Die (Rechen-)Zentren der Macht: Deutsche Unternehmen sind stark von der Datenverarbeitung in den USA abhängig – eine Situation, die sich durch KI noch zu verschärfen droht.

Die (Rechen-)Zentren der Macht: Deutsche Unternehmen sind stark von der Datenverarbeitung in den USA abhängig – eine Situation, die sich durch KI noch zu verschärfen droht. (Bild: Stock.Adobe.com - Michail)

Für den Vorstand der Schaeffler AG ist die Sache klar: Allein auf Kunden aus der Automobilindustrie will er sich künftig nicht mehr verlassen. Auf der Hannover Messe stellte der 1946 gegründete Kfz-Zulieferer daher Lager, Linear- und Rotationsantriebe sowie Sensoren für humanoide Roboter vor. „Diese sind entscheidend für eine effiziente und agile Produktion der Zukunft“, erklärt der Vorstand für Produktion, Supply Chain Management und Einkauf, Andreas Schick. Das Marktforschungsinstitut Mordor Intelligence bestätigt das. Ihm zufolge wächst der Markt für humanoide Roboter bis 2029 jedes Jahr um 48 Prozent auf dann weltweit 11,9 Milliarden US-Dollar. Mit seinem Know-how ermögliche es Schaeffler „diese disruptive Technologie nachhaltig im industriellen Umfeld zu etablieren und aktiv voranzutreiben“, so Schick.

 

In Kürze

● Deutsche Robotik hängt stark von digitalen US-Vorleistungen ab.
● US-Konzerne dominieren KI, Cloud und Robotik-Infrastruktur.
● Donald Trumps Politik bedroht Europas Zugang zu essenzieller US-Technologie.

„Deutschland ist in der Robotik nicht vom Ausland abhängig“ – Wirklich?

Dank Angeboten, wie sie der fränkische Spezialist für hochpräzise Komponenten für Motoren, Getriebe und Fahrwerke macht, ist Deutschland im Wettbewerb auf dem globalen Robotik-Markt gut aufgestellt. Das denken neben den Vorständen von Schaeffler auch viele Unternehmensvertreter. In einer im November und Dezember 2024 durchgeführten Umfrage des Digitalverbandes Bitkom gaben 51 Prozent der Teilnehmenden an, sie sähen Deutschland in der Robotik als „überhaupt nicht“ oder „eher nicht“ abhängig von Importen aus dem Ausland an. Nur bei Sensorik sagten das noch mehr Befragte – nämlich 55 Prozent.

Bitkom: Unternehmen sehen zu große Abhängigkeit von US-Anbietern

(Bild: Bitkom)

In der deutschen Wirtschaft wächst die Sorge vor einer zu hohen Abhängigkeit von Cloud-Diensten aus dem Ausland:

  • Fast zwei Drittel (62 %) der Unternehmen in Deutschland würden ohne Cloud-Dienste stillstehen.
  • Zugleich halten mehr als drei Viertel (78 %) Deutschland für zu abhängig von US-Cloud-Anbietern.
  • 82 % wünschen sich große Cloud-Anbieter, sogenannte Hyperscaler, aus Deutschland oder Europa, die es mit den außereuropäischen Marktführern aufnehmen können.
  • Jedes zweite Unternehmen (50 %), das Cloud-Computing nutzt, sieht sich aufgrund der Politik der neuen US-Regierung gezwungen, die eigene Cloud-Strategie zu überdenken.

Das sind Ergebnisse des „Cloud Report 2025“, den der Digitalverband Bitkom heute veröffentlicht hat, und für den 604 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland repräsentativ befragt wurden.  Für praktisch alle Unternehmen, die Cloud-Dienste nutzen oder dies in Betracht ziehen (97 %).

