KMU und Handwerksbetriebe, die darüber nachdenken, einen Roboter einzusetzen, stehen vor einem Fragenberg: Sollen wir diesen Schritt wirklich gehen, was bringt uns die Automatisierung und auf was muss ich achten? Und wenn ich mich dann tatsächlich für den Einsatz entschieden habe - welcher Roboter soll es denn dann sein? Eben auf diese letzte Frage möchten wir in diesem Beitrag näher eingehen: Denn auch wenn kleinere kollaborierende Roboter - sogenannte Cobots - derzeit in aller Munde sind, ist die Wahl eines solchen keineswegs der logische Automatisierungs-Schritt. Werner Hampel, Roboter-Experte und Themenbuddy von Kollegeroboter.de, gibt Ihnen in diesem Beitrag 7 Entscheidungs-Kriterien für Ihre Automatisierung mit einem Roboter an die Hand, die Ihnen bei der Wahl zwischen einem klassischen Industrieroboter und einem Cobot helfen sollen.
Kollegeroboter.de und "Werner Hampel - Der Roboterkanal" - Tipps vom Experten für Ihre ersten Schritte mit einem Roboter!
Dieser Beitrag ist eine Kooperation mit "Werner Hampel - Der Roboterkanal" auf Youtube. Werner Hampel ist Robotik-Experte durch und durch: Er ist Gründer von roboterforum.de, Geschäftsführer der Robotik-Beratung Robtec und seit 30 Jahren im Roboter-Business. Im Rahmen dieser Kooperation mit Kollegeroboter.de präsentieren wir Ihnen regelmäßig praxisnahe Tipps zum professionellen Einsatz von Robotern in Ihrem Unternehmen. Video-Tipps von Werner fassen wir hier kurz und knapp noch einmal schwarz auf weiß für Sie zusammen. So müssen Sie nicht mitschreiben und können das Wichtigste zum Beispiel ausgedruckt mitnehmen. Unser Service für Sie!
Verzeichnis (per Klick auf die Links gelangen Sie direkt zum jeweiligen Kapitel):
- Die 4 Ds oder die Frage, wann Sie ernsthaft einen Roboter einsetzen sollten
- Überprüfen Sie: Muss der Roboter wirklich Hand in Hand mit dem Menschen arbeiten?
- Wie viel Platz steht für die Automatisierung zur Verfügung?
- Automatisierung: Welche Gefahr geht vom Prozess aus?
- Bringt MRK-Robotik die Leistung, die benötigt wird?
- Wie flexibel muss die Automatisierung sein?
- Steuerung der Automatisierung: der Faktor Programmierung
- (Werner's Bonus-Tipp, nur auf Kollegeroboter.de: Die Budget-Frage...)
Ein Cobot - was ist das eigentlich?
Ein kollaborativer Roboter oder kurz Cobot (Englisch: collaborative robot) ist ein Roboter, der mit Menschen gemeinsam arbeitet und im Produktionsprozess nicht durch Schutzeinrichtungen von diesen getrennt ist - wie zum Beispiel ein klassischer Industrieroboter. Kollaborierende Roboter arbeiten in unmittelbarer Nähe zum Menschen und mit ihm gemeinsam an einer Aufgabe (Mensch-Roboter-Kollaboration, MRK). Dies setzt jedoch voraus, dass diese Form der Automatisierung keine Verletzungen beim Menschen hervorrufen kann. Cobots verfügen hierzu über eigene Sensoren, die Verletzungen beim Menschen verhindern. Die Automatisierung schaltet die Maschine deshalb auch automatisch ab, wenn sie Hindernisse, wie etwa einen Arm oder eine Hand, berührt.
1. Die 4 Ds oder die Frage, wann Sie ernsthaft einen Roboter einsetzen sollten
Bevor Sie die Entscheidung treffen, ob Sie einen Cobot oder einen klassischen Industrieroboter in Ihrem Unternehmen einsetzen, müssen Sie erst einmal wissen, ob Sie denn überhaupt einen Roboter brauchen. Als Faustregel gilt, dass Sie einen Roboter einsetzen können und sollen, wenn es im Unternehmen Arbeiten gibt, die eine oder mehrere der vier D’s erfüllen.
- Dull (zu deutsch: eintönig): Eintönige Arbeiten sind solche, bei denen jedes Mal der gleiche Handgriff ausgeführt wird, die immer genau gleich ablaufen - also Funktionen, welche keinerlei Abwechslung bieten.
- Dangerous (zu deutsch: gefährlich): Gefährlich sind Anforderungen, mit zum Beispiel heißen oder schädlichen Werkstoffen oder die Arbeit mit beweglichen Teilen, wie zum Beispiel bei Pressen oder Schleifarbeiten und so weiter.
- Dirty (zu deutsch: dreckig): Zum Beispiel, wenn mit Öl oder in staubigen Umgebungen gearbeitet wird.
