Brennkammer eines Raketentriebwerks aus gedrucktem Kupfer

Brennkammer eines Raketentriebwerks aus gedrucktem Kupfer (Bild: EOS)

Direkt gedrucktes Kugel-Gelenk.
Direkt gedrucktes Kugel-Gelenk. Mittels LPBF-Verfahren lassen sich auch bewegliche Verbindungen herstellen, wodurch nachträgliche Fügeprozesse entfallen können. (Bild: AMC)

Additive Fertigung steht vor allem für Design-Freiheit. Für Formen, Strukturen, Innenleben, die sich mit anderen Fertigungsverfahren so gar nicht oder nur mit großem Aufwand realisieren lassen. Also grenzenlose Freiheit im Design? Und das mit einem Fertigungsverfahren, das alle anderen demnächst überflüssig macht?
„Der große Traum war im Prinzip immer, dass 3D-Druck das eine Fertigungsverfahren wird, mit dem sich am Ende alles herstellen lässt – vom Prototypen bis zur Großserie. Das hat sich natürlich so nicht bewahrheitet“, sagt Bernhard Langefeld, Senior Partner bei RolandBerger, der das Thema seit der Zeit begleitet, als die unangefochtenen Technologieführer im Metall-3D-Druck noch drei deutsche Firmen waren. „Zum einen braucht es nach wie vor andere Verfahren, weil der 3D-Druck technisch an gewisse Grenzen stößt – beispielsweise bei der Oberflächengüte oder der Genauigkeit. Zum anderen sind bei großen Stückzahlen etablierte Verfahren wie das Kunststoff-Spritzgießen einfach günstiger“, stellt er fest.

Bernhard Langefeld, Senior Partner, RolandBerger
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Die Zahl der Hersteller von 3D-Druckanlagen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Vor sieben, acht Jahren gab es die drei deutschen Hersteller für metallischen 3D-Druck. Mittlerweile liefern sich weltweit 30 bis 40 Hersteller, allein 12 davon in China, einen starken Wettbewerb. Treiber der Nachfrage sind vor allem Gasturbinenteile, Raketenmotoren und Defense-Anwendungen.

Bernhard Langefeld, Senior Partner, RolandBerger
(Bild: RolandBerger)
Integration von Gitterstrukturen in einem Würfel
Integration von Gitterstrukturen. Durch den Ersatz von Vollmaterial mit innenliegenden Gittern werden neue Designräume für strukturellen Leichtbau eröffnet (Bild: AMC)

Meist ist es aber auch gar nicht der Anspruch, mit Additive Manufacturing (AM) hohe Stückzahlen zu produzieren, weil dadurch die Vorteile des Verfahrens verloren gehen. „Vor allem durch eine nahezu durchgängige Digitalisierung und das werkzeuglose Produzieren werden sich Design-Zyklen deutlich verkürzen und Design-Änderungen in Bauteilen wesentlich schneller umsetzen lassen“, erwartet Dr. Michael Krämer vom Additive Manufacturing Center (AMC) der TU Darmstadt. Das gelte auch für Produkte, deren Serienproduktion längst angelaufen ist. „Sie können Stellen, an denen es im Betrieb zu Problem kommt, sozusagen ‚nachauslegen’ und konstruktiv für eine höhere Lebensdauer der Bauteile sorgen“, verdeutlicht Krämer. „Ein anderer wichtiger Punkt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Wegfall einer Ersatzteilhaltung, weil jederzeit on demand Ersatzteile nachproduziert und Ersatzteillager so zum großen Teil ersetzt werden können.“
Gleichzeitig lassen sich im 3D-Druck Funktionen integrieren, die mit anderen Verfahren nicht umsetzbar sind, wie innenliegende Kanäle für Kühlung oder Medientransport. Auch die Anzahl der Einzelteile eines Bauteils oder einer Baugruppe lässt sich im Vergleich zu konventionellen Verfahren drastisch reduzieren. Was nicht nur einen Zeitgewinn bei der Fertigung bedeutet, weil Fertigungsschritte entfallen, sondern gerade bei sicherheitsrelevanten Komponenten auch den Aufwand für Dokumentation, Zertifizierung und Auditierung verringert. „Aber das sind dann meist komplexe Bauteile oder Baugruppen und damit geht in der Regel einher, dass die Stückzahlen typischerweise eher gering sind“, räumt Krämer ein.

Dr. Michael Krämer, Geschäftsführung Additive Manufacturing Center (AMC) der TU Darmstadt
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Additive Fertigung wird die konventionelle Fertigung nie komplett verdrängen. Sie wird ein neuer Baustein – da wo es Sinn macht und einen Funktionsgewinn oder andere Vorteile die zusätzlichen Aufwände und Kosten aufwiegen. Ich gehe fest davon aus, dass dies für immer mehr Bauteile der Fall sein wird. Aber am Ende wird es kein Ersatz für die anderen Fertigungsverfahren, sondern ein Partner sein“.

Dr. Michael Krämer, Geschäftsführung Additive Manufacturing Center (AMC) der TU Darmstadt
(Bild: AMC)
Topologie-optimierter C-Bügel für den Einsatz in der Luftfahrt
Topologie-optimierter C-Bügel für den Einsatz in der Luftfahrt. Durch Anpassung der Geometrie an den Kraftfluss können strukturelle Bauteile mit additiver Fertigung deutlich leichter werden. (Bild: AMC)

Immer wieder neue Möglichkeiten für die additive Fertigung eröffnen Material-Innovationen. „Wir können mittels 3D-Druck Teile aus Materialien herstellen, die mit anderen Fertigungsverfahren nur schwer oder gar nicht zu verarbeiten sind. Etwa Wolfram für Kollimatoren in CT-Scannern oder hochfeste Aluminium-Legierungen, die nur schwer schweißbar sind“, berichtet Nikolai Zaepernick von EOS. Alleine die Angebotspalette des Münchner 3D-Druck-Pioniers umfasst mittlerweile mehr als 30 Polymer-Materialien und über 35 Metallpulver.
„In der Forschung und Entwicklung geht der Trend weg von strukturell arbeitenden Materialien hin zu Funktionsmaterialien“, berichtet Krämer. So gewinnen reines Kupfer und Kupferlegierungen, die über eine gute elektrische und thermische Leitfähigkeit verfügen, zunehmend an Bedeutung – etwa Kupfer-Chrom-Zirkon (CuCrZr) für den Formenbau oder Schweißelektroden und -düsen.
„Ein weiteres großes Entwicklungsthema bei uns in Darmstadt ist 3D-Druck für magnetische Materialien“, berichtet Krämer. „Viele magnetische Materialien sind nur schwer zu verarbeiten. Sie lassen sich weder besonders gut gießen, noch umformen und auch nicht bohren, weil sie zu spröde sind. Additive Fertigungsverfahren versprechen hier Lösungsansätze für viele Aufgabenstellungen“, erwartet er. Längst etabliert und im breiten Einsatz sind Werkstoffe wie Scalmalloy, eine Hochleistungslegierung aus Scandium (SC), Aluminium (Al) und Magnesium (Mg) für die Luftfahrt oder den Motorsport. Sie verdankt ihre hohe Festigkeit einer Besonderheit der additiven Fertigung: Während große Alumi­nium-Gussbauteile über Stunden abkühlen, erhitzt sich beim 3D-Druck immer nur eine sehr kleine Fläche. Diese Wärme aus der Schmelze fließt umgehend in den Rest des Bauteils ab und die aufgeschmolzene Stelle erkaltet sehr schnell. „Materialien wie Scalmalloy brauchen dieses schnelle Abkühlen und wären anders gar nicht herzustellen“, erklärt Langefeld. Im Pulverbett entstehen aus solchen Legierungen filigrane Leichtbaukomponenten, die unter anderem aus Flugzeugen längst nicht mehr wegzudenken sind.

