Hirotaka Sato war in Tokio, als sich das Erdbeben im März 2011 ereignete. Die Erschütterungen zerstörten Zehntausende von Gebäuden und lösten einen Tsunami aus, der die Ostküste Japans verwüstete, darunter auch das Kernkraftwerk Fukushima. Mehr als 18.000 Menschen starben oder wurden nie gefunden. Als Sato die verzweifelten Such- und Rettungsaktionen beobachtete, dachte er: „Ich muss eine Technologie entwickeln, um Menschen zu retten.” Er dachte an einen Schwarm lebender Kreaturen, die durch die Trümmer wuseln und bei Bedarf durch ferngesteuerte Elektroden, die in das Nervensystem der Insekten implantiert sind, gesteuert werden. Die Kreaturen würden Sensoren tragen, die in der Lage sind, Überlebende zu identifizieren, sowie Sender, die den Rettungskräften ihren Standort mitteilen.
Die Richtung der Kakerlake kann per Knopfdruck geändert werden
Sato ist heute Ingenieur an der Nanyang Technological University in Singapur. Er hat sich für die Madagaskar-Schabe (Gromphadorhina portentosa) als Basis für seine Rettungseinheit entschieden. Diese fünf Zentimeter langen Kreaturen können bis zu 15 Gramm an eingebauter Technologie tragen, die derzeit eine Infrarotkamera und einen Prozessor umfasst, der in der Lage ist, lebende Menschen zu erkennen. Zur Fernsteuerung und zur Stimulation der Beine greift das Team auf Arduino-Technik zurück. Zur Fernsteuerung setzen sie einen Arduino UNO ein, der ein Wireless-Funkmodul NRF24L01+ ansteuert. Satos Team kann die Insekten aus der Ferne nach links, rechts und vorwärts lenken oder sie selbstständig zu programmierten Zielen navigieren lassen. Die Forscher arbeiten jetzt daran, die Ortungs- und Kommunikationssysteme zu verfeinern, damit die Cyborg-Kreaturen den Rettungskräften mitteilen können, wo sie hilfsbedürftige Personen finden können.
Sato hat an den Körperteilen des Insekts Elektroden angebracht, die entweder von einem ferngesteuerten menschlichen Bediener oder dem Bordcomputer gesteuert werden können. Wenn man die Berührungsrezeptoren oder Muskeln auf der linken Seite der Schabe elektrisch stimuliert, bewegt sich das Insekt nach rechts und umgekehrt. „Wir nutzen das natürliche Verhalten des Insekts, um eine Drehung auszulösen”, sagt Sato. Gleichzeitige Stimulation der linken und rechten Bewegung bringt die Schabe in Bewegung. Die neuesten Prototypen der Gruppe nutzen Navigationsalgorithmen, die von einem Bordcomputer ausgeführt werden, um die Richtung des Insekts entsprechend den Erkennungen der Infrarotkamera zu steuern. Die Vermeidung von Hindernissen wird dadurch erreicht, dass die Bewegung der Schabe überwacht wird. Wenn sie durch ein Hindernis zum Stillstand kommt, weist der Navigationsalgorithmus das Insekt an, sich von dem Hindernis zu entfernen und einen Weg darum herum zu finden.
Sato sagt, dass kleine vollsynthetische Roboter, die sich immer schneller entwickeln, sich in ähnlichen Umgebungen genauso gut bewegen könnten. Aber Cyborg-Insekten könnten einen großen Vorteil haben: die Betriebszeit.
„Wir können ja nur eine kleine Batterie in einen kleinen Roboter einbauen”, sagt Sato. Die Batterie muss nämlich nicht nur das Fortbewegungssystem des Roboters mit Strom versorgen, sondern auch die Geräte, die die Nutzlast bewegen. Und weil die Batterie dafür nicht besonders groß sein kann, können sich künstliche Roboter nur wenige Minuten lang bewegen. Cyborg-Insekten können sich durch Essen und Trinken fortbewegen. Die kleinen Bordbatterien müssen also nur die Sicht- und Kommunikationssysteme sowie die Geräte mit geringer Wattzahl versorgen, die die Insekten steuern.
Die neuesten Prototypen seines Teams halten etwa acht Stunden durch, aber Sato hofft, dass sich diese Zeitspanne in Zukunft noch erheblich verlängern lässt. Er will die Energie für die Nutzlast aus der Sonne oder aus der Hämolymphe der Insekten gewinnen, also dem wirbellosen Äquivalent von Blut. Er hofft, dass er diese biohybriden Maschinen in den nächsten drei bis fünf Jahren in Katastrophengebieten einsetzen kann.
Die Studie kann hier abgerufen werden.