Autonome mobile Roboter wie der CURTdiff des Fraunhofer IPA werden in der Landwirtschaft der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. CURTdiff kann Pflanzreihen autonom erkennen und abfahren und so etwa für die Beikrautregulierung eingesetzt werden.

Autonome mobile Roboter wie der CURTdiff des Fraunhofer IPA werden in der Landwirtschaft der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. CURTdiff kann Pflanzreihen autonom erkennen und abfahren und so etwa für die Beikrautregulierung eingesetzt werden. (Bild: Fraunhofer IPA)

Hightech hat längst Einzug in die landwirtschaftliche Produktion gehalten. So laufen heute zum Beispiel schon viele Abläufe im Stall von der Fütterung bis zum melken hochautomatisiert ab. Der Trend zu immer mehr Technik bei Ackerbau und Viehzucht ist unaufhaltsam. Dafür sorgen zwei gegenläufige Entwicklungen: Das Wachstum der Weltbevölkerung auf der einen Seite, das Schrumpfen landwirtschaftlicher Fläche auf der anderen Seite (siehe Kasten).

Landwirtschaftliche Fläche sinkt rapide

In den letzten Jahrzehnten hat Deutschland kontinuierlich Landwirtschaftsfläche verloren, im Durchschnitt mehr als 50 Hektar pro Tag – oder 70 Fußballfelder. Im Gegenzug nahmen Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie Waldgebiete zu. In einer jetzt erschienenen Studie hat das Thünen-Institut geschätzt, wie viel Landwirtschaftsfläche bis 2030 für andere Nutzungszwecke in Anspruch genommen wird, wenn die aktuellen Planungen und Strategien Realität werden. So werden bis 2030 mehr als 200.000 Hektar für Siedlung und Verkehr benötigt, wenn der im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ formulierte Bedarf umgesetzt wird. Der geplante Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Freiflächen-Photovoltaik, wird bis 2030 mehr als 100.000 Hektar Freifläche beanspruchen. Die Thünen-Autoren gehen davon aus, dass nur ein Teil dieser Umnutzungen die aktuell landwirtschaftlich genutzte Fläche betreffen wird. Unter der Annahme, dass die formulierten Ziele bis 2030 erreicht werden, erwarten sie dennoch einen Rückgang von über 300.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Das sind 109 Hektar pro Tag und damit mehr, als ein durchschnittlich großer Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet (derzeit 64 ha).

Photonik modernisiert Agrarwirtschaft

Die jüngsten Entwicklungen in dieser Hinsicht sind auf der Messe Agritechnica vom 12. bis zum 18. November in Hannover zu sehen - so zum Beispiel Photonische Anwendungen vom Laser Zentrum Hannover (LZH) und Niedersachsen ADDITIV:

Unkrautbehandlung mit dem Laser

Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln: Mit Lasertechnik können Unkräuter präzise und selektiv abgetötet werden.
Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln: Mit Lasertechnik können Unkräuter präzise und selektiv abgetötet werden. (Bild: LZH)

Mit Lasertechnik können Unkräuter präzise und selektiv behandelt werden. Der Laserstrahl kann ganz gezielt sensible Pflanzenteile treffen, so dass unerwünschte Pflanzen letal geschädigt oder im Wuchs gehemmt werden – die Nutzpflanzen im direkten Umfeld werden davon nicht beeinträchtigt. Das Verfahren ist dabei nicht nur ökologisch nachhaltiger als der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln. Es ist auch ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Herbizid-Resistenzen, eine der drängendsten Herausforderungen der modernen Landwirtschaft. Gesteuert wird die Laserbehandlung mit künstlicher Intelligenz (KI): Per Bilderkennung werden Nutzpflanze und Unkraut unterschieden und die Zielpunkte für den Laser festgelegt.

 

Künstliche Intelligenz für die digitalisierte Landwirtschaft

Lichtfalle Mit der „LichtFalle“ setzt das LZH auf KI-gestützte Lasertechnik zur Schädlingsbekämpfung
Lichtfalle Mit der „LichtFalle“ setzt das LZH auf KI-gestützte Lasertechnik zur Schädlingsbekämpfung (Bild: LZH)

Auf KI-gestützte Lasertechnik setzt das LZH auch bei der Schädlingsbekämpfung. Die LichtFalle ist ein autonom fahrendes System, das Insekten per LED-Leuchtfläche anlockt und dann mit dem Laser unschädlich macht. Ein integriertes Kameramodul erkennt automatisch anhand von Bilddaten, ob es sich bei einem Insekt um einen Schädling oder Nützling handelt – der Anwender erhält dank Live-Monitoring eine digitale Entscheidungshilfe für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die lichtbasierte Schädlingsbekämpfung kann so den Einsatz chemischer Mittel verringern und eine effizientere und ressourcenschonendere Lebensmittelproduktion ermöglichen.

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Additive Fertigung: Viel Potenzial für die Agrarbranche

Additive Fertigung: Eine Edelstahl-Verstärkung sorgt bei diesem Grubberschar zur Bodenbearbeitung für eine gehärtete Schneidkante und einen geringeren Verschleiß.
Additive Fertigung: Eine Edelstahl-Verstärkung sorgt bei diesem Grubberschar zur Bodenbearbeitung für eine gehärtete Schneidkante und einen geringeren Verschleiß. (Bild: LZH)

Die Möglichkeiten für die Landwirtschaft, von additiver Fertigung zu profitieren, sind vielfältig. So lassen sich etwa Ersatzteile für Landmaschinen zeitnah im 3D-Drucker herstellen. Stark beanspruchte Geräte und Bauteile können mittels Auftragsschweißen repariert oder vor Verschleiß geschützt werden. Auf der Agritechnica zeigt das Projektteam von Niedersachsen ADDITIV mit konkreten Beispielen wie einer additiv gefertigten Edelstahl-Verstärkung an einem Grubberschar, wie der 3D-Druck im Agrarbereich einen Mehrwert schafft.

Ein smarter Co-Pilot für Landwirte

Skizziert ein kollaboratives Netzwerk aus Mensch/Maschine und KI zur nachhaltigen Optimierung der Arbeitsprozesse und Flächenproduktivität: AgTech CoPilot
Skizziert ein kollaboratives Netzwerk aus Mensch/Maschine und KI zur nachhaltigen Optimierung der Arbeitsprozesse und Flächenproduktivität: AgTech CoPilot (Bild: Ferdinand/Petersen)

Zum zweiten Mal werden auf der Agritechnica auch "Pionierarbeiten und Zukunftsvisionen" für die Agrarwirtschaft von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) ausgezeichnet. Dazu gehört auch das Konzept „AgTech CoPilot“ der FH und der Uni Kiel. Darin haben Prof. Yves Reckleben (FH Kiel), Prof. Eberhard Hartung (CAU) und ihr gemeinsamer Doktorand Jan-Henrik Ferdinand (Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH) eine intelligente Architektur für die hybride Landtechnik entworfen.

„Unsere Vision ist, dass zukünftig hybride Arbeitsverfahren automatisch ineinandergreifen“, führt Hartung aus. „Klassische, großflächig arbeitende Agrartechnik wirkt dann im laufenden Prozess beispielsweise mit autonomen Drohnen zusammen oder setzt spotbezogen Robotik ein. Kontext-sensitive und intelligente Sensorik und Aktorik spielen hierbei eine große Rolle.“

E-Traktoren aus dem Baukasten

Das TUMtrac-Konzept soll die Entwicklung elektrisch angetriebener Landmaschinen deutlich vereinfachen.
Das TUMtrac-Konzept soll die Entwicklung elektrisch angetriebener Landmaschinen deutlich vereinfachen. (Bild: TU München)

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben auf der Agrarfachmesse Agritechnica einen modularen Entwicklungsbaukasten für vollelektrische Traktoren vorgestellt. Die Plattform bietet Module für verschiedene Zwecke und bei Bedarf auch eine Art Powerbank als Wechselakku. Ziel ist es, Landmaschinenproduzenten markenübergreifend bei der Entwicklung neuer Traktoren-Konzepte zu unterstützen. Der modulare Aufbau des Funktionsträgers mit Wechselakku kann je nach Anwendungsgebiet individuell angepasst werden.

