Hauptrotorlagerung,

Einbausituation der Hauptrotorlagerung in getriebelosen Anlagen. (Bild: NSK)

Die Leistung von Windenergieanlagen steigt zumindest im Offshore-Bereich weiter an. So fertigt NSK aktuell Wälzlager für 9,5-MW-Anlagen, die kurz vor der Serieneinführung stehen, und entwickelt Wälzlager für Offshore-Windenergieanlagen (WEA) der 12-MW-Klasse. Bei den Onshore-Anlagen geht der Leistungsbereich bis 6 MW. Es sind aber nicht nur die Leistungen, die sehr hohe Anforderungen an die Wälzlager stellen. Auf See wirken wegen der höheren Windgeschwindigkeiten nochmals höhere statische und dynamische Belastungen auf die Rotoren und damit auf den gesamten Antriebsstrang ein.

Lebensdauer: Von 20 auf 25 Jahre

mehrreihige Wälzlager,
Im Trend: Integration von (Planeten-)Getriebestufen und mehrreihigen Wälzlagern. (Bild: NSK)

Bei Onshore-Windenergieanlagen werden die Hauptlager schon mit rund einem Meganewton (MN) belastet, bei Offshore-Anlagen sind es noch mehr. Außerdem steigen die Anforderungen an die Lebensdauer. Die Hersteller forderten für Onshore-Anlagen traditionell eine Auslegung der Wälzlager auf eine Lebenszeit von 175.000 Stunden, das entspricht 20 Jahren. Wegen der schlechten Zugänglichkeit von Offshore-Windenergieanlagen fordern sie bei diesen eine Lebensdauer von 25 Jahren, was angesichts der extrem dynamischen Belastungen eine echte Herausforderung darstellt.

Kegel- statt Zylinderrollenlager

Programm an Wälzlagern,
NSK bietet seit rund 20 Jahren ein breites Programm an Wälzlagern für die Getriebe von Windenergieanlagen. (Bild: NSK)

Diese Trends haben auch Auswirkungen auf die Auswahl der Wälzlager. Bei Anlagen mit Direktantrieb verwendet man zunehmend zweireihige Kegelrollenlager als vordere (windseitige) Hauptlager. Gegenüber den bislang meist verwendeten Zylinderrollenlagern bieten sie den Vorteil der einstellbaren Vorspannung. Damit lässt sich eine größere Systemsteifigkeit erreichen. Bei den hinteren (generatorseitigen) Lagerungen kommen sowohl Zylinder- als auch Kegelrollenlager zum Einsatz. Beide Lager erreichen Innendurchmesser bis zu 2,70 Meter und stellen damit sehr hohe Anforderungen an die Fertigung.

Bei den Anlagen mit Getrieben wird das Gewicht der zusätzlichen Antriebskomponente dadurch kompensiert, dass der Generator kleiner ausgeführt sein kann. Hier gibt es je nach Leistungsklasse verschiedene Konzepte für die Hauptrotorlagerung. Für Anlagen bis 5 MW fertigt NSK vor allem Pendelrollenlager. Ab 6 MW setzen sich Auslegungen mit zwei Kegelrollenlagern oder zweireihige Kegelrollenlager in Verbindung mit einem Zylinderrollenlager durch. Die Getriebe dieser Anlagen sind als zwei- oder dreistufige Planetengetriebe oder als Kombination aus zwei Planeten- und einer Stirnradstufe ausgeführt. Hier geht der Trend dahin, die Lager direkt in die Getriebe zu integrieren. NSK hat für diese Anwendung, in enger Kooperation mit dem Getriebehersteller, mehrreihige Kegel- und Zylinderrollenlager ohne Außenring entwickelt, die in den Planetenstufen der Getriebe zum Einsatz kommen. Die Bohrung der Planetenräder wird dabei als Außenringlaufbahn der Wälzlager genutzt. In besonderen Anwendungsfällen werden statt Kegelrollenlagern vierreihige Zylinderrollenlager als integrierte Lager ohne Außenring verwendet. Bei vier Planeten einer Stufe umfasst ein Lagersatz dann insgesamt 16 Reihen. Um eine gleichmäßige Belastung aller Wälzlager zu erreichen, werden Bohrungs- und Hüllkreisdurchmesser für den gesamten Lagersatz sehr eng toleriert. Insbesondere für Windenergieanlagen mit Getriebe gilt, dass immer seltener Kugellager verwendet werden. Der Trend geht eindeutig zu Rollenlagern, die im Vergleich eine höhere Steifigkeit bieten und höhere Tragzahlen erreichen. Ein weiterer Trend ist der Wunsch der Anlagenhersteller, alle Wälzlager einer WEA aus einer Hand zu beziehen. Das war einer der Gründe für NKE, das Portfolio des Geschäftsbereichs Wind gezielt zu erweitern.

