Die Evolution des Digital Twin ist in vollem Gange: Das ‚Twinning‘ verläuft von der Komponente über das Produkt und den Prozess hin zum digitalen Abbild des ganzen Systems.

Die Evolution des Digital Twin ist in vollem Gange: Das ‚Twinning‘ verläuft von der Komponente über das Produkt und den Prozess hin zum digitalen Abbild des ganzen Systems. (Bild: Adobe Stock - Kristian)

Nicht selten allerdings basieren Designs auf Annahmen, empirischen Berechnungen und – zum Teil überholten – Erfahrungswerten. Dies erschwert die Berücksichtigung von Veränderungen und Variablen im Planungsprozess. Bisweilen wird dann nach dem Prinzip ‚Trial and Error‘ vorgegangen, was zu Verzögerungen, erhöhten Risiken und gesteigerten Kosten führt und die Flexibilität bei künftigen Optimierungen von Layouts reduziert.

In Kürze

  • Planungsprozesse basieren in der Regel auf vielen Unwägbarkeiten.
  • Durch digitale Zwillinge lassen sich Anlagen schon vor der Inbetriebnahme virtuell bewerten.
  • Das kann entscheidende Wettbewerbsvorteile schaffen.

Design von Maschinen kurzfristig optimieren

Um solche Probleme nicht erst aufkommen zu lassen, steht mit Software zur Erstellung eines digitalen Zwillings eine hochwirksame Lösung zur Verfügung, von der Unternehmen auf vielfältige Weise profitieren können: So kann etwa das Design von Maschinen und Anlagen kurzfristig optimiert, die Zeit der Inbetriebnahme verkürzt und der Durchsatz der Produktion erhöht werden. Zudem lassen sich Schulungsmaßnahmen verbessern sowie Wartungskosten senken. Und auch bereits in der Planungsphase bieten sich mit dem Einsatz eines digitalen Zwillings wichtige Vorteile, etwa wenn Anlagen mittels einer virtuellen Umgebung und künstlicher Intelligenz bewertet und optimiert werden können – bevor es zur Inbetriebnahme einer Produktionsstrecke kommt.

Oftmals wird ein digitaler Zwilling nur als eine ‚visuelle Hilfestellung‘ betrachtet, als die bloße digitale Darstellung eines physischen Objekts oder Systems. Tatsächlich birgt er jedoch weitaus größeres Potenzial, indem er ein dynamisches Modell darstellt, das auf den physischen Gegebenheiten einer Maschine oder eines Systems basiert und entsprechend ‚agiert‘. Dies bedeutet, dass er sich exakt so verhält, wie es in einem realen Betriebsszenario der Fall wäre, etwa bei Design-Iterationen für das Zuschneiden von Stahl oder beim Testen von Bedienelementen einer Maschine, bevor diese in einer Produktionsumgebung zum Einsatz kommt. Die Möglichkeiten für den Einsatz eines digitalen Zwillings sind dabei äußerst vielfältig.

Augmented-Reality erweitert Einsatzmöglichkeiten

Besonders in Kombination mit Technologien wie Augmented-Reality-Lösungen erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten und die daraus resultierenden Vorteile noch. Industrielle Automatisierungssysteme beinhalten eine physikalische und eine logische Ebene. Erstere umfasst das CAD-Modell des Systems oder der Maschine, Letztere das Steuerungssystem. Beide Ebenen sind aufgrund des Entwicklungsprozesses selten kongruent. Dies zeigt sich deutlich in der Phase der Inbetriebnahme eines Projekts, wenn beide Bereiche zusammengeführt werden. Das Ergebnis ist oft ein System, das Fehler aufweist und kostspielige Änderungen erfordert, um die Vorgaben zu erfüllen.

Mithilfe eines digitalen Zwillings lassen sich beide Ebenen bereits in einem frühen Entwurfsstadium zusammenführen, sodass der kombinierte Betrieb der mechanischen und logischen Systeme in einer virtuellen Umgebung ohne Risiko exakt beobachtet, getestet, korrigiert und verifiziert werden kann. Die Kosten für notwendige Anpassungen sind im Vergleich zu Optimierungen in einem realen Szenario minimal.

Plattform zur Erstellung dynamischer digitaler Zwillinge

Eine ideale Plattform für die Erstellung dynamischer digitaler Zwillinge stellt 3D-Simulations- und Emulationssoftware wie die Emulate3D-Lösung von Rockwell Automation dar. Möglich ist damit der Import der CAD-Daten aus verschiedenen Standardformaten, die Erstellung kinematischer Verhaltensweisen, die die Bewegungen des tatsächlichen Systems simulieren, und die Verbindung der Modellsteuerungselemente mit dem tatsächlichen Steuerungssystem über einen IO-Browser. Werden dann die herzustellenden Produkte als virtuelle ‚Abbildung‘ in den digitalen Zwilling eingefügt, kann das System über das in der realen Umgebung verwendete HMI bedient werden.
Ausfallzeiten minimieren.

