Egal, ob auf Straße, Schiene, Wasser, Luft oder Weltraum: Der internationale Wettlauf um autonome Fahr- und Steuerungssysteme läuft auf Hochtouren. Technologieführer sind die USA, Japan, China und Deutschland. Autonome Systeme und Robotik sind die Themen der XPONENTIAL Europe, die vom 18. bis zum 20 Februar 2025 als neue Veranstaltung der Messe Düsseldorf an den Start geht. Ein idealer Standort: Denn Deutschland ist der größte Markt für autonome Systeme in Europa. Automation NEXT hat mit Malte Seifert, Director Metals & Autonomous Technologies der Messe Düsseldorf, über Hintergründe, Ausrichtung und Ziele der XPONENTIAL Europe gesprochen.
Warum braucht es eine eigene Messe für autonome Systeme in Deutschland?
Malte Seifert: Weil wir davon überzeugt sind, dass es in Europa keine Veranstaltung gibt, die die gesamte Wertschöpfungskette der Autonomie abdeckt. Wir befinden uns in einer Phase, in der sich viele Bereiche der Autonomie und der unbemannten Systeme erst noch entwickeln müssen. Dementsprechend sollte es eine unabhängige Plattform geben, die Autonomie entlang aller Dimensionen der gesamten Wertschöpfungskette abbildet und den Austausch zwischen allen Bereichen der Industrie fördert. XPONENTIAL Europe soll diese Lücke schließen.
Welche Dimensionen der Wertschöpfungskette sind hier gemeint?
Seifert: Einerseits natürlich die räumliche Dimension der Autonomie in Bezug auf Luft, Land, Wasser und die Raumfahrt. Zum anderen aber auch die wichtige Domäne der Cyber Security, die alle autonomen Systeme betrifft. Und wenn wir hier von der gesamten Wertschöpfungskette sprechen, dann ist das ganze Spektrum von den fertigen Systemen bis hin zur kleinsten Komponente wie der Linse eines Kamerasystems oder einer Software gemeint. Also im Grunde genommen alle Bereiche, die entlang der Wertschöpfungskette für die Erstellung eines autonomen Systems wichtig sind.
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Welches Ziel verfolgt diese sehr breite Aufstellung?
Seifert: Im Grunde wollen wir den Austausch unterschiedlicher Industriebereiche, unterschiedlicher Dimensionen und unterschiedlicher Bereiche der Wertschöpfungskette fördern und die Bereiche verknüpfen, weil wir davon überzeugt sind, dass dadurch Business Opportunities entstehen.
In den USA gibt es die XPONENTIAL ja schon seit über 50 Jahren. Wie kam es zur Entscheidung, sie quasi zu “importieren”?
Seifert: Die XPONENTIAL in den USA ist die weltweit führende Veranstaltung im Bereich der Autonomie. Allerdings wird in den USA nur ein - zugegeben großer - Teil der autonomen Systeme und Komponenten produziert. Europa ist aber ebenfalls ein wichtiger Teil der Autonomie-Landkarte. Daraus entstand die Idee der Non-Profit-Organisation AUVSI (Association for Uncrewed Vehicle Systems International), gemeinsam mit einer entsprechend gut aufgestellten Messegesellschaft wie der Messe Düsseldorf auch in Europa die entsprechenden Märkte anzusprechen. Unter anderem aufgrund seiner Automobilindustrie ist Deutschland hier natürlich die erste Wahl. Entscheidend war aber auch, dass wir als Messe Düsseldorf in verschiedenen vertikalen Industrien mit Veranstaltungen vertreten sind, in denen die Autonomie irgendwann eine wichtige Rolle spielen wird.
Welche sind das?
Seifert: Ich nehme gerne die Medizintechnikindustrie als Beispiel. Drohnen werden hier eine wesentliche Rolle spielen, etwa beim Transport von lebenswichtigen Organen oder Gewebeproben. Hier hat die Messe Düsseldorf mit der MEDICA, der Weltleitmesse für die Medizintechnikindustrie, eine wichtige Veranstaltung.
Der XPONENTIAL Europe geht das European Drone Forum auf dem Messegelände voraus. Was ist die Idee bei dieser Kombination von Veranstaltungen?
Seifert: Wir freuen uns sehr, dass es uns gemeinsam mit unserem Partner UAV DACH gelungen ist, das European Drone Forum als führende Fachkonferenz für unbemannte Luftfahrt nach Düsseldorf zu holen. Hier treffen sich alle wichtigen Stakeholder, Start-ups und Innovatoren im Bereich der Drohnentechnologie. In der autonomen und unbemannten Luftfahrt spielt aktuell der Austausch mit politischen Vertretern und Regulatoren eine ganz, ganz wichtige Rolle. In Kombination mit der XPONENTIAL Europe die wichtigen Gruppen der Regulierer, der Ingenieure und der Betreiber von autonomen Drohnen zusammenzubringen, ist ein wichtiger Synergieeffekt, den es in dieser Form nirgendwo sonst in Europa gibt.
Welche weiteren Elemente ergänzen denn die XPONENTIAL Europe?
