
Im Turbinenprüfstand Next Generation Turbine Test Facility (NG-Turb) des DLR-Instituts für Antriebstechnik in Göttingen werden zukünftige Hochleistungsturbinen untersucht. (Bild: DLR)
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat gemeinsam mit Rolls-Royce Deutschland wichtige Fortschritte bei der Entwicklung von Turbinen für effiziente und umweltfreundliche Flugzeugtriebwerke erzielt. Sie nutzten dabei unter anderem einen Trick, der von vielen modernen Flugzeugtragflächen bekannt ist: Kleine Flügelchen, sogenannte Winglets, an den Spitzen der Turbinenschaufeln erhöhen den Wirkungsgrad der Turbine. Diese und andere Technologien kommen bereits in den neuesten Triebwerken der Pearl-Familie von Rolls-Royce zum Einsatz und haben den Treibstoffverbrauch deutlich gesenkt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR-Instituts für Antriebstechnik in Göttingen haben gemeinsam mit Rolls-Royce Deutschland eine neuartige zweistufige Hochdruckturbine untersucht. Dabei wurden die Computersimulationen von Rolls-Royce im Experiment bestätigt. Die Versuche fanden im europaweit einzigartigen Turbinenprüfstand NG-Turb (Next Generation Turbine Test Facility) des DLR in Göttingen statt. An diesem Prüfstand werden Untersuchungen durchgeführt, bei denen die Bedingungen in der Turbine simuliert werden, die mit denen in einem realen Triebwerk vergleichbar sind. Im Aufbau eines Turbofan-Triebwerks folgt die Turbine der Brennkammer. Die Turbinenschaufeln werden durch den aus der Brennkammer austretenden Abgasstrahl angetrieben.
Turbineneintrittstemperatur entscheidend
Bei den ersten Messungen am NG-Turb-Prüfstand, die im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms der Bundesregierung (LuFo-Projekt HittTurb) durchgeführt wurden, stand zunächst der Wirkungsgrad der Turbine im Vordergrund. Da der Betriebspunkt der Turbine beim Start, im Reiseflug und im Landeanflug variiert, war es entscheidend, die Abhängigkeit des Wirkungsgrades von der Drehzahl und dem Druckverhältnis der Turbine zu ermitteln. „Die Turbine dient als Demonstrator für verschiedene Technologien, die im realen Triebwerk zum Einsatz kommen sollen. Dazu gehören unter anderem Winglets an den Rotorschaufeln“, erklärt Projektleiter Andreas Pahs vom DLR-Institut für Antriebstechnik in Göttingen. Winglets an der Schaufelspitze verändern die Geometrie der Schaufel und damit die Umströmung deutlich. Sie verbessern den Wirkungsgrad der Turbine und damit des gesamten Triebwerks.
„Zusätzlich wurden detaillierte Strömungsfeldmessungen durchgeführt. Mithilfe von Sonden, die wir am Institut selbst entwickelt haben, wurden Druck, Temperatur, Anströmwinkel und Machzahl analysiert“, so Pahs weiter. Die Erkenntnisse flossen in die Entwicklung der Pearl-Triebwerksfamilie von Rolls-Royce ein, die als Antrieb für Ultralangstrecken-Geschäftsreiseflugzeuge eingesetzt wird.
Heute im Fokus: Brennkammer-Turbinen-Interaktion
Neben dem neuen Turbinendesign stand der Einfluss der Brennkammeraustrittsströmung auf Aerodynamik, Wirkungsgrad und Temperaturen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Aufgrund der extremen Temperaturen, denen das Turbinenmaterial im Betrieb ausgesetzt ist, ist es entscheidend, besonders heiße Stellen frühzeitig zu erkennen und mit Kühlluft an der Oberfläche der Turbinenschaufeln gezielt abzukühlen.
In dem kürzlich abgeschlossenen Folgeprojekt im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Clean Sky 2 (EU-Projekt Transition) lag der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Zusammenspiel von Brennkammer und Turbine. Zu diesem Zweck wurde ein Brennkammersimulator entwickelt, der im NG-Turb-Prüfstand vor der Turbine installiert wird. Der Brennkammersimulator erzeugt Strömungsfelder, die in ihrer Charakteristik mit der Verbrennung konventioneller Brennstoffe vergleichbar sind und dem Austrittsprofil einer realen Brennkammer von Rolls-Royce entsprechen.
Ein besseres Verständnis der Temperaturverteilung am Übergang von der Brennkammer zur Turbine ist der Schlüssel für weitere neue Technologiekonzepte. „Unsere Aufgabe ist es, die thermische Belastung innerhalb der Turbine genau zu messen, um die Kühlung der Turbinenschaufeln effizienter zu gestalten“, erklärt Projektleiterin Anna-Samira Söhngen vom DLR-Institut für Antriebstechnik. Durch eine angepasste, optimierte Kühlung macht die eingesparte Kühlluft das Triebwerk insgesamt noch effizienter.
Europaweit einzigartiger Turbinenprüfstand für Wasserstoff fit gemacht
Der Turbinenprüfstand NG-Turb arbeitet in einem geschlossenen Kreislauf mit trockener Luft als Strömungsmedium. Der Prüfstand ermöglicht variable Drücke und Temperaturen, sodass die wichtigen Kenngrößen Mach- und Reynoldszahl unabhängig voneinander eingestellt werden können. Die Anlage verfügt außerdem über eine Trocknungsanlage und einen Kühlluftkompressor, der Luft aus der Anlage entnehmen und der Turbine zur Kühlluftsimulation zur Verfügung stellen kann. Für die Kühlluftsimulation wurden Wärmetauscher am Prüfstand installiert, mit denen die Temperatur der Kühlluft abgesenkt und damit eine weitere Kenngröße, das Temperaturverhältnis zwischen Hauptströmung und Kühlluft, realitätsnah eingestellt werden kann.
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Das DLR erhält vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine finanzielle Förderung, um seine Bodenprüfstände, zu denen auch der NG-Turb in Göttingen gehört, für die Untersuchung umweltfreundlicher Treibstoff- und Antriebstechnologien in der Luftfahrt vorzubereiten (Projekt UpLift). Im Fokus steht dabei unter anderem der mögliche Einsatz von Wasserstoff im Triebwerk, dessen Einfluss zukünftig auch im Rahmen der Turbinenforschung untersucht werden soll. Die Förderung erfolgt im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms LuFo Klima des BMWK, dem zentralen Instrument, mit dem die Bundesregierung die Luftfahrtbranche auf dem Weg zur CO₂-Neutralität unterstützt.