Roboter sollen uns langweilige oder unangenehme Arbeiten abnehmen - das wünscht sich wohl jeder. Doch gerade besonders lästige Tätigkeiten wie das Putzen des Badezimmers sind technisch schwer zu automatisieren. Wie plant man die Bewegung eines Roboterarms so, dass er jede Stelle des Waschbeckens erreicht? Was ist, wenn das Becken besonders geschwungene Kanten hat? Wie viel Kraft muss an welcher Stelle eingesetzt werden?
Bleiben Sie informiert
Diese Themen interessieren Sie? Mit unserem Newsletter sind Sie immer auf dem Laufenden. Gleich anmelden!
Mathematik allein ist keine Lösung
All dies exakt in feste Regeln und vorgegebene mathematische Formeln zu fassen, wäre extrem aufwändig. An der TU Wien geht man deshalb einen anderen Weg: Ein Roboter bekommt von einem Menschen immer wieder gezeigt, was er tun soll: Mit einem speziell präparierten Schwamm wird eine Waschbeckenkante geputzt.
Der Roboter lernt dabei, wie das Putzen funktioniert und kann dieses Wissen nun flexibel auf anders geformte Objekte anwenden. Die Arbeit wurde jetzt auf der IROS 2024 in Abu Dhabi veröffentlicht - einer der renommiertesten Robotik-Konferenzen der Welt.
Putzen als "Oberflächenbearbeitung"
Putzen ist nur eine Art von Oberflächenbearbeitung. Viele andere Tätigkeiten, die auch in der Industrie eine große Rolle spielen, sind technisch sehr ähnlich - etwa das Schleifen oder Polieren von Oberflächen, das Lackieren oder das Auftragen von Klebstoffen.
„Die geometrische Form eines Waschbeckens mit Kameras zu erfassen, ist relativ einfach“, sagt Prof. Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien. „Aber das ist noch nicht der entscheidende Schritt. Viel schwieriger ist es, dem Roboter beizubringen: Welche Stelle der Oberfläche soll er mit welcher Bewegung bearbeiten? Wie schnell? In welchem Winkel? Mit welcher Kraft?“
Menschen lernen so etwas durch Erfahrung und Nachahmung. „In einer Werkstatt schaut dann vielleicht jemand dem Lehrling über die Schulter und sagt: Da an der schmalen Kante musst du noch ein bisschen fester drücken“, sagt Christian Hartl-Nesic, der im Team von Andreas Kugi die Gruppe Industrial Robotics leitet. „Wir wollten einen Weg finden, den Roboter auf ganz ähnliche Weise lernen zu lassen.“
Putzschwamm mit Sensoren und Tracking
Dafür wurde ein eigenes Putzwerkzeug entwickelt: Ein Putzschwamm wurde mit Kraftsensoren und Tracking-Markern versehen, dann wurde damit von Menschen wiederholt ein Waschbecken geputzt – allerdings nur die Vorderkante. „Aus einigen wenigen Demonstrationen generieren wir eine Riesenmenge an Daten, die dann verarbeitet werden, damit der Roboter lernt, was richtiges Putzen eigentlich bedeutet“, erklärt Christian Hartl-Nesic. Dieser Lernprozess gelingt durch eine innovative Datenverarbeitungsstrategie, die vom Team der TU Wien entwickelt wurde. Dabei werden mehrere bereits bestehende Techniken aus dem Bereich Maschinenlernen kombiniert: Die Messdaten werden zunächst statistisch aufbereitet, mit den Ergebnissen wird ein neuronales Netzwerk trainiert, womit vordefinierte Bewegungselemente (sogenannte „motion primitives“) gelernt werden. Damit wird der Roboterarm optimal angesteuert, um die Oberfläche zu reinigen.
Das folgende Video zeigt den Prozess:
Roboter-Lernen wird flexibler
Durch diesen neuartigen Lernalgorithmus erreicht man, dass der Roboter nach dem Vorzeige-Training auch selbst putzen kann – und zwar das ganze Waschbecken oder auch andere Objekte mit kompliziert geformter Oberfläche, obwohl ihn nur das Putzen einer einzigen Waschbecken-Kante vorgezeigt worden ist. „Der Roboter lernt, dass man den Schwamm je nach Oberflächenform anders halten muss, dass man an einer eng gekrümmten Stelle eine andere Kraft aufwenden muss als auf einem ebenen Flächenstück“, erklärt der Doktorand Christoph Unger aus der Industrial Robotics-Gruppe.
Die vorgestellte Technologie ist für viele Prozesse interessant, sei es das Schleifen von Holzwerkstücken in Tischlereien, das Reparieren und Polieren von Lackschäden in Fahrzeugkarosserien oder das Schweißen von Blechteilen in Schlossereien. Gerade hier sind kleine Stückzahlen von großer Bedeutung. In der Zukunft könnte dieser Roboter auf eine mobile Plattform gesetzt werden, wodurch dieser überall in Handwerksbetrieben als hilfsbereiter Werkstattroboter eingesetzt werden kann. In einer kurzen Trainingsphase wird die gewünschte Aufgabe vorgezeigt und im Anschluss kann der Roboter selbstständig die Tätigkeit auf gleichen und ähnlichen Werkstücken ausführen.
Zukunftsvision: Alle Werkstattroboter lernen gemeinsam
Solche Roboter könnten dann sogar ihr Wissen untereinander austauschen. „Stellen wir uns vor, es gibt viele Werkstätten, die mit solchen Robotern Oberflächen schleifen oder lackieren. Dann könnte jeder Roboter mit lokalen Daten Erfahrungen sammeln, aber die gelernten Parameter könnten alle Roboter gemeinsam nutzen“, sagt Andreas Kugi. Private Daten - etwa über die konkrete Form eines bestimmten Werkstücks - blieben privat, aber wichtige erlernte Grundprinzipien würden ausgetauscht, um die Fähigkeiten aller Roboter weiter zu verbessern. Man spricht in diesem Fall von „federated learning“: