Spiegel faszinieren die Menschen seit hunderten von Jahren. Einst ein Luxusgut sind sie heute allgegenwärtig - und in Industrie und Forschung Grundlage neuer Technologien.

Spiegel faszinieren die Menschen seit hunderten von Jahren. Einst ein Luxusgut, sind sie heute allgegenwärtig - und in Industrie und Forschung Grundlage neuer Technologien, etwa in Bereiche wie Halbleiterfertigung, Lasertechnik und Astronomie. (Bild: Adobe Stock - PinkiePie)

Spiegel auf der Jagd nach dem Unmöglichen

Auf dem Gebiet der Hochleistungsspiegel jagen Industrie und Forschungseinrichtungen dem Unmöglichen hinterher: Beschichtungen mit perfektem Reflexionsvermögen. Im sichtbaren Wellenlängenbereich (also bei Wellenlängen zwischen 380 nm und 700 nm) erreichen fortschrittliche Metallspiegel eine Reflektivität von bis zu 99 %. Das bedeutet: für 99 reflektierte Photonen geht nur 1 Photon verloren. Das mag schon viel erscheinen, aber im nahen Infrarotbereich (zwischen rund 780 nm und 2,5 μm) haben spezialisierte Spiegelbeschichtungen bereits ein Reflexionsvermögen von 99,9997 % erreicht. So gehen von 1 Million reflektierter Photonen nur mehr 3 verloren.

Beispiel 1: Ein Spiegel für Sensoren und Laser

Seit langem besteht der Wunsch, diese Superspiegel-Technologie auf das mittlere Infrarot (Wellenlängen von 2,5 µm bis 10 µm und darüber hinaus) auszudehnen. Das würde bedeutende Fortschritte in vielen Bereichen erlauben.

Zum Beispiel bei der Messung von Spurengasen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, aber auch bei der Analyse von Biofuels. Außerdem könnten viele industrielle und medizinische Anwendungen verbessert werden, zum Beispiel Schneidlaser und Laserskalpelle.

Bislang verlieren die besten Spiegel für das mittlere Infrarot aber noch 1 von 10 000 Photonen, sind also etwa 33 Mal schlechter als die Superspiegel im nahen Infrarot.

Ein Foto des Siliziumsubstrats mit einem Durchmesser von 25 mm, wie es für die Superspiegel verwendet wurde. Die bereits aufgebrachte herkömmliche Basisbeschichtung erzeugt einen violetten Farbeindruck.
Ein Foto des Siliziumsubstrats mit einem Durchmesser von 25 mm, wie es für die Superspiegel verwendet wurde. Die bereits aufgebrachte herkömmliche Basisbeschichtung erzeugt einen violetten Farbeindruck. (Bild: Valentin Wittwer)

Ein internationales Team von Forschenden hat jetzt die ersten Superspiegel im mittleren Infrarot geschaffen. Unter der Führung des Christian-Doppler-Labors für Mid-Infrared Spectroscopy and Semiconductor Optics (CDL Mid-IR) an der Universität Wien und des Industriepartners Thorlabs Crystalline Solutions (Santa Barbara, Kalifornien) konnten die Forscher:innen nun Spiegel produzieren, die nur 8 von 1 Million Photonen verlieren. Damit erreichen diese Superspiegel eine Reflektivität von 99,99923 %.

Dabei kombinierten sie herkömmliche Dünnschicht-Beschichtungstechniken mit neuartigen Halbleitermaterialien wie Siliziumsubstrate und damit verbundene Fertigungsmethoden. Das ermöglichte es, die Materialbeschränkungen im schwierigen mittleren Infrarotbereich zu überwinden.