Die Landwirtschaft ist einer der Bereiche der Wirtschaft, die die Auswirkungen des Klimawandels am unmittelbarsten zu spüren bekommen. Traktoren und Landmaschinen werden allerdings weiterhin flächendeckend mit Diesel angetrieben. Hier setzt das Forschungsprojekt TUMtrac an. Der auf der Messe ausgestellte Funktionsträger zeigt, wie ein Gesamtkonzept später aussehen könnte. Eine einheitliche Bodengruppe bildet hier die Basis des Traktors. Diese wird durch einen Wechselakku ergänzt, der je nach Aufgabenfeld vorne oder hinten auf dem Fahrzeug platziert werden kann. Zum einen senkt der Wechselakku das Fahrzeuggewicht, da er kleiner als ein festverbauter Akku sein kann und somit nur der Strom mitgeführt wird, der auch wirklich benötigt wird. Zum anderen können die Akkus auch als eine Art riesige Powerbank für andere Maschinen fungieren.

Neben der Hardware konzentriert sich das Forschungsteam auch auf die Entwicklung einer auf das Gesamtkonzept angepassten Software. Mit ihrer Hilfe lassen sich nach Eingabe der gewünschten Anforderungen unterschiedliche Traktorkonzepte auf ihre Wirtschaftlichkeit für den Agrarbetrieb bewerten. Die ganzheitliche Herangehensweise soll den modularen Ansatz der Plattform unterstützen, da die Herausforderungen im jeweiligen Arbeitsumfeld schnell aufgegriffen werden können. Damit nehmen sich die Forschenden der immer komplexer werdenden Arbeitsrealität in der Landwirtschaft an.

Autonome Outdoor-Navigation für Ackerbau, Viehzucht und Forst

Der kleine mobile Roboter CURTmini erkennt autonom Untergründe, schätzt diese nach ihrer Befahrbarkeit ein und plant den Pfad entsprechend.
Der kleine mobile Roboter CURTmini erkennt autonom Untergründe, schätzt diese nach ihrer Befahrbarkeit ein und plant den Pfad entsprechend. (Bild: Fraunhofer IPA)

Autonome und robuste Navigation ist für Landwirtschaftsroboter eine essenzielle Fähigkeit, um sicher und zuverlässig mobil zu sein. Was technologisch, aber auch ökonomisch jetzt schon eingesetzt werden kann, zeigt das Fraunhofer IPA auf der Agritechnica (Halle 11, Stand C62). In Innenbereichen gelingt es bereits gut, dass mobile Roboter mithilfe von Sensordaten ihre Umgebung erfassen und ihre Pfadplanung dynamisch daran anpassen. Diese Technologie kann nun sukzessive in die hochkomplexe und dynamische Außenwelt überführt werden.

Die Weiterentwicklung hin zur Outdoor-Navigation ist nicht einfach: Im Gegensatz zu Innenräumen weisen viele Außenbereiche keine stationären Strukturen wie Wände oder Regale auf, an denen sich mobile Roboter dauerhaft auch über Wochen orientieren können. Ganz im Gegenteil: Mögliche Hindernisse sind in Außenbereichen unterschiedlich beschaffen und müssen interpretiert werden. Hohes Gras ist flexibel und überfahrbar, ein Rehkitz darf unter keinen Umständen übersehen werden, egal wie eng es sich an den Untergrund schmiegt.

Die am Fraunhofer IPA entwickelte autonome Outdoor-Navigation kommt mit all diesen Herausforderungen zurecht, wie zwei prototypische Landwirtschaftsroboter mit dem Namen CURT auf dem Messestand zeigen;

CURTdiff wird autonom Pflanzreihen zwischen künstlich aufgeschütteten Dämmen, wie im Kartoffel- oder Spargelanbau üblich, erkennen und diese vollautonom abfahren. CURTmini, der kleinste Vertreter der Roboter, wird auf einer Fläche mit unterschiedlich gut befahrbaren Bodenmodulen z. B. aus Gras, Holz oder Schotter fahren und je nach erkannter Befahrbarkeit seinen Pfad entsprechend planen und Hindernissen selbstständig und situationsadaptiv ausweichen. Dieser Parcours ist dank austauschbarer Bodenmodule interaktiv.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Anna McMaster)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins IEE. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.

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