Die steigenden Anforderungen bergen aber auch Chancen. Eine Mischung aus Applikationsknowhow, Fachwissen und der Fähigkeit „Trends im Zusammenhang zu deuten und entsprechend umzusetzen, ergeben die Möglichkeit, mit einer Dichtungsentwicklung einen Trend zu unterstützen oder auch einen neuen Trend zu schaffen, indem bekannte dichtungsrelevante Limitierungen verschoben oder aufgehoben werden können“, ist Mandy Wilke überzeugt.
Die Entwicklung neuer Werkstoffe sieht Berger von Isgatec als den zentralen Innovationstreiber. „Leider fehlen in vielen Industrieunternehmen Spezialisten mit dem entsprechenden Know-how, um dieses Potenzial nutzen zu können.“ Genau diese werden auch gefragt sein für den Einsatz ganz neuer Techniken wie den 3D-Druck von Dichtungen. Zumindest theoretisch eröffneten sich hier völlig neue Ansätze der Konstruktion von Dichtungsstellen. Berger: „Inwieweit dies von den Konstrukteuren in den nächsten Jahren genutzt wird, bleibt abzuwarten.“
Aktuelle Beispiele aus der Dichtungsentwicklung
Peter Renz von Elring-Klinger nennt ein konkretes Beispiel für die Weiterentwicklung einer bewährten, aber angepassten Technologie: „Unsere Metaloflex-Zylinderkopfdichtung mit geprägtem, topographisch gestaltetem Hauptschlussstopper passt die Dichtung perfekt an Bauteilsteifigkeiten an – und das zu optimierten Kosten.“
Ganz aktuell stellte Freudenberg Anfang des Jahres auf der North American International Auto Show in Detroit neu entwickelte, effizientere Dichtungen für ein neues Zehngang-Automatikgetriebe vor. Es steht beispielhaft für das Erfüllen steigender Anforderungen. Das Getriebe darf nicht wesentlich schwerer sein als eines mit sechs Gängen. Das hat Auswirkungen auf die Getriebedichtungen, die über Funktion und Lebensdauer des Getriebes mitentscheiden. Sie müssen nicht nur möglichst leicht sein, sondern wegen der geringeren Getriebeölmengen in modernen Getrieben auch höheren Temperaturen und damit Belastungen standhalten.
Mit speziellen Materialien und neuen Dichtungsgeometrien konnte der Hersteller diese Anforderungen erfüllen. So ersetzt zum Beispiel eine hochtemperaturbeständige Kunststoffabdeckung, in die alle Dichtungen bereits integriert sind, den bisher in Getrieben verwendeten Metalldeckel für die vordere Gehäuseabdeckung. Der hohe Integrationsgrad vereinfacht die Montage und verringert zudem die Gefahr, dass der Dichtring während des Getriebe-Zusammenbaus verrutscht.
Stichwort Montage: Die Dichtungstechnik kann auch die wirtschaftliche Effizienz verbessern. So lassen sich durch für die jeweilige Anwendung maßgeschneiderte Werkstoffe Instandhaltungs- und Wartungszeiten auf ein Minimum reduzieren. Darauf weist Michael Krüger von COG, hin.
Auch SKF Economos begegnet den höheren Anforderungen unter anderem mit weniger oder einfacherer Montage sowie längeren Laufzeiten.
Einsatzgebiet der Polyurethane erweitern
Mandy Wilke von Trelleborg sieht in verbesserten Schmierbedingungen einen Ausweg für Limitierungen der Polyurethane bei höheren Temperaturen. „Im Kontaktbereich einer druckbelasteten Hydraulikdichtung sind sie die logische Konsequenz für eine gesteigerte Leistungsfähigkeit.“ Entsprechend entwickelt Trelleborg eine neue Philosophie für Stangen-Dichtsysteme, das ‚Lubrication Management‘. Immerhin um die Hälfte soll es das Niveau der Reibkräfte reduzieren und so beschränkende Grenzen für Geschwindigkeit, Druck oder auch Temperatur erweitern.
Aber auch die Robustheit bei der Montage und in der Anwendung werde immer wichtiger. „Durch die richtige Auswahl der Dichtungswerkstoffe sowie des Designs steigern wir die Robustheit und erreichen so eine möglichst große Prozesssicherheit.“ do