Tipps für den Konstrukteur

Es ist wichtig, die Funktion des Bauteils in den Vordergrund zu stellen und nicht die Fertigbarkeit. Übergänge oder Phasen milde halten. Radien statt gewinkelte Verbindungen konstruieren und innenliegende Strukturen sollten zumindest so groß gewählt werde, dass man noch überschüssiges Pulver entfernen kann.
Auch dem 3D-Druck sind Grenzen gesetzt. Ab einem bestimmten Neigungswinkel brauchen auskragende Elemente Stützstrukturen. Innenliegende Hohlräume dürfen nicht zu eng sein, damit überschüssiges Pulver am Ende daraus entfernt werden kann.

Gelenkarm für einen in Kleinserie hergestellten Sportwagen mittels 3D-Druck
3D-Druck muss nicht immer teurer sein: In einer Studie konnte das IAPT die Fertigungskosten des Gelenkarms für einen in Kleinserie hergestellten Sportwagen mittels 3D-Druck im Vergleich zum konventionellen Fräsen um 50 Prozent reduzieren (Bild: Fraunhofer IAPT)

Auch in der Automobilindustrie, für die Gewichtseinsparung zunehmend wichtiger wird, kommen zunehmend Komponenten aus dem 3D-Drucker zum Einsatz. Allerdings in den meisten Fällen nach wie vor in eher überschaubaren Losgrößen. „Der wesentliche Grund ist der Preis. Würden die Bauteile deutlich weniger kosten – nicht 20 oder 30 Prozent weniger als bisher, sondern ein Zehntel – dann würde die Nachfrage enorm wachsen“, denkt Langefeld. Aktuell sei der Markt nach wie vor eher Nischenanwendungen vorbehalten wie Medizintechnik, Gas-Turbinen, Flugzeugteilen, Brennkammern in Raketentriebwerken oder Komponenten für hochpreisige Sportwagen. „Im Massenmarkt ist insbesondere der metallische 3D-Druck noch immer nicht angekommen“, konstatiert er.
Mehr Automatisierung wäre ein Ansatzpunkt, um das zu ändern. Den Bauprozess in der Kammer beschleunigen ein anderer. „Der teuerste Kostenblock beim 3D-Druck ist die Maschinenbelegung. Die Maschinen sind nach wie vor relativ teuer, gerade für den 3D-Druck mit Metall, und je nach Größe kann die Fertigung eines Bauteils leicht mehrere Stunden dauern“, sagt Frank Beckmann, stellvertretender Institutsleiter der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologie IAPT, Hamburg. Forschende des Fraunhofer IAPT arbeiten deshalb unter anderem an neuen Belichtungsstrategien und Laserformen wie dem Ring Mode Laser, die den Energieeintrag deutlich erhöhen und Prozesszeiten auch dadurch verkürzen, dass sie höhere Schichtdicken ermöglichen. „Mit hochproduktiven Prozessparametern erhalte ich vielleicht nicht mehr 99,99 Prozent Bauteildichte, sondern nur 99,95 Prozent. Aber für viele Anwendungen reicht das völlig aus und ich kann Druckzeiten massiv senken“, erklärt er.
Michael Krämer vom AMC in Darmstadt sieht angesichts der Möglichkeiten, die additive Fertigung bietet, weniger die Prozesszeiten als Problem: „Das, was 3D-Druck wirklich teurer macht als andere Verfahren, sind die Nachbearbeitung und die Qualitätskontrolle. Egal, wie ich das Bauteil verändere, ob ich es einfacher oder komplexer gestalte, diese Punkte bleiben immer gleich.“ Gerade schnellere Durchlaufzeiten erhöhen die Gefahr, dass Randschicht-Porositäten oder innenliegende Defekte auftreten wie Keyhole-Poren oder ein ‚Lack of Fusion’, eine unvollständig ausgebildete Verbindung zwischen zwei Schichten, die am Ende zu Rissen führen kann. „Eine gute Qualitätskontrolle ist deshalb essen­tiell“, betont er.