- Difficult (zu deutsch: kompliziert): Das sind komplexe aber monotone Aufgaben. Also solche, die zum Beispiel von Fachkräften ausgeführt werden, an denen es ja bekanntlich mangelt: Zum Beispiel sind heute gute Schweißer oder Lackierer kaum noch zu finden.
Das sind alles Arbeiten, die für eine Automatisierung geschaffen sind. Sie langweilen Menschen oder machen sogar krank. Haben Sie keine Anforderungen, die auf eines der 4 D’s zutreffen, dann investieren Sie Ihr Geld lieber woanders, denn dann benötigen Sie nicht wirklich einen Roboter. Fallen in Ihrem Unternehmen aber Arbeiten an, die in eine oder eben mehrere dieser Kategorien passen, kann eine solche Automatisierung durchaus sehr sinnvoll für Ihre Produktion sein.
2. Überprüfen Sie: Muss der Roboter wirklich Hand in Hand mit dem Menschen arbeiten?
Ein Cobot ist ein MRK-Roboter (MRK = Mensch-Roboter-Kollaboration). Diese Maschinen arbeiten ohne Schutzzaun und manchmal auch Hand in Hand mit dem Menschen zusammen. Sie sind meist einfacher zu programmieren und verfügen über Sensoren in den Gelenken, die Verletzungen beim Menschen verhindern sollen. Durch diese Sicherheitstechnologie kosten sie jedoch mehr und bieten nicht die gleiche Performance wie klassische Industrieroboter. Meist sind sie also zum Beispiel langsamer und ungenauer.
Wägen Sie also ab: Soll die Maschine den Menschen gegebenfalls gar nicht berühren, zum Beispiel also nur Paletten beladen, schweißen oder lackieren, dann ist ein schnellerer und günstigerer Industrieroboter wahrscheinlich die bessere Wahl. Allerdings kann ein Cobot dennoch die bessere Wahl sein, und damit kommen wir zum nächsten Punkt:
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Hersteller Industrieroboter - die größten der Welt. Quelle: next Robotics
3. Wie viel Platz steht für die Automatisierung zur Verfügung?
Klassische Industrieroboter müssen hinter einem Sicherheitszaun stehen. Und der benötigt Platz. Sind Sie ein KMU und nennen nur eine kleine Werkstatt Ihr Eigen, fehlt dieser Platz vielleicht, und dann kann der Einsatz eines Cobots sinnvoll sein. Denn auch kollaborative Roboter stoppen, wenn etwas im Weg ist - ganz im Gegensatz zu klassischen Industrierobotern. Soll heißen: Kollaborative Roboter sind grundsätzlich in kleinen Werkstätten die bessere Wahl, weil sie meistens keine Schutzvorrichtungen benötigen. Aber Achtung: Auch hier gibt es Ausnahmen!
4. Automatisierung: Welche Gefahr geht vom Prozess aus?
Denn: Ja, Cobots sind zwar grundsätzlich sicher, aber das gilt nur für den Roboterarm an sich. Arbeitet der Roboter mit einem Schweißbrenner, Fräser oder einem Laserschwert, dann sieht die Sache natürlich ganz anders aus, denn dann lässt sich das System nicht mehr ungeschützt im Prozess einsetzen. Ist eine Aufgabe also zu gefährlich, dann macht ein klassischer Industrieroboter als Automatisierungs-Lösung doch wieder mehr Sinn.
5. Bringt MRK-Robotik die Leistung, die benötigt wird?
MRK-Roboter bewegen sich in der Regel mit maximal 1000 mm/s. Industrieroboter sind bis zu zehn Mal schneller. Cobots sind leistungsschwächer als klassische Industrieroboter, welche voll auf Geschwindigkeit und Genauigkeit ausgelegt sind und sie haben eine geringere Steifigkeit. Benötigen Sie also hohe Stückzahlen oder es handelt sich um Funktionen, die sehr genau sein müssen oder hohe Traglasten voraussetzen, die Cobots nicht heben können, dann benötigen Sie für Ihre Automatisierung einen klassischen Industrieroboter. Cobots sind aktuell bis etwa 40 Kilogramm Traglast verfügbar.
Cobot oder Industrieroboter? Noch mehr Tipps zur Auswahl!
Cobot oder Industrieroboter? Noch mehr Tipps zur Auswahl gibt der Industrieroboter-Hersteller Omron - zum Beispiel:
- Die Aufgabe macht die Musik! „Die Wahl des Roboters hängt vom Standort, dem Produktionsschwerpunkt und den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens ab. Reichweite, Tragfähigkeit, Bewegungsanforderungen, Erweiterbarkeit und das Zusammenspiel mit Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI) oder Bildverarbeitung können darüber entscheiden, welcher Roboter am besten geeignet ist“, erklärt Fernando Vaquerizo, Fixed and Cobots Product Marketing Manager bei Omron Europe.