Ausfallzeiten sind wichtiges Thema

Viele Unternehmen setzen bereits erfolgreich auf Emulate3D und digitale Zwillinge, darunter auch Pearson Packaging Systems. Die Firma hat sich auf Automatisierungslösungen für Sekundärverpackungen spezialisiert und bietet etwa Kartonaufrichter, Roboter-Toploader, Verschließer und Palettierroboter an.

Pearson Packaging Systems nutzt digitale Zwillinge, um die Entwicklung, den Bau, den Test und die Inbetriebnahme seiner Maschinen virtuell zu unterstützen. Priorität hat für das Unternehmen besonders, den Fertigungsprozess schlank zu halten und Durchlaufzeiten zu reduzieren. Ein wichtiges Thema der Kunden von Pearson Packaging Systems sind auch Ausfallzeiten. Im Falle von beispielsweise Problembehebungen oder Updates einer Anlage ist es wichtig, dass diese nicht einfach heruntergefahren wird und in der Folge für eine bestimmte Zeit außer Betrieb ist. Mithilfe des digitalen Zwillings können die Experten von Pearson den Kunden das Konzept zunächst ohne physische Maschine zeigen und erläutern, wie etwa ein Update erfolgen wird.

Pearson Packaging Systems nutzt die Emulate3D-Software auch als Service-Tool für zeitnahen Kunden-Support und die Behebung von Problemen im virtuellen Raum. Dazu wird der Code von den Maschinen vor Ort zunächst geladen und mit der Emulate3D-Software verbunden, sodass die Fachleute den digitalen Zwilling sehen und exakt nachvollziehen können, was der Kunde im realen Szenario sieht.

Durch die Nutzung von Digital Twins auf verschiedenen Ebenen lassen sich Unwägbarkeiten im Planungsprozess eliminieren.
Durch die Nutzung von Digital Twins auf verschiedenen Ebenen lassen sich Unwägbarkeiten im Planungsprozess eliminieren. (Bild: Rockwell)

Mit digitalem Zwilling zum Geschäftserfolg

Der Erfolg eines Unternehmens misst sich an Resultaten. Wesentliche Treiber für den Erfolg sind die Beschleunigung der digitalen Transformation, die Optimierung der Produktion, die Stärkung der Mitarbeiter, ein verbessertes Risikomanagement sowie die Förderung von Nachhaltigkeit. Lösungen für die Erstellung eines digitalen Zwillings können hierfür einen wichtigen Beitrag leisten, da sie zahlreiche Vorteile bieten, die sich zudem über verschiedenste Bereiche eines Unternehmens erstrecken: So erhalten beispielsweise Ingenieure Einblicke in den Betrieb einer Maschine, noch bevor einzelne Teile bestellt werden.

Um eine reibungslose Inbetriebnahme zu gewährleisten, kann ein digitaler Zwilling dabei helfen, die Dynamik einer bestehenden Anlage in einem virtuellen 3D-Entwurf zu berücksichtigen. Steuerungsprobleme können vor dem realen Einsatz vor Ort identifiziert werden. Und Mitarbeitende haben die Möglichkeit, in einer virtuellen Welt an Systemen zu trainieren, künftige Leistungen vorherzusagen oder Linienänderungen zu simulieren. Je mehr Firmen digitale Zwillinge einführen, desto mehr Vorzüge und Anwendungsmöglichkeiten werden entdeckt.

Fakt ist: Digitale Zwillinge können in verschiedensten Branchen und Szenarien eingesetzt werden, um bessere Automatisierungssysteme zu entwickeln und
die Produktion zu optimieren. Damit können sie letztlich einen wichtigen Beitrag zum Erfolg eines Unternehmens liefern und entscheidende Wettbewerbsvorteile schaffen.

Michael Maurer
Michael Maurer (Bild: Rockwell)

Michael Maurer

ist Team-Leader Digital Design & Solution Consultant bei Rockwell Automation. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der industriellen Automatisierung und war in verschiedenen Industrien tätig, sowohl bei Endkunden als auch Maschinenbauern. Er und sein Team konzentrieren sich besonders auf den Bereich Digital Design, um Kunden bei der Verkürzung ihrer Time-to-Market zu unterstützen.

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