Vernetzung spielt in der Industrie eine immer größere Rolle. Angesichts heterogener Netzwerkstrukturen in IT und OT kommt dabei dem Industrial Internet of Things eine immer größere Rolle als eine Art "Lingua franca" der industriellen Vernetzung zu.

Vernetzung spielt in der Industrie eine immer größere Rolle. Angesichts heterogener Netzwerkstrukturen in IT und OT kommt dabei dem Industrial Internet of Things eine immer größere Rolle als eine Art "Lingua franca" der industriellen Vernetzung zu. (Bild: Stock.Adobe.com - 24Novembers)

Cumulocity ist Spezialist für IoT-Lösungen. Was macht das Unternehmen genau?

Jürgen Krämer: Cumulocity ist eine Industrial-IoT-Plattform, die sich auf sogenannte Smart Connected Products spezialisiert hat. Unsere Plattform ermöglicht es unseren Kunden, Maschinen und Anlagen aus unterschiedlichsten Branchen anzuschließen und diese remote zu überwachen. Das umfasst Geräte wie Aufzüge von Schindler, Windturbinen von Enercon oder Bohrmaschinen und Presslufthämmer von Hilti, die oft auf Baustellen im Einsatz sind. Außerdem betreuen wir Maschinen aus anderen Branchen, wie Fräsmaschinen von DMG Mori oder Krankenhausbetten von Baxter. Unser Ziel ist es, eine zentrale Plattform bereitzustellen, die es unseren Kunden erlaubt, ihre Flotten weltweit zu verwalten und zu optimieren.

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Welche konkreten Vorteile bietet die Plattform Ihren Kunden?

Krämer: Zunächst einmal können Kunden ihre Flotten sicher verwalten, und das weltweit. Mit Cumulocity ist es möglich, Geräte über Firmware- und Software-Updates stets auf dem neuesten Stand zu halten. Darüber hinaus können über die Plattform neue Funktionen implementiert werden, was die Kundenzufriedenheit steigert und zusätzliche Umsatzpotenziale eröffnet.

Ein weiteres wichtiges Feature ist der Remote-Zugriff: Kunden können ihre Geräte aus der Ferne überwachen und konfigurieren. Besonders spannend wird es, wenn die Plattform Daten aus diesen Geräten sammelt und analysiert. Dadurch können unsere Kunden tiefere Einblicke in die Nutzung und Leistung ihrer Maschinen gewinnen. Diese Daten helfen dabei, Effizienzsteigerungen zu erzielen, etwa durch eine optimierte Energieeffizienz. Zudem können Innovationen und datengetriebene Geschäftsmodelle – wie neue Service-Angebote – entwickelt werden.

Zitat

Unser Ansatz basiert auf einem "Buy and Build"-Modell, das sich von klassischen Lösungen unterscheidet. Diese Flexibilität ist entscheidend, denn Maschinen- und Anlagenbauer bringen sehr spezifisches Know-how aus ihren Branchen mit.

Jürgen Krämer, Chief Product Officer, Cumulocity

Was unterscheidet Cumulocity von anderen Anbietern im IoT-Umfeld?

Krämer: Unser Ansatz basiert auf einem "Buy and Build"-Modell, das sich von klassischen Lösungen unterscheidet. Wir bieten unseren Kunden eine umfassende Plattform, die es ihnen ermöglicht, schnell mit IoT-Lösungen zu starten – das ist der "Buy"-Teil. Gleichzeitig haben unsere Kunden die Möglichkeit, die letzten 20 bis 30 Prozent der Lösung selbst zu gestalten – das ist der "Build"-Teil.

Diese Flexibilität ist entscheidend, denn Maschinen- und Anlagenbauer bringen sehr spezifisches Know-how aus ihren Branchen mit. Sie verstehen die Anforderungen ihrer Endkunden oft besser, als es ein Softwareanbieter je könnte. Mit unserem Ansatz können sie dieses Know-how gezielt einbringen und ihre Differenzierung am Markt stärken.

Zur Person: Jürgen Krämer

Jürgen Krämer (Bild: Cumulocity)

Dr. Jürgen Krämer ist Chief Product Officer bei dem IIoT-Spezialisten Cumulocity und verantwortlich für das gesamte Produkt- und Dienstleistungsportfolio der Marke sowie für deren Vision und Strategie zur Förderung von Innovation und Wachstum. Er leitet die Teams für Produktmanagement, Produktmarketing, professionelle Dienstleistungen und Partner-Ökosysteme. Jürgen hat in Informatik mit Auszeichnung promoviert und verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Berufserfahrung von Softwareentwicklung bis hin zu General Management. Er war CEO und Mitgründer eines Spin-offs für Datenanalyse an der Universität Marburg, das 2010 von der Software AG übernommen wurde. Er wurde bereits zweimal vom Magazin Capital zu einem der „Top 40 unter 40“ in Deutschland ernannt.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie bei Kunden, die eigene IoT-Projekte umsetzen?

