Müssen chemisch verseuchte Areale saniert oder kerntechnische Anlagen zurückgebaut werden, sind die Arbeiter – allen Vorsichtsmaßnahmen und Schutzausrüstungen zum Trotz – erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Künftig sollen Robotersysteme solche Dekontaminationsarbeiten ausführen, damit Menschen der Gefahrenzone fernbleiben können. An der Verwirklichung dieser Vision arbeitet das neue Kompetenzzentrum Robdekon, an dem Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beteiligt sind und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 12 Mio Euro gefördert wird.
Robdekon steht für ‚Robotersysteme für die Dekontamination in menschenfeindlichen Umgebungen’ und ist der Erforschung von autonomen oder teilautonomen Robotersystemen gewidmet. Es wird vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB koordiniert. Als Forschungsinstitutionen sind neben den Standorten Karlsruhe und Ilmenau des Fraunhofer IOSB auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und das FZI Forschungszentrum Informatik, der Innovationspartner des KIT, beteiligt. Industriepartner im Konsortium sind Götting, Kraftanlagen Heidelberg, ICP Ingenieurgesellschaft Professor Czurda und Partner und KHG Kerntechnischer Hilfsdienst.
Multisensorielle Umwelterfassung und Bewegungsplanung
„Unser Konsortium vereint herausragende Expertise aus den Bereichen Robotik, Altlastensanierung und Rückbau kerntechnischer Anlagen“, sagt der Sprecher des Kompetenzzentrums Robdekon, Professor Jürgen Beyerer, Professor für Informatik am KIT und gleichzeitig Institutsleiter des Fraunhofer IOSB. „Wir werden nun die Forschung an multisensorieller Umwelterfassung, Algorithmen für die Bewegungsplanung und Telepräsenztechnologien systematisch vorantreiben. Damit können Roboter Dekontaminationstätigkeiten selbstständig durchführen, während Menschen von einem sicheren Leitstand aus die Arbeiten koordinieren, überwachen und bei schwierigen Aufgaben ferngesteuert eingreifen.“ Beim Stichwort Roboter dürfe man allerdings weder an klassische Industrieroboter noch an menschenähnliche (humanoide) Roboter denken, erläutert Beyerer: „Wir setzen auf innovative Konzepte wie zum Beispiel Kletterroboter oder automatisierte Baumaschinen.“
Wissenschaftlich wird sich das Fraunhofer IOSB darauf konzentrieren, Autonomiefähigkeiten für Baumaschinen weiterzuentwickeln – ein Bereich, in dem das Institut über langjährige Erfahrung verfügt: „Wir bringen insbesondere unsere Algorithmen-Toolbox für autonome mobile Robotersysteme in Robdekon ein“, so der zuständige Abteilungsleiter Christian Frey. „Sie ermöglicht es, in unwegsamem Gelände zu navigieren, Hindernissen auszuweichen und Manipulatoren zu steuern – damit etwa eine Baggerschaufel auch tatsächlich verseuchtes Material aufnimmt und an der gewünschten Stelle wieder ablädt.“
Dekontamination, Telepräsenz und Living-Lab am KIT
Einen Schwerpunkt der Arbeiten am KIT bilden Robotersysteme, die Dekontaminationsarbeiten zum Beispiel in Kernkraftwerken autonom oder halbautonom leisten können. Forscherinnen und Forscher am Lehrstuhl für Hochperformante Humanoide Technologien (H²T) und im Forschungslabor für Intelligente Prozessautomation und Robotik (IPR) entwerfen und bauen Robotersysteme, die verstrahlte sowie biologisch oder chemisch verunreinigte Oberflächen oder Anlagenteile reinigen oder abbauen können. Dazu gehören die Entwicklung von Methoden zur dreidimensionalen Umgebungserfassung, zur Inspektion des Arbeitsumfeldes sowie zum Planen und Ausführen von Dekontaminationsaufgaben wie dem Entfernen gefährlicher Verunreinigungen von Objekten oder Flächen und nicht zuletzt das Programmieren der entsprechenden Steuerungssoftware.
Am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) schließlich entsteht ein Living-Lab, in dem die Roboter in verschiedenen realistischen Umgebungen getestet und für die Arbeit in Kernkraftwerken ertüchtigt werden. Darüber hinaus wird am TMB an einem speziellen Roboter gearbeitet, der insbesondere Betonoberflächen auf gefährliche Verunreinigungen untersuchen, diese erfassen und schließlich beseitigen kann. Im letzten Schritt untersuchen die Wissenschaftler, wie die neuen Methoden und Geräte ganz praktisch auf Deponien oder belasteten Arealen eingesetzt werden können. tbö