Bei anderen digitalen Vorleistungen und Technologien wie Software, Lösungen für die Cybersicherheit, Chips und Prozessoren sowie digitalen Dienstleistungen, im Cloud Computing, der Künstlichen Intelligenz (KI), dem Internet der Dinge oder dem 5G-Mobilfunk ist das anders. Hier beschreiben sich neun von zehn Unternehmen als „eher“ oder „stark“ abhängig vom Ausland. Jeweils knapp 60 Prozent der Befragten beziehen solche Vorleistungen aus den USA, China und der EU. Ebenso viele gehen davon aus, dass die Abhängigkeit in den kommenden fünf Jahren sogar noch zunimmt. Wenn ausländische Partner oder Regierungen diese ausnutzten oder Lieferketten unterbrächen, hätte jedes zweite Unternehmen allerdings schon heute keine Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Die Daten-Cloud verbindet Kontinente - sorgt dabei aber auch für politische Abhängigkeiten.
Die Daten-Cloud verbindet Kontinente - sorgt dabei aber auch für politische Abhängigkeiten. (Bild: Stock.Adobe.com - ArtemisDiana)

Weil eine Vielzahl der genannten Vorprodukte und digitalen Dienstleistungen auch für die Robotik unerlässlich ist, ist auch diese wohl deutlich abhängiger von Technologie aus dem Ausland als angenommen. „Die Teilnehmer unserer Umfrage nehmen vielleicht die weltweite Bedeutung Deutschlands im Maschinenbau sehr bewusst wahr, messen ihr aber eine zu große Bedeutung bei und übersehen, dass wir bei technischen Komponenten für Robotik-Produkte in hohem Maße von Leistungen aus dem Ausland abhängig sind“, erklärt der Leiter des Bereichs „Digitale Souveränität, Infrastruktur und Regulierung“ beim Bitkom, Nick Kriegeskotte, die Diskrepanz.

Entwicklung humanoider Roboter erfordert KI und Rechenpower aus den USA

Massiv von den USA abhängig ist Deutschland jedenfalls überall dort, wo KI Robotik ergänzt, um weitgehend autonome Maschinen für ein möglichst breites Aufgabenspektrum zu entwickeln. Denn die KI der smarten Blechkerle braucht ein digitales Abbild der Welt, das sämtliche Naturgesetze abbildet. Nur wenn Modelle mit einer derartigen digitalen Repräsentation der Welt trainiert werden, können Roboter mit ihrer Hilfe Handlungen eigenständig planen und in dynamischen Umfeldern jederzeit adäquat agieren – werden also humanoid.

Starkes Ungleichgewicht: Der weltweite Markt für Rechenzentrumskapazitäten wird von den USA und China dominiert. Grafik: Statista
Starkes Ungleichgewicht: Der weltweite Markt für Rechenzentrumskapazitäten wird von den USA und China dominiert. (Bild: Statista)

Dieses Training setzt jedoch voraus, dass Entwickler Zugriff auf große KI-Modelle haben, die sie nur noch anpassen müssen. Hier sind europäische Unternehmen aktuell vollständig von den USA abhängig. Denn die beiden wichtigsten KI-Bibliotheken, Tensorflow und Pytorch, stellen Google und Meta zur Verfügung.

Um mit diesen Tools KI-Modelle so weiterzuentwickeln, dass sie sich in der Robotik einsetzen lassen, sind außerdem gewaltige Rechenkapazitäten erforderlich. Diese sind in den Vereinigten Staaten gemessen an der Anschlussleistung von Rechenzentren aktuell dreimal so groß wie in der EU, hat der Bitkom ermittelt. „In den USA werden zudem jedes Jahr zwei- bis dreimal so viele Rechenzentrumskapazitäten neu zugebaut, wie in Deutschland überhaupt installiert sind“, betont der Präsident des Bitkom, Dr. Ralf Wintergerst. Bis 2030 wird sich die Anschlussleistung von US-Rechenzentren daher nochmals auf 95 Gigawatt (GW) mehr als verdoppeln, hat sein Verband errechnet. Die EU wird da mit einer Anschlussleistung von 28 GW nicht mithalten können.

