Gibt es dann für den Konstrukteur bestimme Hilfsmittel? Welche Daten er zum Beispiel braucht und erste Schritte, wie er anfangen kann?
Um dem Konstrukteur zu helfen, haben wir in unserer NX-Suite für die Produktentwicklung eine konstruktionsnahe Topologie-Optimierung zugefügt. Das nennt sich einfach Topologie-Optimierung für den Konstrukteur. Die Topologie-Optimierung wird der nächste Schritt zur konstruktiven Tätigkeit sein. Die Computer-Algorithmen sind so intelligent, dass diese für den Konstrukteur die Form definieren können. Der Konstrukteur muss solche Formen nach Last, Gewicht und Zielstärke nicht mehr selbst berechnen. Er muss lediglich Kräfte und Momente angeben, und dann formt der Computer-Algorithmus aus dem angegebenen Bauraum ein lastoptimiertes Bauteil.
Das kann unterschiedlich aussehen, ist dann aber optimal bezüglich Funktion, Gewicht, Last und Übertragungswert ausgelegt. Wir geben dem Konstrukteur dieses Werkzeug an die Hand, sodass er mit diesem Wissen den 3D-Druck befeuern kann. Er kann einfach seinen Bauraum zusammenstellen und während seiner Konstruktion diese „moderne“ Technik anwenden. Früher hat man noch eine Schraubenverbindung nach einem Tabellenbuch ausgelegt; das überlässt man heute ebenfalls moderner Berechnungssoftware.
Das heißt, diese Algorithmen sind so intelligent, dass sie bei Fehlkonstruktionen Bescheid geben und andere Vorschläge machen? Sozusagen als Entwicklungspartner fungieren?
Genau, man könnte es auch ein Stück weit als eine künstliche Intelligenz bezeichnen. Die Algorithmen sind so schlau, dass sie Bescheid geben, wenn zum Beispiel bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind, dass ein anderer Bereich lastgefährdet wäre. Dann bekommt der Konstrukteur eine Meldung, dass die Übertragung der Last eben in diesem Bereich nicht gewährleistet ist. Hier ist also gewissermaßen eine FEM-Berechnung beinhaltet. Auch die Auslenkung wird sofort angezeigt, also wie stark verbiegt sich der Körper in diesem Bereich. Das alles ist in diesem Umfang ein Stück weit eine künstliche Intelligenz. Der Konstrukteur kann nicht mehr einfach eine Form konstruieren, sondern er benötigt diese Algorithmen. Die Software ist notwendig, damit ein Konstrukteur diese Konstruktionen durchführen kann. Das normale Modellieren und Selbstgestalten wird teilweise von der Software übernommen.
Das ist ja in dieser Hinsicht auch eine Arbeitserleichterung.
Das ist auf jeden Fall eine Arbeitserleichterung. Der Konstrukteur kann viel mehr Energie in mögliche Varianten einbringen, die er so vorher nicht gemacht hätte. Er kann ganz früh unzählige Designvarianten ausprobieren. Das ist eine Art Generative-Design-Ansatz, der sich immer mehr in der Industrie etabliert. Der Konstrukteur kann auch naturorientierte Konstruktionsformen ausprobieren und dann die beste Variante aussuchen. Das konnte er früher nie, weil es zu lange gedauert hat. Aber der Computer-Algorithmus kann das schnell umsetzen und im Nachgang beurteilen, ob es passt.
Mehr zu 3D
Mehr zum Thema 3D-Druck finden Sie hier in unserem exklusiven Special. Darin finden Sie unter anderem Themen zum automatisierten 3D-Druck, aktuelle Zahlen und Interviews mit German RepRap und Prof. Frank Brückner über die Prozentiale der additiven Fertigung.
Wenn der Konstrukteur das Modell erstellt hat, wie entscheidet er dann, welches Druckverfahren am besten geeignet ist?
Das muss man schon am Anfang mit in Betracht ziehen: in welche Richtung gehe ich, in welcher Industrie bin ich unterwegs und was will ich wie umsetzen? Es gibt verschiedene Fertigungsverfahren. Zum Beispiel das Powder-Bed- Fusion-Verfahren, wo ich über einen Laserstrahl geschichtetes Pulver aufschmelze. Es geht sowohl mit Metallpulver als auch mit Kunststoffpulver. gewähBegrenzungen gibt es heute noch im Bauraum und bei den Kosten. Man kann heute einen maximalen Bauraum von 300 x 300 Millimeter drucken. Viel mehr geht noch nicht, weil die Technik noch nicht so weit ist. Man muss als Konstrukteur natürlich das Material im Fokus haben, auch da hilft mir der Algorithmus bei der Auswahl.
Zum Metallpulver und Kunststoffverfahren wird ein neues Verfahren von HP hinzukommen, dass sich in dem Bereich Binder Jetting etablieren wird. In einem Pulver wird praktisch noch eine Art Agent-Sprühflüssigkeit mit eingebracht, die auf molekularer Ebene den Kunststoff beeinflussen kann. Das heißt, Sie können Kunststoff in seiner physikalischen Eigenschaft beeinflussen, zum Beispiel, ob er leitfähig wird. Das eröffnet enorme Möglichkeiten. Sie können zum Beispiel intelligente Bauteile drucken, die keine Steckverbindungen mehr von außen benötigen. Statt dessen drucken Sie diese Steckverbindungen mit ein. Sie können auch eine Leiterplatine oder eine stromleitfähige Faser eindrucken, die bei der Verbiegung automatisch den Stromfluss so reguliert, dass das Bauteil sich selbst überwachen kann. Sie können ebenfalls für die Flugzeugindustrie Sensoren dort eindrucken, wo Bauteile über ihren Wartungszustand informieren. Das ist dann auch schon wieder eine Art Intelligenz, die wir dem Bauteil in einem einzigen Schritt mitgeben können.
Heute müssen wir viele Einzelteile zusammenfügen. Und mit dem 3D-Druck haben sie ein Bauteil, das schon aus sich heraus intelligent ist. Das heißt, der Konstrukteur muss sich alle Verfahren anschauen, entscheiden, in welche Richtung er gehen will und das optimale Verfahren aussuchen.
Wie können sich Konstrukteure für die 3D-Druck-Konstruktion fit machen?
Wir als Siemens PLM Software arbeiten mit vielen verschiedenen Firmen und Institutionen zusammen. Mit dem Laserzentrum Nord und unserem Schulungspartner NEXEO, bieten wir ein Praxistraining für den industriellen 3D-Druck an. Hier bekommen Konstrukteure zwei Tage lang gezeigt, was es bedeutet, additiv zu denken. Das ist ein Augenöffner. Wir selbst haben unsere Kollegen aus der Technik in diesen Kursen für den 3D-Druck fit gemacht.