Disketten: Für die jungen unter uns eine dreidimensionale Darstellung des Speichern-Symbols, für die älteren sind sie ein nostalgisches Relikt aus der Kindheit, das Erinnerungen an pixelige Computerspiele weckt. Für wieder andere hingegen sind sie ein lästiges Überbleibsel vergangener Zeiten, das entsorgt werden sollte.
Auch der frühere japanische Verteidigungs- und Außenminister Taro Kono, der inzwischen als Digitalminister tätig ist, hat Disketten den Kampf angesagt. Laut einem Tweet von Kono Ende August 2022 werden in Japan immer noch über 1.900 Verwaltungsprozesse mit Disketten abgewickelt, und auch Bürger reichen ihre Dokumente nach wie vor auf Disketten ein. Dabei werden seit 2011 keine neuen Disketten mehr produziert.
Das heisst also, dass alle in Japans Behörden im Umlauf befindlichen Disketten somit mindestens elf Jahre alt sind und damit ein gigantisches Sicherheitsrisiko. Dennoch finden sie selbst in Hightech-Branchen noch Verwendung und genießen dort großes Vertrauen als Datenträger des vergangenen Jahrhunderts.
Disketten kommen noch immer zum Einsatz
Klar, jeder Retrogamer und Nerd über einem bestimmten Alter hat noch einige davon in den Office-beigen Diskettenboxen auf dem Dachboden stehen – auch der Autor -, aber dass die größte aktive Nutzergruppe im Jahre 2024 die Industrie ist, macht einen beinahe sprachlos.
Disketten werden in Maschinen eingesetzt, die vor der Jahrtausendwende gebaut wurden und heute noch unersetzlich sind. Vor allem in der Stickereibranche, im Werkzeugbau und in der Luftfahrt werden diese Industriemaschinen noch vielfach eingesetzt.
Eine Umstellung wäre mit enormen Kosten und Aufwand verbunden. Der Boeing-Großraumjet 747-400 - die Modelle wurden erstmals Ende der 1980er Jahre gebaut - wird beispielsweise noch heute mit Disketten gefüttert. Techniker updaten die Datenbanken der Flugzeuge regelmäßig mit 3,5-Zoll-Disketten. Alle 28 Tage muss die Datenbank in diesen Maschinentypen mit frischen Werten aktualisiert werden. Dazu wurde damals ein herkömmliches Diskettenlaufwerk eingebaut, das auch heute noch verwendet wird.
Die 747-400 ist bei weitem nicht das einzige Verkehrsflugzeug, dessen Bordcomputer regelmäßig mit Disketten aktualisiert wird. In einem Bericht von Aviation Today heißt es, dass beim Großteil der Boeing 737-Flotte die Software immer noch mit Disketten auf dem neuesten Stand gehalten wird.
Nicht nur die Systeme des Jumbo-Jets sind auf die alten Disketten angewiesen. Auch auf der ISS sind Disketten fast allgegenwärtig. 2018 fanden Astronauten auf der Raumstation eine Mappe mit zahlreichen Disketten. Unter anderem eine "Norton Utilities for Windows 95/98". Andere Disketten tragen das NASA-Logo und die Namen Sergei und Shep. Sie stammen vermutlich von der Expedition 1 im Jahr 2000, als sich der amerikanische Astronaut William Shepherd und der russische Kosmonaut Sergei Krikalev auf der Internationalen Raumstation befanden.
Atomraketenstart per Diskette
Bis vor wenigen Jahren wurden auch Atomwaffen mithilfe von Disketten gesteuert. Da die dafür verwendeten Computer noch aus den 70er Jahren stammten, musste man auf die alten Speichermedien zurückgreifen. Immerhin hat das US-Militär eingesehen, dass dies nicht mehr ganz zeitgemäß ist und durch einen Workaround die Verwendung von Disketten überflüssig gemacht. Die Computer sind allerdings
So wie dem US-Militär geht es auch vielen Unternehmen. Auch ihre Computer stammen aus längst vergangenen Zeiten und werden deshalb noch heute mit Disketten betrieben. Immer noch die aus den 70er Jahren. Doch woher soll man heute noch frische Disketten bekommen?
Verbatim stellt auch heute noch Disketten im 3,5-Zoll-Format her. Wer heute die guten alten Disketten kaufen will, muss allerdings für absurd wenig Speicherplatz absurde Beträge ausgeben. Ein 10er-Pack Disketten mit je 1,44 Megabyte Speicherplatz kostet bei Amazon derzeit knapp 40 Euro.
Zauberwort: Retrofit
Glücklicherweise für die Betreiber alter Maschinen (und Nerds, die mit absurden Preisen für obsolete Hardware zu kämpfen haben) gibt es sogenannte USB-Diskettenlaufwerksemulatoren. Sie sind so groß wie ein Standard-Diskettenlaufwerk, haben die gleichen Anschlüsse, werden aber mit USB-Sticks gefüttert. Keine beweglichen Teile, mehr Zuverlässigkeit und vor allem mehr Speicherplatz für wenig Geld.
Und das funktioniert sogar mit dem alten Amiga 500 des Autors – aber das ist eine andere Geschichte.
Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.
Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.