Die erdrückende Dominanz asiatischer Werften auf den globalen Schiffbaumärkten hat den europäischen Herstellern nur die Konzentration auf Spezialmärkte gelassen. Trotzdem hat sich der Auftragseingang der deutschen Werften in den zurückliegenden zwei Jahren auf knapp fünf Milliarden nahezu verdoppelt. Auch 2016 konnten bereits Aufträge in etwa der gleichen Größenordnung verbucht werden. Auch die Beschäftigtenzahlen legten zu. In der deutschen Schiffbauindustrie arbeiten insgesamt nun rund 90.000 Menschen, davon 15.600 Beschäftigte direkt auf den Werften. Diese positive Entwicklung gründet maßgeblich in der starken deutschen Marktpräsenz im Bereich der Kreuzfahrtschiffe und Yachten. So war der deutsche Pavillon auf der unlängst stattgefundenen Marintec China, der größten Schiffbau-Messe Asiens, mit 106 Ausstellern auch die größte Länderbeteiligung.
"Nach den massiven Problemen beim Bau von zwei Aida-Schiffen bei Mitsubishi in Japan sind die Versuche der asiatischen Konkurrenz, selbst in den stark wachsenden Markt einzusteigen, vorerst gescheitert", sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. "Die europäischen und deutschen Werften haben das Know-how in diesem hochspezialisierten Bereich. Sie verfügen über langjährige Erfahrung, hohe Kompetenz beim Design und vor allem ein dichtes und wettbewerbsfähiges Zulieferernetz, das die geforderten Standards erfüllen kann."
Diese Fähigkeiten sind entscheidend, denn an der Erstellung eines Kreuzfahrtschiffes können mehr als 100 Firmen beteiligt sein. Es gibt auch keinen Prototypenbau, es muss alles beim ersten Mal klappen. Damit haben asiatische Werften wenig Erfahrung und müssen sich in das deutsche Know-How teuer einkaufen. Gerade erst hat der malaysische Konzern Genting drei Werften, die Nordic Yards (für 230,6 Millionen Euro), die Tamsen Maritim in Ostdeutschland und die Lloyd Werft gekauft und mit einem Auftrag über 3,5 Milliarden Euro ausgestattet. Diese neue Lloyd Werft Gruppe stellt damit neben der Papenburger Meyer Werft einen der Branchengrößten.
Energieeffizienz bleibt Innovationsschwerpunkt
Das Thema, das die meisten Wettbewerbsvorteile bietet und deshalb die Branche auch am meisten beschäftigt, ist nach wie vor das Thema Energieeffizienz. „Noch vor zehn Jahren hatte ein Kreuzfahrtschiff mit 100.000 Bruttoregistertonnen einen Energiebedarf von 60 Megawatt. Heutzutage reicht diese Energie schon für Schiffe mit 170.000 Bruttoregistertonnen aus“, sagt der Chef der Neptun Werft, Manfred Müller-Fahrenholz.
Die Aidaprima, jüngster Zugang in der Hyperion Klasse bei Aida Cruises, Tochter der britisch-amerikanischen Firma Carnival, dem größten Kreuzfahrtunternehmen der Welt, ist ein aktuelles Beispiel. Das Einsparpotential beginnt mit dem Rumpfdesign und der allgemeinen Architektur der Meeresriesen. Der nahezu senkrechte Vordersteven der Aidaprima verlegt den Schwerpunkt der Verdrängung weiter nach vorne und ist für geringe Geschwindigkeiten konzipiert. Ein Schiff, das 21 bis 23 Knoten fährt, braucht mehr als doppelt so viel Treibstoff wie ein Schiff, das 15 Knoten fährt. Der Widerstand steigt exponentiell. Da erscheint es sinnvoll, auch die Rumpf-Form auf diese langsameren Geschwindigkeiten hin zu optimieren. Zusätzlich fährt das Schiff auf einem Blasenteppich: Am Bug des Schiffes werden Luftblasen ausgestoßen, was die Reibung um weitere fünf Prozent reduziert.
Die Klimatisierung ist auf einem Kreuzfahrtschiff der größte Stromverbraucher. Im überdachten Poolbereich der Aidaprima gibt es deshalb keine Aircondition, sondern schlicht Lüftungsluken in den Oberlichtern. In den Kabinen wird jede Kabine individuell eingestellt. Über Sensoren erfährt die Zentralsteuerung, ob sich in der Kabine eine Person aufhält oder nicht und regelt die Temperatur entsprechend. Die LED-Lampen werden auf dem ganzen Schiff je nach Tageszeit automatisch gedimmt, statt wie früher durchgehend zu brennen. Die neuen Turbolader und Azipod-Antriebe von ABB sind drei bis vier Prozent leistungsstärker als die bisher verwendeten Modelle. Im Ergebnis ist die neue Aidaprima laut Hersteller 20 Prozent effizienter als ihre Vorgängerinnen.
Auch die Auswahl der Materialien spielt eine Rolle. Leichtbau lässt sich mit modernen Kompositmaterialien verwirklichen und spart entweder Treibstoff oder ermöglicht mehr Zuladung bei gleichem Treibstoffverbrauch. Bei Ozeanriesen, die naturgemäß nicht Gefahr laufen, wegen Leichtigkeit zu hoch aus dem Wasser zu ragen und unter Brücken nicht hindurchzupassen, funktioniert das gut. Am Chemnitzer Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU forscht man deshalb wieder an einem vielversprechendem Material: aufgeschäumtem Aluminium. Für die Luxusliner der Meyer Werft hat das Institut eine metallschaumbasierte Marmorplatte für die Deckverkleidung entwickelt, die um drei Viertel leichter ist als eine normale Marmorplatte.