Auf dem Weg in die Serienfertigung: der pneumatische Cobot von Festo.

Auf dem Weg in die Serienfertigung: der pneumatische Cobot von Festo. (Bild: Festo)

Vor gut einem Jahr hat Festo seinen pneumatischen Cobot vorgestellt. Was ist seitdem passiert?
Christian Tarragona: Aus dem Prototyp wird ein Produkt, das zwar gleich aussieht, aber unter der Haube viele Optimierungen hat. Es ist viel Aufwand in Verbesserungen geflossen, etwa um die Mechanik fertigungsgerechter zu machen. Das war notwendig, weil wir demnächst in die
Serienproduktion gehen. Auch an der Software haben wir noch viel gearbeitet, insbesondere beim Thema Safety – das heißt bei unserem pneumatischen Cobot v.a. das Thema Feinfühligkeit bei Kollisionen.

Aber ist es nicht so, dass der Cobot durch den pneumatischen Antrieb per se sicherer ist als bei einem elektrischen Antrieb?
Tarragona: Das höre ich nicht so gerne. Egal, ob elektrisch oder pneumatisch, es ist bei Bewegung einfach Energie im System, die Menschen gefährden könnte. Deswegen beachten wir dieselben Sicherheitsregeln wie bei einem elektrischen Cobot.

Zur Person: Christian Tarragona

Christian Tarragona
Christian Tarragona (Bild: Festo)

Christian Tarragona ist seit März 2020 Vice President und Head of Festo Robotics. Der studierte Physiker und begeisterte Privatpilot verfügt über langjährige Erfahrung in der Robotik-Branche

Und wie sieht es bei der Funktionalität des Systems aus?
Tarragona: Auch an der Regelung haben wir weiter gearbeitet, damit wir noch feinfühliger und stabiler werden. So können wir auch bei wechselnden Payloads die Genauigkeit halten.  Das ist eine gewisse Herausforderung, weil wir ja einen Direktantrieb haben.

Warum ist das so?
Tarragona: Bei wechselnden Payloads kann in Normalfall das Getriebe einiges abfangen, aber bei unserem pneumatischen Cobot gibt es diese Getriebe ja nicht. Das muss über die Regelung kompensiert werden. Weil der Direktantrieb auch andere Herausforderungen an die Bahnplanung stellt, wurden zudem viele Steuerungen evaluiert, um so die beste Lösung für die Bahnplanung zu finden.

Zu guter Letzt haben wir uns auch viel Gedanken um das künftige Eco-System des Pneumatik-Cobots gemacht.

In welche Richtung gehen da die Überlegungen?
Tarragona: Zum Beispiel, wie sich Linearsysteme als siebte Achse gut mit dem Cobot kombinieren lassen. Aber zu diesem Thema wird es nächstes Jahr weitere Informationen geben.

Wir haben vorhin schon über die geringeren bewegten Massen gesprochen. Bringen die neben den Sicherheitsaspekten auch funktionale Vorteile?
Tarragona: Das hängt miteinander zusammen: Durch die geringeren Massen können wir theoretisch bei gleicher zulässiger Kontaktenergie entsprechend schneller fahren. Wir sind dabei, das gemeinsam mit einem renommierten Institut zu evaluieren. Es gibt noch keine genauen Zahlen, aber es wird vermutlich auf eine schnellere Bewegung hinauslaufen. Auch beim Hand-Teaching ist es wesentlich angenehmer, dass sich der pneumatische Cobot durch seine intrinsische Nachgiebigkeit sehr leicht bewegen lässt. Die Tatsache, dass sich der Arm auch in der täglichen Arbeit leicht beiseite drücken lässt, sorgt bei den Mitarbeitern für Vertrauen. Diesen Aspekt sollte man nicht unterschätzen.

So funktioniert der pneumatische Cobot

In den Armen des Cobots sind statt der üblichen Elektromotoren und mechanischen Getriebe sechs pneumatische Direktantriebe eingebaut. Jeder Antrieb besteht aus einer runden Kammer mit einer beweglichen Trennwand. Durch unterschiedliche Luftdruckverhältnisse in den beiden Kammerbereichen wird die Trennwand verschoben und so das Gelenk bewegt. Durch Druckregler in den Gelenken erkennt der Roboter, wenn er von einem Menschen berührt wird und reagiert mit entsprechenden Safety-Funktionen. Er benötigt keinen zusätzlichen Schaltschrank, alle entsprechenden Systeme sind bereits im Fußteil des Roboters integriert. Damit kann er schnell zwischen unterschiedlichen Arbeitsorten hin und her transportiert werden. Das ist auch möglich, weil der Festo Cobot dank des Einsatzes von Aluminium-Druckguss nur etwa 17 Kilogramm wiegt.

Der Cobot ist jetzt bei ersten Testkunden im Einsatz, um welche Anwendungen geht es denn dabei?
Tarragona: Eine Anwendung ist das Labeling. Zum Beispiel beim Aufbringen von Versandetiketten, ohne die Pakete zu beschädigen, kommt die Feinfühligkeit des Cobots gut zu pass. Andere Fälle sind etwa das Pick-and-place von empfindlichen Objekten wie Früchten oder die Be- und Entladung von kleinen Maschinen. Diese klassischen Anwendungen werden sehr stark nachgefragt.

Beim Labeling von Boxen soll die Feinfühligkeit des pneumatischen Cobots besonders gut zum Einsatz kommen.
Beim Labeling von Boxen soll die Feinfühligkeit des pneumatischen Cobots besonders gut zum Einsatz kommen. (Bild: Festo)

Cobots werden immer mobiler, etwa in der Kombination mit fahrerlosen Transportsystemen. Lässt sich das auch mit dem pneumatischen Cobot realisieren?
Tarragona: Das diskutieren wir viel intern und auch mit Partnern. Wenn der Cobot an verschiedenen Stationen eingesetzt wird, an denen Druckluft vorhanden ist, kann er seine Vorteile in puncto Flexibilität natürlich voll ausspielen. Das selbstständige Andocken an eine Druckluftstation am Einsatzort ist grundsätzlich auch denkbar – wenn er autonom mobil sein soll. Meine persönliche Meinung zu Druckluftspeichern oder einem batteriebetriebenen Kompressor ist: Das ist prinzipiell schon möglich – aber nicht das idealste Szenario für einen pneumatischen Cobot.

Bleibt es bei 2023 als Markteintrittsdatum, wie vor einem Jahr angekündigt?
Tarragona: Wenn wir von Pilotkunden reden, dann ja. Ein Verkaufsstart
für die breite Masse wird 2024 stattfinden.

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