US-Digitalkonzerne drängen in den Markt für humanoide Roboter

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass US-Hyperscaler und KI-Konzerne wie Google DeepMind und Meta aktuell in die Robotik vordringen. Seit einigen Monaten bieten sie die von ihnen entwickelten großen KI-Modelle in für die Robotik trainierten Versionen an. Mit Nvidia sitzt in den USA zugleich der wohl wichtigste Lieferant von KI-Chips für die Robotik.

Diese Vormachtstellung bei den technologischen Grundlagen setzen Konzerne wie OpenAI, Tesla und Amazon in KI-gesteuerte Roboter um. So ist OpenAI, an dem Microsoft mit 13 Milliarden Euro beteiligt ist, wichtiger Investor in Start-ups wie 1X und Physical Intelligence. Beide entwickeln humanoide Roboter. Tesla wiederum hat im Oktober 2024 die dritte Version seines Humanoiden „Optimus“ vorgestellt. Von diesem will der Autobauer ab 2026 wenigstens 50.000 Stück pro Jahr produzieren und verkaufen. In den Lagerhäusern und Logistikzentren von Amazon sind heute schon 750.000 KI-gesteuerte Roboter unterwegs. Die USA übernehmen damit aktuell die Führungsrolle in der Robotik der Zukunft.

Microsoft, Google und Amazon beherrschen in Europa aber auch 70 Prozent des Marktes für Cloud-Dienstleistungen. Diese Technologie braucht die Robotik heute schon. Als Infrastruktur sind die Cloud ebenso wie Services aus ihr heraus die Grundlage komplexer und hochleistungsfähiger Multirobotersysteme, wie sie die Industrie in ihrer Fertigung installiert. Die Nachfrage nach Services für die Cloud-Robotik sowie Robotics-as-a-Service legt daher bis 2029 jedes Jahr um 24,8 Prozent, erwartet Mordor Intelligence.

Donald Trump macht Unternehmen Angst

Lange hat der technologische Vorsprung der USA bei Grundlagentechnologien für die Robotik der Zukunft und ihre Marktmacht bei heute schon unerlässlichen digitalen Diensten Politiker und Unternehmen nicht beunruhigt. Das hat sich mit der Wahl Donald Trumps zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten am 5. November 2024 geändert. In zwei von drei Unternehmen hat dadurch das Vertrauen gelitten, das es in die USA hat, wenn dieses nicht sogar zerstört wurde. Das gaben die Teilnehmer einer Umfrage des Bitkom Anfang Dezember an. Mit 96 Prozent erwartete zudem sogar fast jeder Befragte von dem Wahlausgang „negative“ oder „sehr negative“ Auswirkungen auf sein Geschäft.

Das war noch bevor der US-Präsident der Welt den Zollkrieg erklärte. Seitdem ist nicht mehr auszuschließen, dass Trump auch Europas digitale Abhängigkeit in dem Konflikt ausnutzt. Den Zugang zu US-Technologie hat er bereits in seiner ersten Amtszeit als politisches Druckmittel missbraucht. Die Foreign-Direct-Product-Rule der USA gibt ihm dazu das rechtliche Mittel an die Hand. Sie erlaubt es, den Export von Technologien zu beschränken, wenn diese in den USA hergestellt wurden, oder bei ihrer Produktion Ausrüstung, Software oder geistiges Eigentum aus den Vereinigten Staaten verwendet wurde, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP. Ab 2018 untersagte Trump auf dieser Grundlage, Halbleitertechnologie nach China zu exportieren, und verbot US-Unternehmen 2019, Handel mit Venezuela zu treiben. Softwareanbieter Adobe sperrte seinen dortigen Kunden daraufhin den Zugang zu ihren bei dem Unternehmen gespeicherten Daten.

