkeit beträgt 300 km/h im großen KWK und bei uns im kleineren KWK 120 km/h – und das genügt Wolfgang und mir auch.
Der große Sturm jedoch muss noch warten, denn zuerst führt uns Michael Artner hinter den Windkanal – eine große, etwas dunkle Halle, in der wir den Windkanal von außen betrachten können. Was uns darin sofort auffällt ist die dicke Wärme- und Kältedämmung – wie der überdimensionale Arm eines Marshmallow-Männchens liegt der Kanal da, getragen von gewaltigen Stahlkonstruktionen. An Trafos für das Sonnenlicht, einer vereisten Pumpe für die Beschneiung und einigen Wasserhähnen mit der Aufschrift „schwacher Regen/starker Regen“ vorbei geht es für uns weiter zum Automatisierungssystem PSS 4000 von Pilz.
Sicherheitscheck
Angekommen an einer großen Schaltschrank-Wand wird es für Wolfgang und mich Zeit, uns die Einzelheiten des PSS 4000 noch einmal in Erinnerung zu rufen. Schließlich soll uns das Ding am Ende im Windkanal sicher durch die Naturkräfte bringen: So läuft die komplette Sicherheitssteuerung eines jeden KWK beispielsweise über die Steuerung PSSuniversal PLC des Automatisierungssystems. Jeder einzelne Not-Halt-Taster sowie alle Windgeschwindigkeitssignale hängen hart verdrahtet an der Steuerung. Hingen beispielsweise die Windgeschwindigkeitssignale nicht an der Steuerung, könnte die Steuerung nicht sicherstellen, dass bei Windgeschwindigkeiten über 50 km/h die Türen verriegelt sind.
„In Summe laufen rund 60 E/As über die PSSuniversal PLC“, rüttelt uns Thomas Weiß aus unseren Überlegungen und öffnet einen der Schaltschränke. Zum Vorschein kommt ein PSS 4000. Was wir noch nicht wussten: Im Automatisierungssystem stehen verschiedene Editoren zur Verfügung, mit denen Programme für Sicherheits- und Automatisierungsfunktionen erstellt werden können. Dabei ermöglicht der grafische Programm-Editor PASmulti eine einfache Konfiguration bzw. Programmierung der Steuerungssysteme PSSuniversal. PAS STL (Strukturierter Text), PAS LD (Kontaktplan) und PAS IL (Anweisungsliste) nach EN/IEC 61131-3 werden dabei zur Programmierung der Steuerungssysteme PSSuniversal PLC eingesetzt.
Damit ein hoher Grad an Standardisierung und Wiederverwendbarkeit gewährleistet ist, gibt es eine umfangreiche Bibliothek an sicheren und nicht sicheren Software-Bausteinen. Dass es bereits Fälle gab, in denen Not-Halt-Taster im KWK betätigt werden mussten, dürfte man wohl nicht jedem sagen, der sich in den Klimawindkanal wagt. Wohl aber uns – schließlich haben wir genau dieses Automatisierungssystem bereits in Aktion beim Oberaudorfer Flieger – einer Bergab-Action-Seilbahn – getestet. Das PSS 4000 brachte uns damals sicher ins Tal. Lange genug geredet also, ab in den KWK.