Die Exporte aus Deutschland nach China gehen zurück. Die Gründe dafür sind aber nicht nur negativ.

Die Exporte aus Deutschland nach China gehen zurück. Die Gründe dafür sind aber nicht nur negativ. (Bild: Adobe Stock - Ignacio Ferrándiz)

Eine stärkere Entkoppelung der deutschen Wirtschaft von China wird in der deutschen Politik oft gefordert, um die Abhängigkeit vom Reich der Mitte zu reduzieren. Dabei ist vor allem die Anhängigkeit von Importen aus China gemeint, aber insbesondere die deutsche Industrie ist auch abhängig von den Exporten nach China - und die gehen in  jüngster Zeit überraschend stark zurück, so die Studie Deutsche Exporte ausgebremst: China ersetzt „Made in Germany“des Kiel Instituts für Weltwirtschaft.

ausgefallen als 2022 (-86,1 Mrd. Euro). Vor allem die Importe aus China waren zuletzt rückläufig, aber auch die Exporte nach China haben leicht nachgegeben.
Der deutsche Handelsbilanzsaldo mit China ist 2023 nach Prognosen von Germany Trade and Invest mit rund 51 Mrd. Euro deutlich geringer ausgefallen als 2022 (-86,1 Mrd. Euro). Vor allem die Importe aus China waren zuletzt rückläufig, aber auch die Exporte nach China haben leicht nachgegeben. (Bild: Statista)

Was sagen die Zahlen?

Die deutschen Exporte nach China sind seit 2002 kräftig gestiegen, seit einigen Jahren aber mengenmäßig rückläufig und entwickelten sich zuletzt deutlich schwächer als zu erwarten gewesen wäre. Bereinigt um Preiseffekte, auch reale Entwicklung genannt, sind die Exporte nach China von 2018 bis 2022 um 7,5 Prozent zurückgegangen. Dieser Trend scheint sich auch im ersten Halbjahr 2023 fortzusetzen, wie Berechnungen des Handelsforschers Vincent Stamer vom IfW Kiel zeigen. Während 2020 noch 7,9 Prozent der deutschen Exportgüter nach China gingen, sank dieser Anteil im ersten Halbjahr dieses Jahres auf 6,2 Prozent. Zwischen 2002 und 2018 hatten sich die preisbereinigten Exporte nach China dagegen vervierfacht.

„Der Rückgang ist in diesem Umfang überraschend, denn der deutsche Handel mit China hängt in der Regel eng mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung beider Länder zusammen, und China wächst ja weiterhin“, sagt Stamer. „Der China-Export verliert damit an Bedeutung als Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft. Das ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über Abhängigkeiten oder den künftigen wirtschaftspolitischen Umgang mit China relevant.“

Wie stark ist der Exportrückgang?

Preisbereinigt ist die deutsche Wirtschaft im Jahr 2022 um knapp zwei, die chinesische Wirtschaft um drei Prozent gewachsen. Bei diesen Wachstumsraten hätte Deutschland 2022 eigentlich ein um knapp ein Drittel oder 30 Mrd. Euro höheres Exportvolumen nach China aufweisen müssen, wenn man langjährige Wirtschaftsdaten zum Vergleich heranzieht. Dies wird als Exportlücke bezeichnet. Die Studie nutzt für den Vergleich Daten von 1995 bis 2020.

Deutsche Exporte nach China 2002–2022, nominal und real.
Deutsche Exporte nach China 2002–2022, nominal und real. (Bild: ifw-kiel.de)

Wo liegen die Ursachen?

Dafür gibt es nach Meinung der Experten zwei Gründe. Der erste dürfte der deutschen Industrie und vor allem dem Maschinen- und Anlagenbau nicht gefallen: China produziert immer mehr Waren selbst, statt sie zu importieren. Das Verhältnis der Importe zu Chinas Wirtschaftsleistung (BIP) fiel von 29 Prozent im Jahr 2003 um etwa die Hälfte auf inzwischen nur noch 15 Prozent. „Maßgeblich für diese Entwicklung dürfte unter anderem der technische Fortschritt in China sein“, sagt Stamer. Vor allem die Einfuhren von Kapitalgütern, zu denen die für Deutschland wichtigen Maschinen und Anlagen gehören, sind seit 2013 sogar nominal gefallen. „China hat damit begonnen, Kapitalgüter im großen Stil selbst herzustellen“, so  Stamer. Importe aus Deutschland seien entsprechend weniger gefragt.

