Tufts University

Ein flüssiger Strahl einer Seidenlösung verfestigt sich zu einer Faser, haftet an einem Laborglasbecher und hebt ihn an. (Bild: Marco Lo Presti / Tufts University)

Jedes Kind, das jemals einen Spider-Man-Comic gelesen oder einen Spider-Man-Film gesehen hat, hat versucht, sich vorzustellen, wie es wäre, ein Netz aus dem Handgelenk zu schießen, über Straßen zu fliegen und Bösewichte zur Strecke zu bringen. Forscher an der Tufts University haben diese Vorstellungen ernst genommen und die erste Netzschleudertechnologie entwickelt, bei der ein flüssiges Material aus einer Nadel geschossen wird, das sich sofort zu einem Faden verfestigt, an Gegenständen haftet und diese anhebt.

Die klebrigen Fasern, die im Silklab der Tufts University hergestellt werden, stammen aus den Kokons von Seidenspinnern, die in einer Lösung gekocht und in ihre Bausteine, das Fibroin, zerlegt werden. Die Seidenfibroinlösung kann durch Nadeln mit engen Löchern zu einem Faden extrudiert werden, der sich mit den richtigen Zusätzen an der Luft zu einer Faser verfestigt.

Natürlich ist die Natur die ursprüngliche Inspiration für die Verwendung von Seidenfasern in Seilen, Netzen und Kokons. Spinnen, Ameisen, Wespen, Bienen, Schmetterlinge, Motten, Käfer und sogar Fliegen können irgendwann in ihrem Leben Seide produzieren. Die Natur hat Silklab auch dazu inspiriert, Pionierarbeit bei der Verwendung von Seidenfibroin zu leisten, um leistungsstarke Klebstoffe herzustellen, die unter Wasser funktionieren, druckbare Sensoren, die auf praktisch jeder Oberfläche angebracht werden können, essbare Beschichtungen, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern können, ein lichtsammelndes Material, das die Effizienz von Solarzellen erheblich steigern könnte, und nachhaltigere Methoden zur Herstellung von Mikrochips.

Während die Forscher mit seidenbasierten Materialien große Fortschritte erzielt haben, ist es ihnen noch nicht gelungen, die Fähigkeit der Spinnen nachzuahmen, die Steifigkeit, Elastizität und Hafteigenschaften der von ihnen gesponnenen Fäden zu kontrollieren.

Der Durchbruch kam durch Zufall. „Ich arbeitete an einem Projekt zur Herstellung extrem starker Klebstoffe aus Seidenfibroin, und als ich meine Glasgeräte mit Aceton reinigte, bemerkte ich, dass sich am Boden des Glases ein netzartiges Material bildete“, erzählt Marco Lo Presti, wissenschaftlicher Assistenzprofessor an der Tufts University.

Durch diese zufällige Entdeckung konnten mehrere technische Herausforderungen bei der Nachbildung von Spinnenfäden überwunden werden. Lösungen von Seidenfibroin können langsam über mehrere Stunden ein halbfestes Hydrogel bilden, wenn sie organischen Lösungsmitteln wie Ethanol oder Aceton ausgesetzt werden. Bei rascher Zugabe des organischen Lösungsmittels bildete die Seidenlösung schnell Fasern mit hoher Zugfestigkeit und Klebrigkeit. Dopamin und seine Polymere nutzen die gleiche Chemie wie Seepocken, um Fasern zu bilden, die fest an Oberflächen haften.

Im nächsten Schritt wurden die Fasern an der Luft gesponnen. Die Forscher fügten der Seidenfibroinlösung Dopamin hinzu, das den Übergang vom flüssigen in den festen Zustand zu beschleunigen schien, indem es der Seide Wasser entzog. Wird ein dünner Strahl der Seidenlösung durch eine koaxiale Nadel geschossen, wird er von einer Acetonschicht umgeben, die die Verfestigung auslöst. Das Aceton verdampft an der Luft und hinterlässt eine Faser, die an jedem Gegenstand haftet, mit dem sie in Berührung kommt. Die Forscher verstärkten die Seidenfibroin-Dopamin-Lösung mit Chitosan, einem Derivat des Insektenexoskeletts, das den Fasern eine bis zu 200-fach höhere Zugfestigkeit verleiht, und mit Boratpuffer, der die Haftung um das 18-fache erhöht.

Der Durchmesser der Fasern konnte je nach Bohrung der Nadel zwischen dem eines menschlichen Haares und etwa einem halben Millimeter variiert werden.

Das Gerät kann Fasern verschießen, die unter verschiedenen Bedingungen Gegenstände mit dem 80-fachen ihres Eigengewichts tragen können. Die Forscher demonstrierten dies, indem sie einen Kokon, einen Stahlbolzen, ein auf dem Wasser schwimmendes Laborröhrchen, ein teilweise in Sand eingegrabenes Skalpell und einen Holzblock aus einer Entfernung von etwa 12 Zentimetern aufnahmen.

Lo Presti sagte: „Wenn man sich die Natur anschaut, sieht man, dass Spinnen ihre Netze nicht schießen können. Normalerweise spinnen sie die Seide aus ihrer Drüse, berühren eine Oberfläche und ziehen Linien, um ihr Netz zu bauen. Wir demonstrieren eine Möglichkeit, eine Faser aus einer Apparatur herauszuschießen, die dann an einem Objekt haften bleibt und es aus der Entfernung aufnimmt. Das ist kein biologisch inspiriertes Material, sondern ein von Superhelden inspiriertes Material."

Natürliche Spinnenseide ist immer noch etwa 1000 Mal stärker als die künstlichen Fasern in dieser Studie. Aber mit etwas mehr Fantasie und Technologie wird diese Erfindung sicherlich noch besser werden und den Weg für eine Vielzahl von technologischen Anwendungen ebnen. Vielleicht auch für einen echten Spider-Man.

„Als Wissenschaftler und Ingenieure bewegen wir uns an der Grenze zwischen Fantasie und Praxis. Darin liegt die ganze Magie“, sagte Fiorenzo Omenetto, Frank C. Doble Professor of Engineering an der Tufts University und Direktor des Silklab. „Wir können uns von der Natur inspirieren lassen. Wir können uns von Comics und Science Fiction inspirieren lassen. In diesem Fall wollten wir unser Seidenmaterial so entwickeln, dass es sich so verhält, wie es die Natur ursprünglich entworfen hat und wie es sich Comic-Autoren vorgestellt haben“.

Die Forschungsergebnisse wurden in Advanced Functional Materials veröffentlicht.

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