Krämer: Viele unserer Kunden starten mit kleinen Prototypen, die häufig von internen Digitalisierungsteams entwickelt werden. Diese Prototypen sind oft spannend und kreativ, haben aber in der Praxis gravierende Einschränkungen. Sie sind nicht sicher genug, nicht hochverfügbar und schwer skalierbar. Sobald diese Projekte wachsen oder global ausgerollt werden sollen, explodieren die Kosten, und viele dieser Projekte scheitern.

Genau hier setzen wir mit Cumulocity an. Unsere Plattform stellt ein stabiles Fundament bereit, auf dem Kunden ihre individuellen Lösungen aufbauen können. Damit müssen sie keine grundlegenden Infrastrukturen von Grund auf neu entwickeln, sondern können sich auf ihre eigenen Innovationen und die Bedürfnisse ihrer Kunden konzentrieren.

 

Welche langfristige Vision verfolgen Sie mit Cumulocity?

Krämer: Neben der Optimierung von Connected Products streben wir an, stärker in den Bereich Connected Operations einzusteigen. Das umfasst Anwendungen wie Industrie-4.0-Prozesse, Gebäudemanagement oder Produktionssteuerung. Unser Ziel ist es, die Konnektivität zwischen IT- und OT-Umgebungen zu fördern und unsere Plattform als Basis für diese vernetzten Prozesse zu etablieren.

Langfristig möchten wir eine zentrale Rolle in vernetzten Ökosystemen einnehmen, in denen Daten nicht nur intern, sondern auch zwischen verschiedenen Partnern und Kunden ausgetauscht werden können. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für Innovationen und Effizienzsteigerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Warum sollten Unternehmen IoT-Lösungen einführen, auch wenn sie bereits klassische Systeme wie etwa MES nutzen?

Krämer: Manufacturing Execution Systems sind oft geschlossene Lösungen, die für spezifische Aufgaben wie die Produktionssteuerung entwickelt wurden. IoT-Plattformen wie Cumulocity sind hingegen offen und flexibel. Sie ermöglichen es, verschiedenste Datenquellen miteinander zu verbinden und neue Technologien wie Machine Learning zu integrieren.

Ein Beispiel: In vielen historisch gewachsenen Produktionsumgebungen ist es schwierig, neue Sensoren oder Protokolle einzubinden. Mit einer IoT-Plattform ist dies deutlich einfacher. Wir sehen oft, dass bestehende MES-Systeme durch IoT-Plattformen ergänzt werden, um eine umfassendere Datennutzung und Analyse zu ermöglichen.

Wie sieht denn ein “klassischer” IoT-Anwendungsfall aus?

Krämer: Ein gutes Beispiel ist die Energieeffizienzsteigerung durch Retrofit-Lösungen. In einer Produktionsanlage wurden IoT-Sensoren nachgerüstet, die den Energieverbrauch von Pumpen überwachen. Die Daten wurden analysiert, und auf dieser Basis konnten Optimierungen durchgeführt werden, die den Energieverbrauch deutlich senkten.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in Verbindung mit IoT?

Krämer: KI und IoT ergänzen sich ideal. Während IoT die Datenbasis liefert, sorgt KI dafür, dass aus diesen Daten wertvolle Einblicke gewonnen werden. Wir sehen Anwendungsfälle wie Predictive Maintenance oder Anomalieerkennung, bei denen KI Vorhersagen trifft und damit proaktive Maßnahmen ermöglicht.

Ein spannender Bereich ist die Integration von generativer KI. Hier haben wir beispielsweise eine Lösung entwickelt, bei der Live-Daten aus der IoT-Plattform mit Wartungshandbüchern kombiniert werden. So können auch weniger erfahrene Techniker gezielt bei der Fehlerbehebung unterstützt werden.

Wo sehen Sie IoT in fünf bis zehn Jahren?

Krämer: IoT hat sich vom Hype zur Normalität entwickelt, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Die Kombination von IoT und KI – wir nennen das AIoT – wird in den kommenden Jahren immer wichtiger. Beide Technologien sind Enabler, die Unternehmen helfen, ihre Prozesse effizienter und innovativer zu gestalten.

Zudem sehen wir eine zunehmende Vernetzung in offenen Ökosystemen. Unternehmen werden Daten nicht mehr nur intern nutzen, sondern auch mit Partnern und Kunden teilen, um gemeinsam an neuen Lösungen zu arbeiten. Diese Entwicklung wird nicht nur die Zusammenarbeit, sondern auch die Innovationskraft in vielen Branchen stärken.

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