CEO Vention Etienne Lacroix

„Wir hoffen, dem Teil des deutschen Marktes helfen zu können, der noch nicht mit der Automatisierung begonnen hat. Dadurch können wir den Anteil an Herstellern erweitern, die gewinnbringend automatisieren und damit ihre internationale Wettbewerbs­fähigkeit stärken.“ (Bild: Vention)

Herr Lacroix, was macht Vention, warum wurde das Unternehmen gegründet und wie unterscheidet es sich von anderen in der Branche?  

Etienne Lacroix: Vention wurde 2016 von Max Windisch und mir in Montreal, Kanada, gegründet. Damals hatte ich durch meine Arbeit in der Fertigungsindustrie die Schwierigkeiten, die mit traditionellen Automatisierungsprozessen einhergehen, aus erster Hand erlebt. Max und ich gründeten Vention mit der Vision einer Welt, in der der Bau von Industrieanlagen genauso einfach und unterhaltsam ist wie das Bauen mit LEGO-Bausteinen. Heute sind wir der Verwirklichung dieser Vision sehr nahe. Unsere 330 Mitarbeitenden helfen mehr als 4 000 Kunden auf fünf Kontinenten und in 25 Fertigungsindustrien dabei, ihre Produktion in nur wenigen Tagen zu automatisieren. Unsere digitale Fertigungsautomatisierungsplattform MAP ermöglicht es, automatisierte Geräte direkt über ihren Webbrowser zu entwerfen, zu automatisieren, zu bestellen und zu implementieren. Durch die Kombination von 3D-Design, codefreier Industrieprogrammierung, E-Commerce-Logistik und einer Bibliothek mit über 2 000 modularen Automatisierungskomponenten gehen die industriellen Automatisierungsprojekte bis zu dreimal schneller voran, und das zu 40 % geringeren Kosten.

Warum ist der deutsche Markt für Robotik und Automatisierung für ein kanadisches Tech-Unternehmen wie Vention interessant?  

Lacroix: Deutschland gilt als Geburtsort der industriellen Automatisierung. Mit seiner langjährigen Geschichte und Expertise in diesem Bereich hat es sich zu einem florierenden und dynamischen Markt für Robotik- und Automatisierungstechnologien entwickelt. Darüber hinaus ist Deutschland der stärkste Wirtschaftsstandort in Europa. Wir wussten, dass wir hier eine starke physische Präsenz brauchten, um auf dem europäischen Markt weiterzuwachsen und auch unseren bisherigen Kundenstamm in Frankreich und Großbritannien zu erweitern. Unsere Präsenz in Deutschland ist strategisch vorteilhaft, um diese Kunden besser bedienen zu können.

Welche Rolle spielt der deutsche Mittelstand bei Ihrer Entscheidung, in den ­deutschen Markt einzusteigen?  

Lacroix: Der deutsche Mittelstand steht vor der gleichen Herausforderung wie der Mittelstand in Nordamerika. Der Talentmangel, die Gehaltsinflation und der Kostendruck sind vergleichbar. Wir können durch die digitale Umgebung der Plattform erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen erzielen. Kurz gesagt: Die Plattform hilft mittelständischen Unternehmen, ihre Rentabilität zu erhöhen.

 

Welche konkreten Schritte oder Strategien plant Ihr Unternehmen, um in die DACH-Region zu expandieren?
Lacroix: Wir haben einen Standort in Berlin eröffnet, der als zentraler Knotenpunkt für unsere europäischen Aktivitäten dient. Zusätzlich haben wir unser Vention-Partnernetzwerk erweitert und nehmen hierzulande verstärkt an diversen Branchenveranstaltungen teil.

Wie sehen Sie die Konkurrenz in Deutschland, etwa durch große Konzerne wie ­Siemens, die vor einigen Wochen eine neue Kooperation mit Intrinsic bekannt­gegeben haben?

Lacroix: Das Leistungsversprechen von Vention unterscheidet sich von dem traditioneller Automatisierungsanbieter. Während sich größere Anbieter häufig auf Kapazitäten mit hohem Durchsatz konzentrieren, erschließt Vention ein bisher unterversorgtes Marktsegment. Diese Hersteller können von Automatisierungslösungen stark profitieren, verfügen jedoch möglicherweise nicht über die Ressourcen oder das Fachwissen, um komplexe Systeme zu implementieren, die ein hohes Maß an Integration erfordern. Der maßgeschneiderte Ansatz von Vention für diesen spezifischen Markt bietet Zugang
zu einfacheren und kostengünstigeren ­Automatisierungslösungen, die den speziellen Anforderungen kleinerer Hersteller gerecht werden.

Der Branchenverband VDMA warnte kürzlich davor, dass China Deutschland noch in diesem Jahr bei der Roboterdichte über­holen wird. Teilen Sie diese Einschätzung?

Lacroix: Es ist durchaus möglich. Der chinesische Markt hat neue Technologien schnell übernommen, und die schiere Zahl der produzierenden Unternehmen könnte zu einer höheren Roboterdichte führen und möglicherweise Deutschland überholen. Wir hoffen aber, dem Teil des deutschen Marktes helfen zu können, der noch nicht mit der Automatisierung begonnen hat. Dadurch können wir den Anteil an Herstellern erweitern, die gewinnbringend automatisieren und damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Wäre der chinesische Markt für Ihr ­Unternehmen nicht verlockender als der deutsche Markt?  

Lacroix: Aufgrund seiner beeindruckenden technologischen Innovationsgeschichte ist Deutschland die logische erste Expansion für Vention. Deutschland ist das Tor zur Automatisierung in Europa und wir haben hier bereits seit Längerem bedeutende Kunden, die wir zuvor aus Nordamerika betreut haben.
Daher war die Eröffnung eines Standorts in Deutschland für uns eine naheliegende strategische Entscheidung. Die Besonderheit von Vention lag schon immer in der Schnelligkeit und Einfachheit, was bei unseren europäischen Kunden genauso gut ankommt wie bei unseren nordamerika­nischen. Durch unsere Präsenz vor Ort können wir eine Lieferzeit am gleichen Tag anbieten wie in Nordamerika. Wir konzen­trieren uns darauf, von Deutschland aus unsere Marktposition in Europa weiter auszubauen.

‚Made in Germany‘ steht weltweit für Qualität, vor allem im Maschinenbau und in der Produktion. Gilt das aus Ihrer Sicht auch noch in Zeiten der Digitalisierung?
  
Lacroix: Deutschland ist nach wie vor ein Vorreiter bei der industriellen Automatisierung und ich bin sicher, dass das Land auch eine bedeutende Rolle bei der weiteren Digitalisierung der Branche spielen wird. Das bekannte Label ‚Made in Germany‘ hat international eine sehr große Strahlkraft, gerade in Segmenten wie der Produktion und dem Maschinenbau. Aber natürlich verfügt auch ‚Made in Canada‘ über eine starke Tradition hochwertiger Produkte, insbesondere in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Telekommunikation.
Dieser Ruf hat sich auch auf aufstrebende Bereiche wie KI und Games ausgeweitet. Mit unseren Kunden in Deutschland wollen wir das Beste aus beiden Welten zusammen­führen. ‚Made in Germany‘ plus ‚Made in ­Canada‘ ist eine große Chance für die indus­trielle Automatisierung.

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