Das Symbolbild soll futuristisch wirken. Doch die Realität hat mit Technologien wie Quantensensoren, Ultrakurzpulslasern und Zellfallen auf Silizum-Wafern längst aufgeholt.

Das Symbolbild soll futuristisch wirken. Doch die Realität hat mit Technologien wie Quantensensoren, Ultrakurzpulslasern und Zellfallen auf Silizum-Wafern längst aufgeholt. (Bild: Stock.Adobe.com)

Die Entwicklung der Medizintechnik-Umsätze weltweit bis zum Jahr 2029.
Die Entwicklung der Medizintechnik-Umsätze weltweit bis zum Jahr 2029. (Bild: Statista)

Laut den Statista Market Insights wird der Markt für Medizintechnik von rund 554 Milliarden Euro bis 2029 auf 724 Mrd. Euro steigen - was einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR 2024-2029) von 5,51 % entspricht. Ein wichtiger Trend auf dem Medizintechnik-Markt weltweit ist die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung von medizinischen Geräten. Immer mehr medizinische Geräte werden mit intelligenten Funktionen und drahtloser Konnektivität ausgestattet, um die Überwachung und Behandlung von Patienten zu verbessern.

Aber auch Fortschritte in Bereichen wie der Lasertechnologie, Sensorik oder Oberflächenbeschichtungen gibt es große Forschritte, die für die Medizintechnik nützlich sind. Zu sehen sind sie vom 11. bis zum 14. Noveber in Düsseldorf auf den Messen Medica und Compamed. Im vergangenen Jahr stellten mehr als 6000 Unternehmen auf den beiden Messen aus, die zusammen mehr als 83.000 Besucher anlockten.

Im folgenden einige Highlights aus der Medizintechnik, die dieses Jahr in Düsseldorf zu sehen sein werden:

Prothesen steuern mit Gedankenkraft

Q.ANT-CEO Michael Förtsch mit dem Magnetfeldsensor und einer Prothese.
Q.ANT-CEO Michael Förtsch mit dem Magnetfeldsensor und einer Prothese. (Bild: Q.ANT)

Künstliche Gliedmaßen einfach per Gedanken steuern, so wie einen echten Arm oder ein echtes Bein. Das dürft der Wunschtraum vieler Prothesen-Träger sein. Das Hightech-Start-up Q.ANT, in das unter anderem der Maschinenhersteller Trumpf investiert hat, scheint diesem Traum sehr nahe zu kommen. Auf der Compamed in Düsseldorf vom 11. bis zum 14. November 2024 (Halle 8a, Stand G10) zeigt Q.ANT die ersten Prototypen seines photonischen Quantenmagnetfeldsensors Q.M 10.

Dieser Sensor misst feinste elektrische Ströme und magnetische Felder im menschlichen Körper berührungslos und mit noch höherer Präzision als sein Vorgänger. „Wenn wir uns bewegen wollen, sendet unser Gehirn über das zentrale Nervensystem kleine elektrische Signale an die Muskeln. Diese Signale entstehen sogar dann, wenn wir nur an eine Bewegung denken,“ erklärt Michael Förtsch, der CEO von Q.ANT. „Jede Bewegung erzeugt dabei ein einzigartiges Muster von Muskelsignalen. Der Q.M 10 kann diese Muster messen und aufzeichnen.“

Durch den Einsatz von Machine Learning lehren die Q.ANT-Experten den Sensor, diese Signale zu verstehen. Daraufhin kann eine mit dem Sensor bestückte Prothese diese Muster erkennen und die entsprechende Bewegung ausführen. Auf diese Weise können Menschen eine Prothese fast wie ein natürliches Körperteil steuern. Der Q.M 10 wird ab April 2025 verfügbar sein In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPA entwickelt Q.ANT ein innovatives Prothesensensormodul.