Frank Beckmann, stellvertretender Institutsleiter der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologie IAPT
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Was ich in Blech oder in der Fräskonstruktion herstellen kann, das wird in der Regel in diesem Verfahren günstiger sein. Das Ziel sollte somit eine clevere Konstruktion sein, die Vorteile im Bauteil hebt, die konventionell nicht realisierbare sind, wie einen Gewichtsvorteil, einen Funktionsvorteil oder die Zusammenführung von verschiedensten Bauteilen zu einem. Dann macht 3D-Druck Sinn.

Frank Beckmann, stellvertretender Institutsleiter der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologie IAPT
(Bild: Fraunhofer IAPT)
Formel-1-Bremspedal: konventionell (r.) und additiv gefertigt mit Gewichtsoptimierung und verbesserter Steifigkeit (l.)
Formel-1-Bremspedal: konventionell (r.) und additiv gefertigt, mit Gewichtsoptimierung und verbesserter Steifigkeit (l.) (Bild: EOS)

Meist findet diese nach dem Drucken am fertigen Bauteil statt. „Vor allem Kunden aus der Luftfahrt fordern im Anschluss noch immer einen CT-Scan“, berichtet Zaepernick. Doch zur Computertomografie (CT) als zusätzlichem Prozessschritt gibt es längst Alternativen. „Unsere Anlagen arbeiten mit einem ‚optischer Tomografie’ in situ. Also einer optischen Qualitätsprüfung während des laufenden Prozesses. Vielen Kunden reicht das bereits und sie verzichten auf anschließende CT-Scans“, berichtet Zaepernick.
Ein wesentliches Effizienz-Potenzial im 3D-Druck verbirgt sich ganz am Anfang der Prozesskette. Denn wie teuer ein Bauteil aus einem 3D-Drucker wird, entscheidet sich bereits in der Design-Phase. Wesentliche Punkte sind das Bauteilvolumen, der Nacharbeitsaufwand, Stützstrukturen oder das Nesting, also die Anordnung der Bauteile in der Kammer, ein Verschachteln, das es erlaubt, möglichst viele Teile gleichzeitig zu drucken. So beeinflusst alleine schon die Ausrichtung der Bauteile, wieviele Stützstrukturen nötig sind, die nicht nur zusätzliche Druckzeit kosten, sondern auch wertvollen Bauraum beanspruchen und am Ende aufwendig entfernt werden müssen.
„Solche Punkte definiert in der Regel der Konstrukteur“, erklärt Beckmann und genau hier sieht er einen großen Engpass auf die Unternehmen zukommen – zusammen mit der größten Hürde für den Einsatz additiver Fertigungsverfahren überhaupt: die Identifikation geeigneter Anwendungsfälle. „Häufig fehlt dafür nach wie vor das nötige Wissen.
Zum Teil auch, weil gut geschulte Konstrukteure mit ausreichend Erfahrung rar sind“, stellt er immer wieder fest. „Vor diesem Hintergrund entwickeln wir aktuell Hilfen für ein automatisiertes Design von 3D-Druck-Teilen“, berichtet er. Das Ziel: Konstrukteure oder Konstrukteurinnen müssen nur noch die Eckdaten eingeben und erhalten das optimale Design samt Druckdatei. So können nicht mehr nur Experten das Potenzial additiver Fertigung heben.
„Ein Unternehmen braucht damit am Ende gar keine Fachkraft mehr, die sich bis in die letzten Details mit 3D-Druck-gerechter Konstruktionen auskennt, denn das übernimmt die App – schnell, kostengünstig und automatisch.“

Nikolai Zapaernick, Chief Business Officer (CBO), EOS
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Additive Manufacturing ist nicht ‚die’ große Revolution unter den Fertigungsverfahren. Aber es gibt ganz klar Bedarf und der wird weiter wachsen. Additive Fertigung ist in der Industrie angekommen und hat sich einen festen Platz erobert. Sie wird nicht mehr verschwinden.

Nikolai Zapaernick, Chief Business Officer (CBO), EOS
(Bild: EOS)

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