blaue LED

Was macht das blaue Licht? Es leuchtet blau. (Bild: gemeinfrei)

Diese Geschichte ist (ausnahmsweise) keine von Fehlschlägen, Tod und Verderben, die durch Unachtsamkeit oder Unvermögen in der Konstruktion und Entwicklung verursacht wurden. Nein, diesmal geht es um einen Erfolg, der aber nur möglich war, weil einige wenige durch die Konstruktionshölle gingen – darin aber nicht umkamen, sondern die Welt besser gemacht haben. Muss auch mal sein.

So kam es, dass im Jahre 1907 der britische Erfinder H. J. Round Strom an einen Siliciumcarbid-Kristall anlegte – ein Material, das damals wie heute wegen seiner abrasiven Eigenschaften und seines hohen Schmelzpunktes verwendet wurde. Zu seiner Verwunderung erzeugte die negativ geladene Nadelspitze seines Versuchsaufbaus einen grün glimmenden Leuchtdiodenübergang.

Die physikalischen Umstände dieses kalten Glimmens – initial „Elektroluminiszenz“ genannt – konnte sich Round nicht erklären und das Phänomen geriet in Vergessenheit. Immerhin musste sich der Radioingenieur Round um andere Projekte im Bereich der Nachrichtentechnik kümmern.

LEDs ohne Verwendung

Ende der 1920er Jahre experimentierte der junge Oleg Losev am ersten sowjetischen Radio-Laboratorium mit Strom und Siliciumcarbid-Kristallen. Wie schon Round vor ihm wollte auch er die Kristall-Radios optimieren, die zur damaligen Zeit weit verbreiten waren – deren Funktionsweise aber nicht verstanden wurde.

Auch Losev bemerkte das kalte Glimmen – im Gegensatz zu Round begann er aber das Phänomen zu erforschen. Richtigerweise erkannte er, dass es kein thermisches Phänomen war, sondern dass die Erklärung im neuen Forschungsfeld der Quantenmechanik lag. Zwischen 1924 und 1941 veröffentlichte Losev eine Reihe von Abhandlungen, die die Funktionsweise der Lichtquelle erklärten – allerdings sah niemand eine nützliche Verwendung dafür.

Brauchbare LEDs für 1.500 Dollar

So gerieten die LEDs wieder in Vergessenheit – bis in den 1960er Jahren Forschergruppen die Entwicklung von Halbleiter-Lasern weiter vorantrieben und die ersten wirklich nutzbaren LEDs quasi ein Abfallprodukt dieser Bemühungen waren. Diese ersten LEDs für Infrarot und sichtbares rotes Licht kamen zu horrenden Preisen auf den Markt. Die grüne LED folgte kurz danach.

Was es aber nicht gab, war die blaue LED – dabei brauchte man sie doch so dringend. Denn aus rot, grün und blau lässt sich Weiß (und jede andere Farbe) mischen.

Aber blau war fast unmöglich.

In den 60er Jahren wollte jeder große Technologiekonzern die blaue LED erfinden, denn sie wussten, dass der Erste damit Milliarden verdienen wird.

Das Problem war, dass es drei Probleme zu lösen galt:

  • Ein geeigneter Halbleiterkristall musste her, der die nötige Kristallperfektion hergibt und deren Energielücke die Wellenlänge für blau zulassen. Im Rennen waren Zinkselenid und Galliumnitrid
  • Für den Halbleiter muss neben der n-dotierten Seite eine p-dotierte Seite vorhanden sein. Weder für Zinkselenid noch für Galliumnitrid gab es das.
  • Und um kommerziell nutzbar zu sein, musste die blaue LED mindestens 1000 Mikrowatt Leistung haben – bisherige Prototypen kamen auf etwa 30 Mikrowatt

Nach Millionen, die an Forschungsgeldern ausgegeben wurde und Jahrzehnten der Forschung war man in den 1980er Jahren kaum weiter und die blaue LED nicht einmal ansatzweise in Reichweite.

Shuji Nakamura wusste das. Er arbeitete schon lange in einer Halbleiterfabrik, die hart unter der Konkurrenz litt. In einem letzten Befreiungsschlag gewährte die Leitung von Nichia rund 3 Mio. $ (15 % des Unternehmensumsatzes) damit er die blaue LED entwickeln konnte. Wer Japan kennt, weiß, welch ein Druck nun auf Nakamura lag.

Unter diesem immensen Druck und anderthalb Jahren knochenharter Arbeit schaffte es Nakamura mittels eines selbst entwickelten Kristallreaktors einen reinen Galliumnitrid-Kristall zu züchten.

Die Freude über den Erfolg währte aber nicht lange, da sein alter Chef und Mitstreiter in den Ruhestand versetzt wurde und nun der Sohn des Firmengründers nachrückte. Und der war ein harter Hund – ein knallharter BWLer der keinen Funken Ingenieur, Konstrukteur oder Entwickler in seinen Adern hatte. Und da Nakamuras Forschungen immer noch keinen Profit abwarfen – und weil Nichia immer noch tief in den roten Zahlen lag, orderte der Junior also die Einstellung des Projekts.

Jetzt tat Nakamura etwas Unglaubliches für einen Japaner: Er ignorierte die Weisung seines Vorgesetzten und forschte unter Hochdruck weiter. Er ignorierte Memo um Memo und verzögerte, wo er nur konnte. Gerade als ihm gekündigt werden sollte, gelang der Durchbruch. Nach über 20 Jahren war sie da – die blaue LED. Mit einigen wagemutigen Kniffen (und verkomplizierten Techniken) konnte die Welt 1993 die erste blaue LED bestaunen.

Sein kommerziell nutzbarer Prototyp war 1000-mal heller als die zuvor entwickelten Prototypen. Die Bruttoeinnahmen des Unternehmens stiegen damit von knapp über 20 Milliarden Yen (200 Millionen $) im Jahr 1993 auf 80 Milliarden Yen (800 Millionen $) im Jahr 2001, wovon 60 % auf den Verkauf von blauen LED-Produkten entfielen.

Nakamura sollte für diese Leistung fürstlich entlohnt werden – sein Gehalt wurde verdoppelt (auf 60.000 $/Jahr) und er bekam einen Bonus für sein Patent (170 $). Verständlicherweise angefressen, nahm er ein Jobangebot beim US-amerikanischen LED-Hersteller Cree an und wurde prompt wegen Geheimnisverrat von Nichia verklagt. Am Ende gestand ihm ein japanisches Gericht ausstehende Kompensation in Höhe von 189 Millionen $ zu, von denen, nachdem Nichia Berufung eingelegt hatte, immerhin noch etwas mehr als acht Millionen $ übrig blieben. Die gingen leider für die Anwaltskosten drauf.

Immerhin wurde ihm 2014 (zusammen mit anderen) der Nobelpreis in Physik verliehen. Und der ist mit etwa einer Million Euro dotiert. So hat es sich doch gelohnt, die Welt zu verändern.

Bernhard Richter verantwortlicher Redakteur keNEXT
(Bild: B.Richter)

Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.

Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.

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