Sanftere OPs am offenen Gehirn

Im optischen System des STELLA-Applikators werden der Schneidlaser- und OCT-Messstrahl überlagert, fokussiert und über ein 2D-Galvoscannersystem entlang der Schnittlinie geführt.
Im optischen System des STELLA-Applikators werden der Schneidlaser- und OCT-Messstrahl überlagert, fokussiert und über ein 2D-Galvoscannersystem entlang der Schnittlinie geführt. (Bild: Fraunhofer ILT)

Schon allein der Gedanke daran lässt viele Menschen erschaudern: Um während neurochirurgischen Eingriffen komplexe Hirnfunktionen testen zu können, werden diese nicht selten an wachen, nur lokal anästhesierten Patienten durchgeführt. Doch das Öffnen des Schädels im Wachzustand mit herkömmlichen Methoden wie Bohrern ist für die Betroffenen psychisch äußerst belastend.

Ein neues robotergestütztes und optisch präzise überwachtes Laserverfahren des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen soll künftig schonende, vibrationsfreie und nahezu lautlose Kraniotomien im Wachzustand ermöglichen. Das Knochengewebe des Schädels wird dabei mit kurzgepulster Laserstrahlung abgetragen. Damit sollen vor allem größere Kraniotomien, die beispielsweise für das Entfernen von Hirntumoren notwendig sind, schonenden durchgeführt werden können.

Mit diesem Ziel entwickelt das Team im Projekt STELLA einen effizienten, sicheren und weitestgehend automatisierten Laserschneidprozess. Kernkomponente ist ein CO2-Laser mit 120 Nanosekunden (ns) kurzen Laserpulsen. Durch die kurze Einwirkdauer entfernen die ns-Pulse das Hartgewebe, ohne das umliegende Gewebe nennenswert zu erhitzen. Um sicherzustellen, dass der Laserstrahl tatsächlich nur Knochengewebe abträgt und die darunterliegenden Strukturen wie die Hirnhaut oder das Rückenmark unversehrt bleiben, wird der Laserschneidprozess durch ein OCT (Optical-Coherence-Tomography)-Messsystem überwacht. Ein dem Schneidstrahl überlagerter OCT-Messstrahl ermittelt die lokale Schnitttiefe und Restdicke des Knochens. Das Team des Fraunhofer ILT wird auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 3 Stand E74 auf der Medica den STELLA-Demonstrator präsentieren.

Von der Zellfalle zu gedruckten Organstrukturen

Zellenfallenarray: Aus Silizium gefertigte Zellfallen (links). In den Zellfallen (rechts) isolierte Zellen (grün) und vorbeifließende Zelle (Schlangenlinie).
Zellenfallenarray: Aus Silizium gefertigte Zellfallen (links). In den Zellfallen (rechts) isolierte Zellen (grün) und vorbeifließende Zelle (Schlangenlinie). (Bild: Fraunhofer IMM)

Einzelzelltechnologien spielen eine Schlüsselrolle bei der Erforschung und Charakterisierung von Zellen. Dr. Christian Freese, Gruppenleiter Infektions- und Krebsdiagnostik am Fraunhofer IMM, und seine Kolleginnen und Kollegen nutzen Mikrofluidik, um einzelne Zellen gezielt zu untersuchen. Doch den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern war das nicht genug: Warum mit den vereinzelten Zellen nicht etwas aufbauen?

Mit dem Ziel, ihre Methoden für das Drucken von Zellen zu verwenden, realisierten sie im Reinraum ihres Instituts besondere mikrofluidische Strukturen auf siliziumbasierten Wafern, regelrechte Zellfallen. Wie bei einem Tintenstrahldrucker drückt am Ende eine Heizblase die Zelle aus der Düse und legt sie in einem winzigen Tropfen ab.

Die Fraunhofer-Fachleute drucken kleinste Tropfen, unwesentlich größer als die Zelle selbst. Dadurch erreichen sie eine besonders hohe Auflösung: Jede Zelle wird exakt platziert und kann direkt mit ihren Nachbarzellen interagieren. Auf diese Weise sollen z.B. Organkulturen aufgebaut werden, an denen die Industrie Medikamententests durchführen könnte. Das erklärte Ziel der Fraunhofer-Expertinnen und -Experten: Gewebe für Hauttransplantationen oder ganze Organe zu drucken.