- Wie soll automatisiert werden? Zum Beispiel:Welche Produkte müssen wie hergestellt oder verarbeitet werden? Welche Bewegungen soll der Roboter ausführen? Welche Distanzen muss der Roboter dabei verfahren? Welche Art von Teileproduktion und Durchsatz wird benötigt? (Wie entscheidend sind Wiederholgenauigkeit und Präzision?
- Fest oder flexibel: Welcher Robotertyp soll es sein? Fest installierte Roboter punkten mit hohen Geschwindigkeiten, Präzision, flexibler Programmierbarkeit, Sicherheit und High-Performance. Für die Neuprogrammierung der Roboter, die auf Grund der Sicherheit mehr Platz benötigen, werden jedoch Experten benötigt. Cobots hingegen sind einfacher zu bedienen und eignen sich ideal für High-Mix-Low-Volume-Szenarien, kleine Stückzahlen in verschiedensten Varianten. Sie bieten integrierte Sicherheit, können eng mit Mitarbeitern zusammenarbeiten, sind flexibler und mobiler. Doch das ist noch nicht alles: Cobots lassen sich außerdem deutlich einfacher programmieren und ihre Software ist intuitiver zu verstehen, sodass in der Regel keine Spezialisten benötigt werden.
6. Wie flexibel muss die Automatisierung sein?
Bekommt der Roboter öfters mal neue Arbeiten zugewiesen? Gerade kleinere Hersteller wollen ihre Automations-Lösung oft für mehrere Arbeiten einsetzen, da vielleicht gar nicht der Bedarf an riesigen Stückzahlen da ist. So setzen KMU oder Handwerksbetriebe die neue Maschine je nach Anforderung vormittags zum Holzschneiden, nachmittags zum Palettieren oder eine Woche später zum Schweißen oder Teile zusammenfügen ein. Cobots haben hier den Vorteil, dass sie einfacher umprogrammiert werden können. Zudem ist diese Form der Automation kompakter und leichter und kann so einfacher versetzt werden. Soll ein Roboter also zwei oder mehr Funktionen übernehmen, dann ist ein Cobot hier die bessere Wahl - auch wenn gefährliche Arbeiten dabei sein sollten und spätestens dann (auch mit Cobot) ein Schutzzaun nötig ist.
Robotik in der Holzbearbeitung: vom Tischler zum Programmierer. Quelle: next Robotics
7. Steuerung der Automatisierung: der Faktor Programmierung
Und last but not least kann auch die Programmierung ein wichtiger Faktor sein. Bei klassischen Industrierobotern kommen Sie ohne digitales Programmier-Vorwissen um eine Schulung nicht herum. Cobots hingegen sind oft wesentlich schneller in die Produktion integriert und verfügen hierzu über grafische Programmieroberflächen, die intuitiv bedient werden können - und das ganz ohne Programmierkenntnisse. Sie lassen sich buchstäblich an die Hand nehmen und man kann ihnen leicht die gewünschten Positionen zeigen. Klassische Industrieroboter hingegen müssen geteacht werden. Auch hier gilt also die Frage: Wie oft müssen Sie dem Roboter neue Aufgaben zeigen?
Cobot-Hersteller: Diese Cobots eignen sich für Handwerker und Mittelstand
Exklusiv! Werner's Bonustipp (nur auf Kollegeroboter.de): Die Budget-Frage...
Achten Sie auf Ihr Budget! Merke: Cobots kosten in der Regel mehr bei gleicher Reichweite und Traglast, da die Sicherheits-Technik über die Sensorik bereits verbaut ist, Industrieroboter schlagen hingegen mit zusätzlichen Schutzkosten zu Buche, zum Beispiel mit:
- einem Safety-Modul: einem kostenpflichtigen Zusatzmodul für Industrieroboter, dieses kostet zwischen 3.000 und 4.000 Euro.
- einem Schutzzaun: Dieser kann bis zu 10.000 Euro kosten, bei einer kompletten Zelle kann dies noch sogar noch mehr sein.
- einem Laserscanner für 5.000 Euro.
- hinzu kommen beim Industrieroboter Kosten für einen Programmierkurs, die bei Robtec in der Regel zwischen 900 und 3.000 Euro liegen.
Wie fließig verdient Ihr Roboter Geld für Sie? Cobots sind langsamer und eignen sich für kleinere Stückzahlen, Industrieroboter sind schneller und verdienen in kürzerer Zeit mehr Geld, benötigen aber mehr Platz. Cobots sind gerade am Anfang viel schneller einsatzbereit (Plug&Work), bieten Anwendern aber weniger Möglichkeiten als ein Industrieroboter. Am Ende sind natürlich deutlich mehr Dinge zu berücksichtigen, aber hier helfen dann Robotik-Berater.