Jutta Horstmann, frühere Chefin des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung
Zitat

»Schluss mit der Naivität, dass es so schlimm schon nicht werden wird!«

Jutta Horstmann, frühere Chefin des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung
(Bild: ZenDiS)
Nick Kriegeskotte, Leiter des Bereichs „Digitale Souveränität, Infrastruktur und Regulierung“ beim Bitkom
Zitat

»Eine Abschaltung digitaler Dienste halte ich auch im aktuellen Handelskrieg nicht für allzu wahrscheinlich.«

 

Nick Kriegeskotte, Leiter des Bereichs „Digitale Souveränität, Infrastruktur und Regulierung“ beim Bitkom
(Bild: Bitkom)

Jutta Horstmann, bis Anfang April Vorsitzende der Geschäftsführung des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) – einer Agentur des Bundes – schließt nicht aus, dass Trump im Handelskrieg mit der EU ähnlich drastische Schritte ergreift. Die Mischung „aus atemberaubender Irrationalität und demokratieverachtendem Eigennutz“ des US-Präsidenten mache eine Prognose zwar schwer. „Deutschland und Europa haben aber viele offene Flanken – und wir müssen davon ausgehen, dass er sich jeder einzelnen davon bedienen wird, um seine Agenda durchzusetzen“, befürchtet Horstmann. Im Worst Case müssten wir uns darauf einstellen, dass Trump Cloud-Angebote abschalte.

Nick Kriegeskotte vom Bitkom teilt diese Sorge nicht. „Eine Abschaltung digitaler Dienste halte ich auch im aktuellen Handelskrieg nicht für all zu wahrscheinlich“, erklärt er. Denn der Handelsüberschuss der USA im Dienstleistungsbereich sei deutlich höher als bei anderen Produkten. „Die Vereinigten Staaten würden sich daher durch solch eine Maßnahme massiv selbst schaden. Immerhin ist der europäische Markt groß und trägt einen nicht unerheblichen Teil zu den Umsätzen von US-Technologiekonzernen bei“, so Kriegeskotte.

Europas digitale Abhängigkeit könnte zum politischen Problem werden

Die Chefs dieser Unternehmen stören sich allerdings schon länger daran, dass Brüssel ihren Sozialen Netzwerken und Online-Plattformen durch den Digital Markets (DMA) und den Digital Services Act (DAS) in Europa den Marktzugang erschwert. Zuletzt hat die EU gegen Meta, Google und Apple Verfahren wegen Verstößen gegen den DMA eingeleitet. Nach dem Wahlsieg Trumps hat die Kommission zwar nochmals überprüft, wie weit sie die Vorgänge vorantreiben will. Wie die Financial Times und Reuters im Januar berichteten, drängen Unternehmen wie Meta, Apple und Elon Musks Nachrichtendienst X aktuell dennoch weiter darauf, dass Präsident Trump die „Kontrolle“ von US-Technologieunternehmen durch die Digitalregulierung der EU unterbindet. Der Handelskrieg könnte dafür den Rahmen abgeben, Europas Abhängigkeit von digitalen Technologien und Dienstleistungen aus den USA den benötigten Hebel.

Noch bleibt abzuwarten, ob der Konflikt wirklich bis zum Äußersten eskaliert. Die ehemalige ZenDiS-Chefin Jutta Horstmann warnte allerdings schon am Tag nach der Wahl Donald Trumps: „Schluss mit der Naivität, dass es so schlimm schon nicht werden wird!“

Wie auch immer. Fest steht auf jeden Fall schon jetzt: So wie sich Schaeffler klugerweise nicht mehr allein auf seine Kunden aus der Automobilindustrie verlässt, sollten auch deutsche Robotik-Unternehmen nicht mehr allein auf die USA als Lieferanten digitaler Dienstleistungen und Vorprodukte setzen. Die Zeiten der für beide Seiten nutzbringenden transatlantischen Technologiepartnerschaft sind wohl vorbei.

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