Erforschung der White Etching Cracks

Wegen der Größe der Lager und der sehr schlechten Zugänglichkeit ist die Branche sehr sensibel, was Wälzlagerschäden betrifft. Den Herstellern ist es gelungen, viele typische Schäden in den Griff zu bekommen. So führen nichtmetallische Einschlüsse im Wälzlagerstahl zu Anrissen in den Lagerlaufbahnen, die sich im weiteren Betriebsverlauf aufweiten. Durch die Verwendung von hochreinen Spezialstählen lässt sich diese Problematik beheben. Ein Thema, das die Branche nach wie vor umtreibt, sind die White Etching Cracks (WEC). Das sind Wälzlagerschäden, die relativ früh während der Anlagenlaufzeit auftreten. Das typische Schadensbild sind weiße Strukturen im Gefüge der Laufbahn, daher der Name, die zu Rissbildung und letztlich zum Lagerausfall führen. Die Ursache dieser Schäden war lange Zeit völlig unklar. Versuchsreihen zeigten dann, dass sie auf Wasserstoffpenetration zurückzuführen sind. Die Herkunft des Wasserstoffs ist jedoch noch nicht völlig geklärt. Ebenso offen ist die Frage, warum dieser Schaden nur bei WEA auftritt. Die Zentralforschung von NSK fand durch Vergleiche mit neuen und bereits verbauten Lagern heraus, dass sich der Wasserstoff erst im Betrieb der Lager bildet. Vermutlich, so die erste Idee, stammt er aus den Kohlenwasserstoff-Ketten von Schmierstoffen und ihren Additiven. Diese These erhärtete sich, nachdem das typische Schadensbild mit bestimmten Ölen und Fetten im Labor reproduziert werden konnte. Diese Theorie ist auch deshalb plausibel, weil in den 1990er Jahren in der Automobilindustrie ähnliche Schäden auftraten. Hier kam es an den Wälzlagern von Riemenspannern und Lichtmaschinen zu vorzeitigen Ausfällen. Ein Wechsel des Fettes oder des Riemenwerkstoffs brachte Abhilfe. Zu klären ist unter anderem noch, welchen Einfluss die Elektrizität (Stromdurchgang) bei der Entstehung des Schadens spielt.

Condition Monitoring in der Praxis

Wegen der hohen Anforderungen an Ausfallsicherheit und Lebensdauer sind Wälzlager in WEA prädestiniert für den Einsatz von Condition Monitoring-Systemen (CMS), die  extern montierte oder integrierte Sensoren dazu nutzen, den Zustand der Lagerstellen kontinuierlich zu überwachen. Unregelmäßigkeiten, die auf Wälzlagerschäden oder einen zu erwartenden Lagerausfall hindeuten, können frühzeitig erkannt und gemeldet werden. Ein solches Condition Monitoring-System befindet sich unter anderem in einem japanischen Offshore-Windpark im Einsatz. Seine Aufgabe ist es, Unregelmäßigkeiten so frühzeitig zu erkennen, dass die Wartungsintervalle der Anlagen entsprechend getaktet werden können. Für solche Systeme sieht NSK großes Marktpotenzial. aru

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