Der zweite Grund ist eher ein Hoffnungsschimmer für die deutsche Industrie: "Ein Erklärungsansatz für die in dieser Größenordnung einmalige Exportlücke besteht in der zunehmenden Produktion deutscher Unternehmen in China“, sagt Stamer. Ein Beleg dafür ist der sprunghafte Anstieg von Einkommen deutscher Firmen und Arbeitnehmer vor Ort in China, die diese nach Deutschland zurücküberweisen. Auch die in China von deutschen Firmen reinvestierten Gewinne sind deutlich gestiegen. Diese Anstiege fallen in den gleichen Zeitraum wie das Entstehen der Exportlücke.

Die Grafik zeigt den Anteil verschiedener Regionen am weltweiten Exportvolumen von Waren. Laut den Zahlen der Welthandelsorganisation (WTO) ist der Anteil Asiens an den Exporten seit Anfang der 1980er Jahre von unter 20 Prozent auf zuletzt 35,1 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Zur derzeit größten Export-Region Europa fehlen lediglich noch 0,7 Prozentpunkte.
Die Grafik zeigt den Anteil verschiedener Regionen am weltweiten Exportvolumen von Waren. Laut den Zahlen der Welthandelsorganisation (WTO) ist der Anteil Asiens an den Exporten seit Anfang der 1980er Jahre von unter 20 Prozent auf zuletzt 35,1 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Zur derzeit größten Export-Region Europa fehlen lediglich noch 0,7 Prozentpunkte. (Bild: Statista)

China wird immer mehr zum Konkurrenten

Der Wechsel von China als Abnehmer von hochwertigen Investitionsgütern hin zum Konkurrenten in diesem Sektor wird auch vom Ifo-Institut bestätigt.  „Auf Absatzmärkten außerhalb der EU hat die Konkurrenz vor allem aus China für den deutschen Maschinenbau besonders zugenommen“, sagt Nicolas Bunde, Branchenexperte am ifo Institut.

Gleichzeitig leide der deutsche Maschinen- und Anlagenbau laut ifo an weiteren Problemen:

  • Der Mangel an geeigneten Fachkräften schränkt die Produktion im Maschinenbau häufig ein. Das geben rund 40 Prozent der befragten Unternehmen an. „Für den in Deutschland stark mittelständisch geprägten Maschinenbau ist der Fachkräftemangel eine besondere Herausforderung“, sagt Bunde. In der Produktion sind viele ältere Mitarbeiter beschäftigt. Der Nachwuchs will selten im Schichtbetrieb arbeiten. Zudem sind die Maschinenbauer im ländlichen Raum angesiedelt. Hier müssen die Unternehmen als Arbeitgeber noch attraktiver werden, um geeignetes Personal aus den Großstädten anzuziehen.
  • Zusätzlich können die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten nur noch selten auf den Verkaufspreis aufgeschlagen werden. Der Indikator für die Preiserwartungen fiel auf 10,3 Punkte; im April 2022 wurde der Höchststand bei 69,6 Punkten notiert. „Diese Faktoren sind schon lange ein Nachteil für den Standort Deutschland“, sagt Bunde. Einige Firmen sind mit ihrer Produktion bereits ins Ausland abgewandert. Doch von Deindustrialisierung zu sprechen, sei zu früh: Der deutsche Maschinenbau wandele sich zu einem hoch spezialisierten Dienstleister.
Die Exporterwartungen der deutschen Fertigungsbranche im ifo Business Survey von August 2023. (Bild: ifo Institut)
Die Exporterwartungen der deutschen Fertigungsbranche im ifo Business Survey von August 2023. (Bild: ifo Institut)

Exporte des Maschinenbaus sind im Sinkflug

China ist nicht das einzige Exportland für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau, aber eines der wichtigsten - und trägt damit stark zu einer aktuell sehr bedenklichen Entwicklung bei. Laut dem Business Survey des ifo-Instituts sind die Exporterwartungen der Branche im August 2023 auf einen Wert von -11,7 gefallen. Für die gesamte Fertigungsbranche in Deutschland liegt der Wert "nur" bei -6,3. "Die deutschen Exporteure haben weiter mit der schwachen globalen Nachfrage zu kämpfen", sagt Klaus Wohlrabe, stellvertretender Leiter des ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen. Zugleich hätten immer mehr Unternehmen Probleme damit, auf einer globalen Ebene wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Anna McMaster)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins IEE. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.

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