Seifert: Wir folgen hier der erfolgreichen Blaupause unserer Kollegen in den USA. Dort ist die XPONENTIAL nicht nur eine Messe, sondern eine komplette Convention. Wir haben in Düsseldorf eine dreitägige Fachkonferenz parallel zur Messe, wir haben Live-Demonstrationen, wir haben eine Bühne, wo die Aussteller ihre Produkte und Innovationen demonstrieren können. Mit dem XPO+ Launcher wurde ein Start-up Ecosystem geschaffen, in dem junge Unternehmen ihre neuesten Technologien direkt vor potenziellen Investoren pitchen können.
Darüber hinaus wird es ein Standards-Forum geben, an dem Mitglieder von Normungsorganisationen aus den USA und Europa teilnehmen. Ziel ist es, gemeinsame Standards zu entwickeln, damit Hersteller Aufwand bei der Zertifizierung sparen können.
Die XPONENTIAL in den USA hat 700 Aussteller, die XPONENTIAL Europe passt zum Start bequem in eine Halle. Welche Ziele haben Sie sich denn für die neue Messe gesetzt?
Seifert: Unser Ziel war es, bei der Erstveranstaltung in Europa ein Drittel der Größe der Veranstaltung in den USA zu erreichen. Das haben wir heute schon übertroffen. Wir freuen uns sehr, dass das Konzept der XPONENTIAL in Europa so gut angenommen wird. Wir haben Beteiligungen von Unternehmen aus über 25 Ländern, damit ist die XPONENTIAL Europe die größte Fachmesse für Autonomie in Europa.
Und in den folgenden Jahren?
Seifert: Unser Ziel ist, in den nächsten drei Jahren mindestens die Hälfte der Größe der US-Veranstaltung zu erreichen.
Auffällig ist, dass die Unternehmen aus der klassischen Automatisierung bislang fehlen, obwohl es auf der XPONENTIAL Europe auch um Themen wie die Servicerobotik geht. Wird hier ein potenziell großer neuer Markt verschlafen?
Seifert: Ich bin davon überzeugt, dass wir sicherlich den einen oder anderen großen Player für uns interessieren werden, wenn sich in der Branche erst einmal herumgesprochen hat, was eigentlich der Kern der XPONENTIAL Europe ist und worüber wir uns im Rahmen dieser Plattform unterhalten wollen. Zurzeit ist mein persönliches Gefühl, dass diese Player sich sehr auf die etablierten Use Cases fokussieren, da sie mit ihren Lösungen schon sehr lange am Markt sind. Aber autonome Systeme werden in der Robotik und der Automatisierung künftig einen wichtigen Part spielen und ich denke, das wird sich in Zukunft auch auf der XPONENTIAL Europe widerspiegeln.
Deutschland steht bei den Patentanmeldungen im Bereich autonome Systeme sehr gut da, deutlich vor den USA und Asien. Wird es gelingen, das auch in erfolgreiche Produkte umzusetzen?
Seifert: Ich habe natürlich die Hoffnung, dass unter anderem mit der Entwicklung einer XPONENTIAL Europe die Industrie versteht, dass wir hier eine einmalige Chance haben, etwas zu entwickeln. Wir haben hierzulande gute Ingenieure, die kluge und schlaue Ideen haben, um im Bereich Autonomie führend zu sein und dieses Thema voranzutreiben.
Aber zum Beispiel im Bereich neuartiger Luftfahrzeuge wie etwa Lufttaxis scheint man diese Chance - wieder einmal - zu verspielen, wie die jüngsten Entwicklungen bei Lilium und Volocopter zeigen.
Seifert: Hier gibt es zwei Aspekte, die man berücksichtigen muss. Das eine ist die Regulatorik im Rahmen der Europäischen Union. Das ist ja im Grunde genommen das letzte Puzzleteil, das zu einem Marktstart fehlt. Ich hoffe, dass wir mit unserer Plattform einen wichtigen Beitrag leisten können, um solchen Unternehmen auch eine gewisse Sichtbarkeit zu geben und diesen Regulierungsprozess vielleicht auch ein bisschen zu beschleunigen.
Auf der anderen Seite muss das Thema Autonomie auch von politischer Seite stärker forciert werden. Sonst drohen Unternehmen abzuwandern, und wir schauen in die Röhre, wenn der Markt dann skaliert.
Wer sollte die XPONENTIAL Europe unbedingt besuchen?
Seifert: Auf Ausstellerseite wünschen wir uns natürlich alle Plattform- und Systemhersteller, die schon fertige autonome und unbemannte Systeme entwickelt haben, genauso wie Komponentenhersteller. Ebenso natürlich alle Dienstleister, sei es für Training, Softwareentwicklung oder Cyber Security. Kurz gesagt: Alle, die uns zeigen, wie die Autonomie von morgen aussieht.
Besucherseitig wünschen wir uns einerseits natürlich die politischen Vertreter und Regulierer, wir wünschen uns die Ingenieure, die sich mit dem Bau von autonomen Systemen auseinandersetzen, und natürlich die Anwender aus den unterschiedlichsten Bereichen der Wirtschaft. Das sind die Gruppen, die wir zusammenbringen wollen.
Der Autor: Peter Koller
Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins Automation NEXT. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.