Das Entwickeln einer hydropneumatischen Federung ist im wahrsten Sinne Auslegungssache. Zu den wichtigsten Handwerkzeugen des Konstrukteurs zählen daher Simulationstools. „Hier kann ein Entwickler sehr schnell den Fehler machen, dass er die Tools zu weit ausdehnt“, warnt Dr. Richard Käsler, Geschäftsbereichsleiter Systemtechnik bei der Weber Hydraulik GmbH, Güglingen. „Wichtig ist es, sich auf die wesentlichen Punkte des Simulierens zu beschränken.“ Der Entwickler könne sich bei der Fahrwerksimulation aber auf die wenigen Komponenten dieses mechatronischen Systems beschränken, um so „fundamentale Erkenntnisse“ über die Zusammenhänge in einem Fahrzeug zu gewinnen.
Mit diesem Know-how würde es einem Konstrukteur leichter fallen, das gesamte Fahrwerk auszulegen. Bei eigenen Simulationsläufen hat sich bei Weber Hydraulik das HIL-System Matlab bewährt (HIL: Hardware-in-the-loop), weil es auch mit einem einfachen, überschaubaren Simulationsmodell mit wenigen Freiheitsgraden grundlegende Wechselwirkungen erkennt. Hersteller, die detailliertere Ergebnisse bei Simulationen benötigen, sollten dagegen mit Hochschulen zusammenarbeiten.
Komfort und Fahrdynamik
Für das Fahrwerk gibt es die beiden Bewertungskriterien Komfort und Fahrdynamik. Das Komfortverhalten hängt entscheidend davon ab, ob das Fahrzeug gefedert ist. Erst dann komme eventuell eine Kabinenfederung in Betracht. „Viele gehen davon aus, dass der Sitz den Komfort bestimmt“, sagt der Experte. „Aber es ist vielmehr der Reifen, der auch komfortentscheidend ist.“
Auch in Sachen Fahrdynamik spiele die gefederte Achse zusammen mit den Reifen eine Hauptrolle. Daher erhalten Landmaschinen zunehmend eine Federung. Gemeinsamer Nenner bei allen Fahrzeugen: Eine Federung besitzt immer zwei Eigenfrequenzen. Die Chassis-Eigenfrequenz des beträgt in der Regel 1,0 bis 1,5 Hertz. Ein Wert unter der Ein-Hertz-Grenze bietet sich nicht an, weil sie zur Seekrankheit führen würde.
Die zweite sogenannte Stuckereigenfrequenz stammt vom Rad und liegt bei einem Wert von zehn bis 20 Hertz. Diese Frequenz wirkt sich bei Landmaschinen besonders dann aus, wenn die Stolleneigenfrequenz des Reifens das Rad anregt. Dann fängt der Traktor an zu hüpfen. Als Gegenmaßnahme gilt – wie bei allen Fahrwerken – eine Faustregel. „Ich muss das System so weich wie möglich machen“, sagt Dr. Käsler. „Dann verbessert sich das Übertragungsverhalten.“
Daher versuchen Entwickler auch bei Landmaschinen, die Eigenfrequenz so tief wie möglich einzustellen. Das lässt sich aufgrund der Gewichtsverteilung jedoch laut dem Experten nur mit einer hydropneumatischen Federung verwirklichen.
Doch wie verhält es sich mit der Dämpfung? Es gibt bestimmte Bereiche wie Eigenfrequenzstellen, bei denen viel Dämpfung nötig ist, um beispielsweise das Rattern und Schwingen des Fahrzeuges zu verringern. In anderen Bereichen wird weniger Dämpfung benötigt. Das heißt: Es bedarf einer adaptiven Dämpfung, die sich an die Fahrbedingungen anpasst. Um eine Übersicht über die Frequenzen und ihrer Wechselwirkungen in einem Fahrzeug zu erhalten, haben sich Frequenzkarten bewährt. Sie helfen auch beim Abstimmen des Frequenzverhaltens aller Fahrzeugsysteme.
Federungssysteme seit Mitte der 90er Jahre
Die ersten Federungssysteme kamen Mitte der 90er Jahre in Traktoren zum Einsatz: Die Firmen John Deere und Fendt haben damals hydropneumatische Achsen eingeführt. Heute besitzen alle Traktoren der Mittel- und Oberklasse eine hydropneumatische Achse. Dabei hängt es nicht davon ab, ob es sich um Fahrzeuge mit Starrachsen oder Einzelradaufhängung handelt. „Hydraulisch lassen sich beide Achsen simulieren“, erklärt Dr. Käsler.
Der Trend gehe zur Einzelradaufhängung, weil sich an ihr wesentlich mehr Parameter einstellen lassen und weil sie weniger Platz benötige. Weber Hydraulik hat eine derartige Lösung bei einem Challenger RoGator (Masse je nach Zuladung: 8,0 bis 16,5 Tonnen) der AGCO Corporation realisiert. Die sogenannte Selbstfahrspritze besitzt an jedem Rad eine hydropneumatische Federung mit adaptiver Dämpfung. Hinzu kommt eine Niveauregulierung zur Veränderung der Höhe um einen halben Meter, dank der das Fahrzeug über ein Maisfeld fahren kann, ohne den Mais zu beschädigen.
Außerdem verfügt es über einen kompletten, zuschaltbaren Hangausgleich: Sensoren ermitteln beim Hineinfahren in den Hang die Neigung des Hangs und richten das Fahrzeug so aus, dass es waagerecht steht. Beim Bremsen und Beschleunigen unterdrückt die adaptive Dämpfung das sogenannte Pitchen (Einsacken) oder Hochgehen.
Der Challenger RoGator besitzt außerdem eine elektrohydraulische Allradlenkung, die dank GPS-Unterstützung sehr präzise arbeitet. Ein komplexer Chassis-Ventilblock übernimmt über einen Controller das Ansteuern von Federung und Lenkung. Die Dämpfungszylinder stützen sich auf den Gasvolumina in den Speichern ab, auf denen sie auch federn. Dazwischen liegen die Dämpfungsventile, die den Querschnitt zwischen den Speichern und den Zylindern verengen. „Dadurch sind wir in der Lage, die Dämpfung während der Fahrt zu verändern“, erläutert Dr. Käsler.