Deutschland setzt als Hightech-Standort stark auf innovative Technologien wie Robotik und Vernetzung. Setzt sich eine solche Technik flächendeckend durch, so hat dies Auswirkungen auf die Nachfrage der darin verwendeten Rohstoffe. Doch können die Märkte diese benötigten Elemente auch in der gewünschten Menge liefern? Mit dieser Fragestellung hat sich das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat im Auftrag der deutschen Rohstoffagentur (DERA) beschäftigt.
In der Studie „Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2016“ analysierten die Forscher, bei welchen chemischen Elementen aufgrund der technischen Entwicklung in den nächsten 20 Jahren Nachfrageschübe zu erwarten sind. Die Studie wird alle fünf Jahre im Austausch mit der Wirtschaft aktualisiert. Sinn und Zweck ist, dass sich Unternehmen rechtzeitig auf steigende Nachfragen und deren Einfluss auf Rohstoffpreise und Lieferengpässe vorbereiten können und eventuell Ausweichstrategien parat haben. Außerdem will die DERA weiterführende Forschungsprojekte und Untersuchungen anstoßen.
Verbreitung der Zukunftstechnologien
Die Studie, die am 4. Juli 2016 veröffentlicht wurde, stellt die erste Überarbeitung einer Untersuchung von 2009 dar, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) angefertigt wurde. Bei der aktuellen Version betrachteten die Forscher am Fraunhofer ISI nun 42 verschiedene Technologien und schätzten deren Potenzial für die Zukunft ab. Basierend darauf erarbeiteten sie Szenarien für den Rohstoffbedarf, der für diese Technologien im Jahr 2035 anfällt.
Zu den betrachteten Zukunftstechnologien gehören zum Beispiel Lithium-Ionen-Akkus, Magnete, Windkraft, Elektromotoren, Mikrokondensatoren, die RFID-Technik und Medizintechnik. Nach Ansicht der Studienautoren haben 16 Rohstoffe besondere Relevanz für die untersuchten Technologien. Den geschätzten Bedarf für das Jahr 2035 setzten die Forscher dann mit der weltweiten Primärproduktion im Jahr 2013 ins Verhältnis.
Risikokandidaten identifiziert
Einige Ergebnisse sind es wert, sie besonders im Auge zu behalten. Bei fünf Metallen könnte der Bedarf 2035 die Größenordnung der Primärproduktion 2013 erreichen oder sie sogar übersteigen, wobei nur die benötigte Menge für die betrachteten Zukunftstechnologien angegeben wurde und andere Verwendungen der Metalle nicht berücksichtigt sind. Dabei handelt es sich um Germanium, Kobalt, Scandkum, Tantal und Nedoym beziehungsweise Praseodym. Diese sind vor allem für Lithium-Ionen-Akkus, SOFC-Brennstoffzellen, Mikrokondensatoren und Medizintechnik sowie Magnete, Elektroautos und Windkraft relevant.
Bei drei Metallen werde 2035 sogar die doppelte Menge dessen benötigt, was 2013 produziert wurde, schreiben die Autoren der Studie. Dies trifft auf Lithium, Dysprosium beziehungsweise Terbium sowie Rhenium zu. Sie werden für Lithium-Ionen-Akkus, Magnete, Elektroautos, Windkraftanlagen und Superlegierungen benötigt.
Interpretation der Ergebnisse
Die Studie macht allerdings keine Aussagen dazu, welche Mengen eines Elements theoretisch gefördert werden könnten oder welche bislang unerschlossenen Vorkommen bekannt sind. Es geht also nicht unbedingt um die Endlichkeit des Elements, sondern um Preisanstiege und Lieferverzögerungen.
Die Forscher betonen, dass es sich bei den Ergebnissen der Studie nicht um Prognosen handelt, sondern realistisch erscheinende Entwicklungsmöglichkeiten. Tatsächlich zeigen sich im Vergleich mit der Vorgängerstudie von 2009 teilweise deutliche Unterschiede. Ein Grund dafür ist, dass inzwischen einige Metalle in größeren Mengen gefördert werden, zum Beispiel Gallium und Scandium. Außerdem haben sich Technologien mit geringem spezifischem Metallgehalt durchgesetzt, wie LED und Brennstoffzellen, und die Unternehmen verwenden in einigen Bereichen nun andere Technologien (Substitutionstechnologien). Dazu kommt, dass es inzwischen mehr Daten zu dem Thema gibt, beispielsweise in Form von Marktanalysen. Grund dafür ist das gestiegene Interesse an Rohstofffragen, ausgelöst unter anderem durch das Exportverbot Chinas für Seltenerdmetalle von 2010 bis 2015, die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 und die Energiewende in Deutschland.
In ihrem Bericht empfehlen die Autoren den Unternehmen, bei der Entwicklung neuer Technologien immer auch die Rohstoffsicherung als Grundüberlegung mit einzubeziehen. Dabei sollten Entwickler den aktuellen Rohstoffpreisen aber nicht zu viel Gewicht beimessen. Denn diese seien kurzfristigen Schwankungen ausgesetzt, ausgelöst durch vorübergehende Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage, Börsenspekulationen und politischen Restriktionen. Wichtig seien die langfristige physische und ökonomische Verfügbarkeit, geben die Forscher zu Bedenken.