Die Gießereitechnik – als das vermutlich älteste Formgebungsverfahren – erhält durch neue Möglichkeiten in der Simulationstechnik und beim Formenbau derzeit frische Impulse und eine Effizienzsteigerung, die vor einigen Jahren kaum vorstellbar war. Im Kern geht es dabei um einen neuen, simulationsgetriebenen Entwicklungsprozess, der zu hocheffizienten Gussbauteilen führt, die bereits in der frühen Entwicklungsphase hinsichtlich Herstellbarkeit, Lebensdauer, Gewicht und Steifigkeit optimiert werden können.
Dabei werden zum einen entsprechende Berechnungs- und Auslegungswerkzeuge und zum anderen der 3D-Druck für den daraus resultierenden Formenbau eingesetzt. Der große Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der Gestaltungsfreiheit des 3D-Druckes, den sich die vorgeschaltete Optimierung zu Nutze macht. Dies führt dazu, dass nahezu beliebig komplexe Bauteile ohne großen Mehraufwand hergestellt werden können.
Technologiedemonstrator verdeutlicht Prozesse
Gemeinsam mit dem Altair Partner Alliance (APA), dem Partner HBM Prenscia und dem Partner voxeljet hat Altair einen Technologiedemonstrator erstellt, mit dem anhand eines Beispielbauteils, in diesem Fall ein Radträger für ein Formula-Student-Fahrzeug, der komplette Entwicklungs- und Fertigungsprozess einer Aluminiumguss-Komponente verdeutlicht wird.
Einen entscheidenden Anteil des gesamten Prozesses nimmt der simulationsgetriebene Entwicklungsprozess im Vorfeld der eigentlichen Fertigung ein. Dieser ermöglicht es erst, das mit dem 3D-Druck verbundene Gestaltungspotenzial vollständig auszuschöpfen. Hierfür wird das Bauteil zunächst topologieoptimiert, hinsichtlich seiner Herstellbarkeit analysiert und auf seine Lebensdauer überprüft. Das verlorene Modell (positiv), von dem dann eine für den Feinguss benötigte verlorene Form (negativ) abgeformt wird, wird anschließend im 3D-Druckverfahren hergestellt.
Für den Technologiedemonstrator haben sich die Designer und Ingenieure der teilnehmenden Unternehmen darauf konzentriert, eine neue Form des ausgewählten Radträgers zu entwickeln, die bei gleichem Gewicht deutlich leistungsfähiger sein sollte als das Original.
Ein Radträger ist unter Last Verformungen ausgesetzt, die die Spurstabilität des kompletten Fahrwerks beeinflussen können. Daher ist die Steifigkeit dieses Bauteils besonders wichtig. Das ursprüngliche Design des Radträgers war eher durch die Bedürfnisse der Produktion getrieben, während das neue Design vor allem die Leistung in den Vordergrund stellt.
Topologieoptimierung mit Inspire
Zunächst wurde der Bauraum mit der Software solidThinking Inspire festgelegt. Inspire ist ein Konzeptdesign- und Optimierungstool, das auf Altairs Struktursolver OptiStruct beruht. Dann wurden dem Modell die wichtigsten Lastfälle wie zum Beispiel starkes Bremsen, extreme Kurvenfahrten und Hindernisüberfahrten hinzugefügt.
Nach der Optimierung, in der auch die Herstellbarkeit berücksichtigt wurde, erhielten die Ingenieure ein Bauteil, das mit dem gleichen Materialeinsatz ein völlig neues Design hatte und deutlich leistungsfähiger war. Bei diesem neuen Design wurde das Material so verteilt, dass die Steifigkeit des Bauteils um den Faktor 3 bis 5, je nach Lastfall, erhöht wurde.
Da Ermüdungsversagen durch die komplette Lasthistorie des Bauteils und nicht nur durch eine einzelne Maximallast verursacht wird, wurde ein Lastzyklus von 35 Stunden ermittelt und in die HBM Prenscia Software DesignLife importiert, in der die Lasten aus fünf verschiedenen Straßenzuständen berücksichtigt wurden.
Außerdem wurden in Altair OptiStruct berechnete Spannungen von Einheitenlasten hinzugefügt, die es den Ingenieuren ermöglichten, Spannungshistorien für alle Positionen auf dem Radträger zusammenzustellen. Diese Daten, zusammen mit Materialeigenschaften aus der DesignLife Materialdatenbank, wurden genutzt, um das Ermüdungsversagen vorherzusagen.
Blick über den Tellerrand
3D-Druck für Spezialanfertigungen
Additive Fertigungsverfahren gehören zu den industriell nutzbaren Herstellungsverfahren. Sie kommen zum Beispiel dann zum Einsatz, wenn es um Spezialanfertigungen mit komplexen Strukturen oder um die schnelle Herstellung von Prototypen geht. Bei Festo wird die generative Fertigung bereits seit Jahren für die Herstellung von Prototypen oder Bauteilen in Kleinserie angewendet.
Der Vorteil: Die Teile lassen sich werkzeuglos, schnell und ohne Materialverlust fertigen, was Zeit und Kosten spart. Typische Materialien sind Kunststoffe oder Metalle. Ein Beispiel für ein Produkt, das mit Hilfe von Additive-Manufacturing-Verfahren gefertigt wird, ist der bionische Handling-Assistent von Festo. Seine flexiblen Balgelemente aus Kunststoff werden mit dieser Methode hergestellt.
In anderen Bereich werden Hybridmaschinen mit Additive Manufacturing kombiniert. Etwa die neue Hybridmaschine von Sauer für die hybride Komplettherstellung von Bauteilen. Außedem erledigt sie Reparaturen und bringt partielle oder komplette Beschichtungen beispielsweise im Werkzeug- und Formenbau auf. Dazu wurde die klassische 5-Achs-Maschine mit einem 2,5-kW-Diodenlaser ausgerüstet.