Die Anwender dieser Ideenfindungstechnik finden das Reizwort Gewehr und führen damit die Reizwortanalyse durch. Sie entwickeln beispielsweise die folgende freie Assoziation: Schießbude auf dem Kirmesplatz. Die differenzierte tiefer gehende Wortanalyse führt zu den Assoziationen: Man kann etwas gewinnen, das macht Spaß; hier geht es darum, genau zu zielen und man erholt sich eine Belohnung; man kann zeigen, was man kann. Ein möglicher Rücktransfer der Assoziationen auf die Ausgangsfrages könnte lauten: Anreize sind wichtig, etwas mit Kollegen in der Gruppe tun und die
Aussicht auf eine Trophäe wirkt anregend. Daraus ergibt sich als Lösung, bewegungsfördernde Gesellschaftsspielsets als Outdoor-Möglichkeiten zu entwickeln und anzubieten. Die Wirkung der Reizwortanalyse beruht auf dem Verfremden des Vertrauten und Vertrautmachen des Fremden sowie auf dem Übertragen von Strukturen und Denksätzen aus anderen Bereichen. Mit der Reizwortanalyse gelingt es eindrucksvoll, eingeschlichene Denkmuster zu verlassen.
Gewohnte Denkpfade werden durch bewusste Inspiration erweitert. Durch den Einsatz dieser Technik vollzieht der Anwender einen kreativen Umweg durch gedankliche Sprünge, die zunächst weit weg von der zu bearbeitenden Aufgabe führen. Doch dann erfolgt der Transfer zurück auf die Aufgabe quasi wie ein Fallrückzieher im Fußball. Und durch die vorherige Entfernung von der Aufgabe entstehen überraschende und ungewöhnliche Lösungen. Bleibt zum Schluss noch die Frage: Kann man es sich überhaupt leisten, querzudenken? Zeit ist ja bekanntlich Geld, und nur wer schnell ist, kann auf globalen Märkten mit enormen Dynamiken erfolgreich sein. Doch wer wirklich Neues schaffen will, braucht Zeit zum kritischen Infragestellen des So-haben-wires- immer-schon-gemacht-Denkens. Stark strukturierte
Abläufe, die einer oft linearen Logik des wenn-dann folgen, beschreiben zahlreiche Prozesse auf zutreffende Weise. Doch in der heutigen Welt hoher Komplexität und Nichtvorhersagbarkeit sind Mono-Kausalität und Linearität in den seltensten Anwendungsbereichen vorzu
nden. Für etwas bisher noch nicht Dagewesenes braucht man neue Betrachtungsweisen und den Mut, das zurzeit noch Unmögliche für möglich zu halten. Bezogen auf einen kreativen Entwicklungsprozess bedeutet dies: Neue Denktools führen zu neuen Ergebnissen, weil sie das Denken in andere Richtungen mit viel versprechenden Perspektiven lenken. Für die Zukunfsfähigkeit einer Organisation ist der kreative Umweg mit dem gekonnten Einsatz von Querdenken also eine lohnende Investition.
ke NEXT hakt nach: Eine Frage an Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers
Welche Tipps würden Sie Ingenieuren und Konstrukteuren geben?
Bei unseren On-the-job-Einsätzen bemerken wir, dass Menschen aus technischen Berufen, also beispielsweise auch Ingenieure und Konstrukteure, über eine hohe analytische Kompetenz verfügen, und dass sie ein starkes Bedürfnis nach Struktur und Systematik haben. Dies ist sinnvoll und notwendig, wenngleich es aus unserer Sicht ebenso wichtig ist, auch einmal einen gedanklichen Umweg zu gehen, bewusst abwegig und scheinbar verrückt vorzugehen. Umwege erhöhen die Ortskenntnis, dies gilt im realen Leben genauso wie mental. Und schon Einstein wusste, dass man ein Problem nicht
mit den gleichen Denkstrukturen lösen kann, die zu seiner Entstehung beigetragen haben. Deshalb empfehlen wir gerade Ingenieuren und Konstrukteuren, gezielt andere Denktools einzusetzen, die das Gehirn provozieren, um zu neuen Sichtweisen und originellen Lösungsansätzen zu gelangen.Die Frage stellte Angela Unger, Redaktion
Über die Autorinnen
Annette Blumenschein ist Management-Beraterin und Trainerin für Kreativ-Kompetenz, Innovation und Führung. Sie ist die Gründerin des Berater- und Trainerteams ATB Frankfurt. Ingrid Ute Ehlers arbeitet als Diplom-Industriedesignerin, Management-Beraterin und Trainerin für Kreativ-Kompetenz und Projekte und ist Inhaberin von Produkt + Konzept in Frankfurt.