Gleich vorweg: Für alle, denen beim Gedanken an einen zu haltenden Vortag der Schweiß ausbricht, gibt es eine gute Nachricht: Vorträge sind Übungssache. Und wie woanders auch gibt es besonders wichtige Stellen, an denen es sich auszahlt, Mühe und Fleiß hineinzustecken, um einen guten Gesamteindruck zu hinterlassen. Ein- und Ausstieg sowie die Übergänge zwischen Begrüßung und Fachvortrag sind solche Stellen, wie Rhetorik-Trainer Günter Seipp weiß. Darüber und über weitere wichtige Stellen sprach ke NEXT mit ihm. Im zweiten Teil des Beitrages über Rhetorik-Tipps geht es ums Wohlfühlen, gelungene Ein- und Ausstiege und darum, wie der Vortragende mit Kritikern umgehen sollte.
Tipp 1: Sich wohlfühlen
Herr Seipp, wie wichtig ist es, die Körpersprache gezielt einzusetzen?
Wenn Sie Körpersprache gezielt einsetzen, dann wird es schnell zur Schauspielkunst. Wichtig ist, dass Sie authentisch sind. Das heißt, sie sollten sich wohlfühlen. Ich hatte mal einen Klienten, der zum Senatsempfang in Hamburg in großer Garderobe kommen sollte. Er hatte sich einen Tag vorher einen Frack gekauft und später vom schlimmsten Tag seines Lebens berichtet. Ja klar, der hat sich nicht wohl gefühlt, weil er vorher noch nie einen Frack getragen hatte und mit diesem großen Gesellschaftsanzug für den Anlass auch overdressed war. Ein Cutaway, also der große Gesellschaftsanzug für den Tag, wäre passender gewesen. Die Möglichkeiten zu patzen sind also sehr vielfältig.
Das heißt, ich sollte nicht nur die Wortwahl für meine Präsentation, sondern auch solche Situationen üben, beispielsweise zu Hause in feinerer Kleidung?
Auf jeden Fall! Übung ist der Schlüssel zu allem. Es gibt diese Regel: Wenn Sie Experte in einem Fachbereich werden wollen, müssen Sie sich 10.000 Stunden damit beschäftigt haben. Das kann ich unterschreiben. Wenn ich mich nie um Rhetorik gekümmert habe, weil ich es nicht brauchte, dann muss ich ganz dringend diesen Auftritt üben. Ich kann die unangenehme Situation kurz halten, beispielsweise indem ich das Gremium, vor dem ich spreche, begrüße und mich dann hinsetze. Das muss natürlich eine logische Verbindung haben, beispielsweise eine Power-Point-Präsentation.
Gibt es Tipps, mit denen man sich etwas wohler fühlen kann, beispielsweise für einen guten Stand?
Der beste Tipp ist, schulterbreit zu stehen. Dazu brauche ich aber gute Schuhe. Wissen Sie, was das teuerste am Schießsport ist? Die Schuhe. Weil diese plan geschliffen werden, damit sie mit jedem Quadratzentimeter Bodenkontakt haben. Damit haben Sie einen ganz sicheren Stand. Genau solche Schuhe brauchen Sie, in denen Sie sich sehr wohl fühlen und bei denen Sie das Gefühl haben, dass Betonklötze um Ihre Füße sind. Dann sind Sie gut geerdet. Ich trage zum Beispiel immer, wenn ich Reden halte, enge Kniestrümpfe. Die merke ich an den Unterschenkeln ganz deutlich. Die geben mir ganz viel Halt. Das ist so ein kleiner psychologischer Trick.