Die Industrie in Deutschland steht unter Druck. Bekannte Herausforderungen wie der hohe Investitionsbedarf durch die digitale Transformation, die Dekarbonisierung im Energiesektor, der demografische Wandel, die Zunahme nationaler wie internationaler Regularien und nicht zuletzt die aktuell unruhige politische Lage lassen Unternehmen mit Sorge in die Zukunft blicken.
Erfreulicherweise sind die Innovationsfähigkeit und die Wandlungsbereitschaft der Industrie ungebrochen. Davon konnte man sich in den letzten Monaten auf Industriemessen wie zuletzt der SPS oder auch bei der Netzwerk-Klausur der Plattform Industrie 4.0 überzeugen. Gerade letztere legte den Fokus auf die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren der Industrie. Hierzu zählt auch die Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um die digitale Transformation zusammen voranzutreiben, ein offenes digitales Ökosystem mit sicherem Datenaustausch zu schaffen und die verschiedenen X-Projekte zu einem großen Ganzen zu verzahnen.
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Industrieunternehmen in digitale Ökosysteme einbinden
Um die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Branchen wieder zukunftssicher zu machen, müssen Unternehmen einen digitalen Transformationsprozess durchlaufen. Dass Deutschland digitale Souveränität gewinnen muss, um die Wirtschaft mit Industrie 4.0, Künstlicher Intelligenz und Datensicherheit auf ein neues Niveau zu heben, wird gerade in der aktuellen Konjunkturflaute sehr deutlich.
Eines der übergeordneten Ziele muss sein, Industrieunternehmen flächendeckend in digitale Ökosysteme einzubinden – von den branchendominierenden Konzernen bis hin zu kleinen und mittleren Unternehmen. Es geht darum, der Industrie durch digitalisierte BCX0"> Prozesse eine neue Form der Datennutzung zu ermöglichen und zusätzliche Wertschöpfungspotenziale zu erschließen, zumindest aber effizienter und damit widerstandsfähiger und nachhaltiger zu werden.
Zur Person: Michael Fritz
Michael Fritz ist Leiter der Geschäftsstelle des Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies CCIT. Der Cluster ist ein Zusammenschluss zwischen den Fraunhofer Instituten AISEC (Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit), IIS (Institut für Integrierte Schaltungen), ISST (Institut für Software- und Systemtechnik) und IAIS (Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme) und kombiniert die Vorlaufforschung der Fraunhofer-Institute mit der angewandten Forschung über interdisziplinäre Fachgrenzen hinweg.
Doch das Thema ist zu groß, um es als Unternehmen alleine zu lösen. Zentrale Initiativen wie Manufacturing-X zur Digitalisierung der Lieferketten in den unterschiedlichen Domänen der Industrie schaffen die notwendigen Grundlagen. Das Leuchtturmprojekt der Automobilindustrie Catena-X hat bereits gezeigt, wie durch die enge Zusammenarbeit von Industrievertretern, IT-Experten sowie Verbänden, Wissenschaft und Forschung ein digitaler Meilenstein gelingen kann: ein kollaboratives und offenes Datenökosystem als gemeinsame Infrastruktur für die gesamte Wertschöpfungskette einer Industrie. SCXW197325490 BCX0" data-ccp-props="{}">
Factory-X: Digitales Ökosystem für Fabrikausrüster und -betreiber
Factory-X will diesem Beispiel folgen und ein kollaboratives digitales Ökosystem für Fabrikausrüster und -betreiber schaffen, das auf den Grundlagen von Catena-X und den Prinzipien der Plattform Industrie 4.0 aufbaut. Nicht nur vor dem Hintergrund der EU Regularien wie Data Act / AI Act / Digital Services Act spielen dabei der sichere Datenaustausch und die Datensouveränität eine zunehmend wichtige Rolle. Sondern auch und besonders aufgrund der Tatsache, dass der Mehrwert der digitalen Ökosysteme erst durch das Teilen von Daten realisiert wird. Ein bislang noch ungenügend gelöster Knackpunkt dabei: Die technische Durchsetzung der Datennutzungskontrolle als unabdingbares Sicherheitsmerkmal in offenen Ökosystemen muss sichergestellt werden.
Der Mehrwert der digitalen Ökosysteme wird erst durch das Teilen von Daten realisiert
Im Gegensatz zur Automobilindustrie ist der Maschinenbau jedoch stärker fragmentiert und weniger in direkten Lieferketten organisiert. Dies erfordert angepasste Datenökosysteme und Betreibermodelle. Statt Catena-X blind als Blaupause auf Factory-X zu übertragen, ist es erforderlich, die Lösungen weiterzuentwickeln. So müssen beispielsweise bestehende Datenkonnektoren für den sicheren Datenaustausch überarbeitet und ergänzt werden. Beim Fraunhofer CITT wird bereits an technischen Lösungen geforscht, die über die bisherigen Ansätze hinausgehen.
Um Factory-X zum Erfolg zu führen, muss ein Datenraum für den Maschinenmarkt mit geeigneten Konnektoren geschaffen werden. Technisch betrachtet ist für den Erfolg ein sicherer, kontrollierter Datenraum notwendig, der den interoperablen Datenaustausch durch offene Standards und Open-Source-Lösungen unter Wahrung der Datensouveränität ermöglicht.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, dass Geschäftsmodelle entstehen, die den Mehrwert des Datenaustauschs für Maschinenbetreiber und Anlagenbauer unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten aufzeigen. Das Vorbild Catena-X der Automobilindustrie reicht hierfür nicht aus.
Die „X-Projekte“ sind für die deutsche Industrie von zentraler Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden internationalen Wettbewerbs. Eine breite Kooperation zwischen Industriepartnern und Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer ist für die Bewältigung dieser Transformationsaufgabe unabdingbar. Ein ambitionierter Zeitplan und eine gewisse Erfolgsgarantie sollten den Industrieunternehmen die notwendige Perspektive geben.
Stark fragmentierte Landschaften erschweren Digitalisierung
Das Jahr 2025 muss als aktives Entwicklungsjahr genutzt werden, um 2026 die gesteckten Ziele zu erreichen. Gerade auch KMU sollten diese Entwicklungszeit für sich nutzen, um beispielsweise bestehende organisatorische und technologische Hürden zu überwinden und schnellstmöglich neue Strukturen und Geschäftsmodelle für die angestrebte Digitalisierung zu schaffen.
Häufig sind in gewachsenen Unternehmen stark fragmentierte Landschaften entstanden, deren Digitalisierung die Unternehmen bereits vor dem Schritt der Anbindung an ein gemeinsames Datenökosystem an ihre (Kapazitäts-)Grenzen bringt. Diesen Transformationsprozess und die Entwicklung spezifischer Lösungen können Unternehmen auch mit Unterstützung der angewandten Forschung gestalten – mit der Fraunhofer-Expertise aus verschiedenen Bereichen wie Datensicherheit, Datenräume, Künstliche Intelligenz oder auch auf sensorischer Ebene, gebündelt im Fraunhofer CCIT.
Für Unternehmen ist es jetzt wichtig, sich nicht in Details zu verzetteln, sondern voranzugehen und ihre Ideen möglichst schnell prototypisch umzusetzen. Indem sie ihre Erkenntnisse auf das große Ganze spiegeln – und umgekehrt – können sie am ehesten Einfluss auf die Entwicklungen nehmen, sich vorbereiten, um letztlich von Factory-X in Form von erhöhter Resilienz, Effizienz, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu profitieren.