Atomexplosion

Wieviel "Antrieb" braucht es um einen 900kg schweren "Gullideckel" in den Weltraum zu schiessen? Antwort: MINDESTENS eine Atombombe. (Bild: gemeinfrei)

Die 1950er waren eine großartige Zeit: Die Welt erholte sich vom 2. Weltkrieg, die Wirtschaft boomte, die Supermächte begannen ihren Wettlauf ins All und Wissenschaftler hatten ein neues Spielzeug.
Atombomben
Allein die USA zündeten 187 Atombomben in den 1950ern – zu Testzwecken. Viele davon nicht weit von Las Vegas. Ja, ich glaube auch, dass das einiges erklärt.
Sinn des ganzen Unterfangens war, bestimme Effekte der Nuklearexplosionen zu erforschen. Hey, das war das Atomzeitalter. Es gab nicht nur Versuche für Atom-Flugzeuge und Atom-Autos, sondern auch eine ‚Miss Atomic-Bomb‘.

Viele Leute fanden das großartig und es machte Spaß, Sachen zu atomisieren – auch wenn einige Eierköpfe vor so spaßverderbenden Nachwirkungen wie Fallout oder Strahlung warnten. Wegen denen wurden im Endeffekt die oberirdischen Tests verboten und Atomtests sollten mit dem Eintreten des ‚Limited Test Ban Treaty‘ im
Jahre 1963 nur noch unterirdisch stattfinden. Schon Ende der 1950er hat man hinter vorgehaltener Hand aber schon eingesehen, dass das die oberirdischen Tests nicht die beste Idee war, die man je hatte, und begann schon mal, sich mit unterirdischen Tests auseinanderzusetzen.


Nur, man hatte keine Erfahrung oder auch nur Ahnung, welche Auswirkungen solche unterirdischen Atomexplosionen haben könnten. So nach dem Roland-Emmerich-Motto: Brechen wir die Erdkruste auf und erschaffen aus Versehen einen Supervulkan in Nevada? Wie tief soll man das Loch graben? Und kann man zu tief graben und weckt Dinge auf, die nie die Erdoberfläche sehen sollten? Diese närrischen Tucks hatten wirklich keine Ahnung.
Also gründeten sie einen Arbeitskreis – Operation Plumbbob. Dieser befasste sich allerdings nicht nur mit den Auswirkungen einer Zündung von unterirdischen Atombomben, sondern zum Beispiel auch mit der Wirkung von radioaktiver Strahlung auf Schweine. Und ja. Taten sie. Sie atombombten Schweine.

Wie dem auch sei – wichtig war es für Operation Plumbbob herauszufinden, wie der nukleare Fallout unter der Erde bleibt. Daher gab es mehrere Tests. Es wurde also ein Loch gebohrt. 147 Meter tief. Die Bombe am Boden und oben ein Deckel auf das Loch drauf. Einmal den roten Knopf gedrückt und ‚Great Success‘. Der zuständige Ingenieur meinte, es habe wie ein großes römisches Licht ausgesehen. Natürlich blieb der aus Stahl gefertigte Deckel für das Bohrloch nicht an seinem Ort und gefunden wurde er auch nicht.
Und Wissenschaftler wären keine Wissenschaftler, wenn sie nicht herausfinden wollten, was mit dem Stahldeckel passiert ist. Einer der Wissenschaftler meinte dann wohl frei nach Colonel Jack O’Neill aus Stargate: „Heute ist wohl so ein Tag, an dem eine Atombombe nicht reicht. Also nehmen wir zwei.“
Gesagt, getan. Ein zweites Loch wurde gebohrt und mit einem weiteren ‚Gullideckel‘ das Loch verschlossen und Hochgeschwindigkeitskameras aufgestellt – NUR um zu sehen, was mit dem Deckel passiert. Ja, fühlt sich ein wenig nach Mythbusters mit Atomwaffen an.


Kamera läuft, Action! Roter Knopf! Und siehe da, man sieht nichts. Die runde Stahlplatte wurde wieder nirgends gefunden. Nachdem die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen entwickelt wurden und man sich den Film angesehen hatte, wusste man auch warum.
Die Kamera konnte ein Bild je Millisekunde aufnehmen, der Deckel war nur auf einem Bild des ganzen Filmes zu sehen, und da wohl auch nur teilweise. Berechnungen zufolge hatte der Deckel zu dem Zeitpunkt der Aufnahme mindestens eine Geschwindigkeit von mehr als 200 000 Stundenkilometern! Oder 5 x die notwendige Geschwindigkeit, um die Erdanziehungskraft zu überwinden.

Kein Wunder, dass die Wissenschaftler die Gullideckel nicht gefunden haben: Sie haben sie im wahrsten Sinne des Wortes in den Weltraum geschossen. Und das zwei Monate, bevor die Sowjets mit Sputnik die Welt geschockt haben. Sollten Außerirdische jemals unser Sonnensystem besuchen, vielleicht lange, nachdem die Menschheit aufgehört hat zu existieren, finden sie ein rotes Cabrio mit einer Schaufensterpuppe, einen Haufen Schrott und einen Gullideckel. Das sollte für einiges Kopfzerbrechen sorgen.

Bernhard Richter verantwortlicher Redakteur keNEXT
(Bild: B.Richter)

Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.

Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.

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