Julia beneidete Stuart nicht. Was er heute durchmachte, war die Achterbahnfahrt eines Hochgeschwindigkeitszuges. Aber es ging um eine Viertelmillion, die seine junge Firma vor der Insolvenz bewahren und neuen Auftrieb geben würde. Stuart rannte nervös hin und her, während er seinen Lieferanten anrief. Der bestätigte die Befürchtung. Wenn der Auftrag innerhalb der nächsten zwei Werktage direkt per EDI bei ihm einging, konnte der Liefertermin zugesagt werden. Händische Bearbeitungen von Aufträgen, die per Fax oder Emailanhang eingingen, verzögerten den internen Bestellprozess um gut eine Woche. Was nun? Wie so viele Gründer im Technologiebereich hatte sich Stuart auf die Entwicklung ihrer Produkte konzentriert und nicht um bürokratische Abläufe in der Administration gekümmert.
Wie sollte er in so kurzer Zeit eine EDI-Bestellsoftware integrieren? Erfahrungen seiner Bekannten nach ging das mit SAP oder ähnlichen Systemen nicht so schnell. Julia ging in Gedanken alle Kontakte durch, ob ihr jemand einfiel. Doch so sehr sie ihr Hirn marterte: nichts. Stuarts Handy klingelte. Es war Anette. Sie wollte wissen, wie die Präsentation gelaufen war. Stuart berichtete von seinem Dilemma, um plötzlich erleichtert zu lachen. „Die können das?“, versicherte er sich nochmals. „Du bist ein Schatz“, beendete er das Gespräch.
Eine Minute später klingelte es erneut. Es war ein Mann namens Mario, ein Bekannter von Anette. Seine Firma hatte sich tatsächlich genau auf die Lösung dieses Problems spezialisiert, denn es wurden fast fünfundneunzig Prozent der Geschäftsdokumente heute immer noch auf Papier ausgedruckt.
Sie boten die notwendige Software im Servicemodell an, was den Prozess gerade für kleine und mittelständische Firmen vereinfachte. Er bestätigte Stuart, dass sie in dringenden Fällen innerhalb nur eines Tages mit ihrem EDI-Clearing Center eine Anbindung an die elektronischen Systeme seines Lieferanten und seines Kunden über die Cloud herstellen konnten, so dass er die Proforma- Rechnung mit Liefertermin direkt wie gewünscht digital in dessen System versandte. Dafür benötigten sie von ihm einige Daten. Stuart kritzelte auf einem Zettel eifrig mit.
„Sie sind unsere Rettung“, verabschiedete er sich nach zehn Minuten. Hektisch stellte er alle notwendigen Informationen in einer Email an Mario zusammen. Die Bestätigung, dass alles angekommen war und mit der Integration sofort begonnen wurde, kam umgehend. Jetzt konnte er erleichtert aufatmen. Stuart öffnete die Flasche Sekt aus der Teeküche. Weder ihn noch Julia störte es, dass er warm war.
Beinahe hätte Julia noch ihren Zug verpasst. Als sie in ihren reservierten Sitz sank, merkte sie erst, wie erschöpft sie selbst von der ganzen Rennerei und Aufregung des Tages war. Nur noch einmal kurz Emails checken.
Dann die Augen zu machen und Musik hören. Sie öffnete ihr Emailprogramm auf dem Tablet und sah, dass Frau Foster eine Nachricht geschickt hatte.
Neugierig wählte Julia sie aus. Dann wurde der Bildschirm schwarz.