Von überfüllten Hörsälen kann in Deutschland in den technischen Disziplinen eher keine Rede mehr sein.

Von überfüllten Hörsälen kann in Deutschland in den technischen Disziplinen eher keine Rede mehr sein. (Bild: Adobe Stock - Anke Thomass)

Insgesamt ist die Zahl der Studierenden in Deutschland im zweiten Jahr nacheinander zurückgegangen. Im laufenden Wintersemester 2023/2024 sind nach ersten vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) insgesamt 2.871.500 Studierende an den deutschen Hochschulen eingeschrieben, das sind 1,7 % weniger als im Wintersemester 2022/2023 (2.920.300) und 2,5 % weniger als im Wintersemester 2021/2022 (2.946.100).

Starker Rückgang im Maschinenbau

Laut den Zahlen von Destatis haben im Studienjahr 2023 (Sommersemester 2023 und Wintersemester 2023/24) 22.700 junge Männer und Frauen ein Studium im Bereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik begonnen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Rückgang um 2,3 %. Damit hat sich die Zahl der Erstsemester in diesem Studienbereich im Lauf der vergangenen zehn Jahre fast halbiert. 2013 hatten noch 41.700 Personen bei ihrer Ersteinschreibung ein Studienfach im Bereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik belegt.

Die Entwicklung der Zahl der StudienanfängerInnen in Deutschland von 2001 bis 2021 allgemein und in den MINT-Fächern
Die Entwicklung der Zahl der StudienanfängerInnen in Deutschland von 2001 bis 2021 allgemein und in den MINT-Fächern (Bild: Destatis)

Erstsemesterzahl nimmt zu, Informatik boomt

Dass dieser Trend Fachspezifisch und nicht allein von der allgemeinen Entwicklung getrieben ist, zeigen die beiden folgenden Zahlen:

  • Zum einen hat sich die Erstsemesterzahl insgesamt an den Hochschulen in Deutschland nach ersten vorläufigen Ergebnissen gegenüber dem Vorjahr um 1,2 % erhöht. Im Studienjahr 2023 nahmen 479.300 Personen erstmals ein Studium an einer deutschen Hochschule auf. Das waren 5.600 mehr als im Studienjahr 2022 (473.700) und 6.900 mehr als im Studienjahr 2021 (472.400). Vor 2021 hatte sich die Erstsemesterzahl über vier Jahre rückläufig entwickelt, vor allem weil die Zahl der jungen Menschen in den relevanten Altersgruppen abnahm. Die Corona-Pandemie hatte diese Entwicklung noch verstärkt, da dadurch vorübergehend die Zahl der AusländerInnen, die zum Studium nach Deutschland kamen, stark zurückging.
  • Zum anderen hat die Zahl der Erstsemester in anderen technischen Disziplinen deutlich zugelegt: Mit 42.800 schrieben sich 1,8 % mehr Personen im Studienbereich Informatik ein als im Vorjahr. Im Studienbereich Elektrotechnik und Informationstechnik war die Zahl der Erstsemester mit 13.400 im Studienjahr 2023 gegenüber 2022 zumindest unverändert.

Hinsichtlich der Abschlüsse im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) steht Deutschland im EU-Vergleich aber nach wie vor sehr gut da: Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat entfielen 36 % aller Bachelor- und gleichwertigen Abschlüsse und 35 % aller Master- und gleichwertigen Abschlüsse in Deutschland im Jahr 2020 auf ein MINT-Fach. Das war jeweils der höchste Anteil in der EU, wie die folgende Grafik zeigt:

Masterabschlüsse in MINT-Studienfächern im europäischen Vergleich.
Masterabschlüsse in MINT-Studienfächern im europäischen Vergleich. (Bild: Destatis)

Wie reagieren die Hochschulen auf die Entwicklung?

Viele von ihnen versuchen, ein Studium der Ingenieurswissenschaften durch verbesserte Informationsangebote und flexiblere Studienbedingungen attraktiver zu machen. Drei  Beispiele:

  • Orientierungshilfe: Mit einem neuen "Orientierungsjahr Ingenieurwissenschaften" bietet die Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena ab dem Wintersemester 2024/2025 noch unentschlossenen jungen Menschen eine Entscheidungshilfe für den individuell passenden Studiengang. Über einen Zeitraum von zwei Semestern (ein Jahr) können die Studierenden ein breites Fächerspektrum aus dem ingenieurwissenschaftlich-technischen Bereich kennenlernen. Neben Mathematik und Chemie als studiengangübergreifende Grundlagen werden Schlüsselkompetenzen wie beispielsweise Zeitmanagement vermittelt. Hinzu kommen fachspezifische Module, die einen umfassenden Einblick in die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge der EAH Jena geben. Im Anschluss an das Orientierungsjahr Ingenieurwissenschaften ist ein Wechsel in den Wunschstudiengang möglich.
  • Theorie und Praxis verbinden: Einen berufsbegleitenden Studiengang zum Bachelor of Engineering bietet die Technische Hochschule Aschaffenburg an. Das flexible Blended Learning Konzept richtet sich an Techniker:innen, Meister:innen und qualifizierte Facharbeiter:innen, die sich neben dem Beruf für die nächste Karrierestufe weiterbilden möchten. Ebenfalls angesprochen werden Personen mit Fach- oder allgemeiner Hochschulreife, die über eine einjährige einschlägige Berufstätigkeit verfügen, und Studienabbrecher.
  • Spannende Studierenden-Projekte: Die Hochschule Nordhausen in Thüringen hat zum mittlerweile dritten Mal vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie von der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) den Zuschlag für ein studentisches Experiment am Stratosphärenballon von DLR und ESA bekommen. Fünf Studierende aus dem Ingenieurbereich sollen dabei den Infraschall bis etwa 20 Hz während des gesamten Ballonfluges messen. Er stammt beispielsweise von Maschinen, Flugzeugen, Erdbeben, Vulkanen, Windrädern, Lüftungsanlagen oder der Meeresbrandung und von Tieren.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Anna McMaster)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins IEE. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.

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