Beispiel 2: Ein Spiegel für die Tiefen des Universums

In ganz andere Bereich sollen die Spiegel des im Bau befindlichen Extremely Large Telescope vorstoßen. Das größte optische Fernrohr der Welt, das gerade in der chilenischen Atacama-Wüst entsteht, soll dank eines 39 Meter messenden Hauptspiegels aus 798 sechseckigen Elementen  13-mal so viel Licht einfangen wie die besten aktuellen Teleskope. Um Objekte anpeilen zu können, die Milliarden von Lichtjahren entfernt sind, ist bei den Spiegeln eine Nanometer-Präzision erforderlich.Um die 798 einzelnen Segmenten entsprechend präzise zueinander ausrichten zu können, sind Sensorik und Antriebstechnik vom Allerfeinsten notwendig.

Computergenerierter Blick auf den Hauptspiegel des künftigen Extremely Large Telescope.
Computergenerierter Blick auf den Hauptspiegel des künftigen Extremely Large Telescope. (Bild: ESO)

Die eingesetzten Sensoren - mehr als 5.000 Stück, beruhen auf dem Prinzip der induktiven Kopplung und greifen auf das Know-how des Herstellers Micro-Epsilon im Bereich der Wirbelstromtechnologie zurück. Ein Sensor besteht jeweils aus einer Sendespule und einer auf dem benachbarten Spiegelsegment gegenüberliegenden Anordnung mehrerer Empfangsspulen. Die Sendespule wird mit einem Wechselstrom gespeist. Die durch induktive Kopplung induzierten Spannungen in den Empfangsspulen sind abhängig von der Position zur Sendespule.  Durch die patentierte Verrechnung der einzelnen Teilsignale kann die Position der Segmente zueinander in drei Achsen auf wenige Nanometer genau bestimmt werden.

Positioniert wird jedes Spiegelsegment von drei Antrieben des Karlsruher Herstellers Physik Instrumente (PI) . Die Anforderungen bringen die Technik an ihre Grenzen: Relativ große Verfahrwege von bis zu 10 mm bei einer Positions- und Bahngenauigkeit von besser als 2 nm sind die Herausforderung. Dabei müssen erhebliche Gewichte bewegt werden: Ein Spiegelsegment wiegt 250 kg. PI hat für diese sehr anspruchsvolle Aufgabe einen Hybridantrieb "maßgeschneidert". Das Prinzip des Hybridantriebs kombiniert einen Motor-Spindel-Antrieb, der für hohe Lasten und große Verfahrwege geeignet ist, mit einem Piezoaktor.

Beispiel 3: Ein Spiegel für die Zukunft der Halbleiter

Wie glatt muss glatt sein? Wenn es um die Oberfläche eines Spiegels geht, der extrem kurzwelliges UV-Licht reflektiert, dann lautet die Antwort auf diese Frage: Auf die Größe von Deutschland skaliert, darf dessen größte Unebenheit nur ein zehntel Millimeter betragen! Wofür man solche Spiegel, wie sie von Carl Zeiss in Oberkochen produziert werden, braucht? Um auf Silizium-Scheiben Strukturen zu erzeugen, die nur noch wenige Nanometer (Millionstel Millimeter) breit sind.

 

Das Bild zeigt einen der Spiegel für die Extreme UV-Lithographie (EUV).
Das Bild zeigt einen der Spiegel für die Extreme UV-Lithographie (EUV). (Bild: Deutscher Zukunftspreis / Ansgar Pudenz)

Der Zeiss-Spiegel ist - wie auch eine hochkomplexe EUV-Lichtquelle des Laserspezialisten Trumpf - Teil der Maschinen des niederländischen Unternehmens ASML für die Halbleiterfertigung. Die damit produzierten Mikrochips der jüngsten Generation sind kompakter, leistungsfähiger und brauchen rund 30 % weniger Energie als ihre Vorgänger.

Für ihre Beiträge zur Entwicklung von EUV wurden drei Entwickler von Zeiss Oberkochen, Trumpf und dem Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena 2020 mit dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten ausgezeichnet.

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Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Anna McMaster)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins Automation NEXT. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.

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