Zu sehen ist das auf der Medica am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 3, Stand E74

Oberflächenbeschichtungen ohne Ewigkeits-Chemikalien

Viele Medizinprodukte benötigen eine hydrophobe Oberfläche, um das Anhaften von Zellen zu verhindern oder die Gleit- und Reibeigenschaften zu optimieren. Das Fraunhofer IFAM hat fluorfreie Beschichtungen entwickelt, die die Eigenschaften der bisher einsetzbaren Fluorpolymere übernehmen, wie die wasserabweisende  Beschichtung auf einem Kunststoffvlies zeigt.
Viele Medizinprodukte benötigen eine hydrophobe Oberfläche, um das Anhaften von Zellen zu verhindern oder die Gleit- und Reibeigenschaften zu optimieren. Das Fraunhofer IFAM hat fluorfreie Beschichtungen entwickelt, die die Eigenschaften der bisher einsetzbaren Fluorpolymere übernehmen, wie die wasserabweisende Beschichtung auf einem Kunststoffvlies zeigt. (Bild: Fraunhofer IFAM)

Kaum ein anderer chemischer Stoff kann es mit ihnen aufnehmen, so einzigartig sind ihre Eigenschaften: per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen, kurz PFAS. Entsprechend schwierig ist es, die Jahrhundertgifte zu ersetzen, die sich in der Umwelt anreichern und nicht mehr abgebaut werden. Einem Team des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM ist es gelungen, Lösungen zu entwickeln, die auch für die Medizintechnik große Chancen bieten, PFAS gezielt zu ersetzen.

"Seit mehr als zwei Jahrzehnten nutzen wir nun erfolgreich siliziumorganische Chemie, um ein großes Spektrum positiver Eigenschaften der PFAS vernünftig zu ersetzen", vermeldet Dr. Ralph Wilken, Bereichsleiter Oberflächentechnik am Institut. Den Fachleuten gelang es, zahlreiche Beschichtungen zu entwickeln, die über elektrisch isolierende Eigenschaften verfügen und über ihre Oberfläche in ihrer Wechselwirkung mit Zellen optimal einstellbar sind. Zu sehen sind sie auf der Compamed in Halle 8a, Stand G 10.

5G im OP: Die digitale Chance für Krankenhäuser

Die von der Hochschule Reutlingen gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA entwickelte mobile robotische Plattform im experimentellen OP in Straßburg ermöglicht den autonomen Transport von medizinischem Material und Instrumenten. (Bild: Fraunhofer IPA)

Wie lassen sich Operationen in Zukunft wirtschaftlicher, sicherer und effizienter durchführen? Ein interdisziplinäres deutsch-französisches Team hat hoch technologisierte hybride Operationssäle entwickelt, die durch 5G-Netz und KI neue Anwendungen ermöglichen. Das Projekt 5G-OR vereinte grenzüberschreitend und interdisziplinär Ingenieure, Unternehmer, Chirurgen und Anästhesisten an drei Standorten – Mannheim, Berlin sowie dem französischen Straßburg. Die Expertinnen und Experten entwickelten drei hoch technologisierte hybride Operationssäle mit intraoperativen Bildgebungssystemen. Im Rahmen des Projekts setzte das internationale Team vier relevante Anwendungen in die Praxis um:

  • KI-gestützte Überwachung der Vitaldaten: Die Patienten tragen während des gesamten Behandlungsverlaufs einen intelligenten Patch. Dessen Sensoren zeichnen Vitalparameter auf und übermitteln sie drahtlos an eine überwachte Plattform, wo sie von KI ausgewertet werden.
  • KI-gestützte Analyse chirurgischer Daten: Während der OP analysiert die KI zum Beispiel endoskopische Bilder oder Videosequenzen sowie Daten von chirurgischen Instrumenten und Prozessen. Auf diese Weise können mögliche Anomalien oder Risiken erkannt werden.
  • Roboterassistierte Telechirurgie: In den Hightech-OP-Sälen können Chirurgen –unterstützt durch einen Roboter mit haptischem Feedback – Patienten aus der Ferne operieren. 5G gewährleistet dabei große Bandbreiten für die riesigen Datenmengen sowie eine latenzarme Verbindung für den Austausch von Daten in Echtzeit während der OP.
  • Mobile Roboter-Unterstützung im Operationssaal: Ein speziell für den OP-Bereich entwickelter mobiler Roboter transportiert medizinisches Material und Instrumente. Indem er logistische Aufgaben während der Operation übernimmt, entlastet er das Krankenhauspersonal.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Anna McMaster)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins Automation NEXT. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.

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