Jedes dritte Industrieunternehmen geht in Deutschland davon aus, dass der Austausch von Daten entlang der Wertschöpfungskette entscheidend sein wird für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der Digitalverband Bitkom unter insgesamt 604 Unternehmen durchgeführt hat. Darüber hinaus sind sogar mehr als die Hälfte der Firmen davon überzeugt, dass digitale Wertschöpfungsketten einen zentralen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Industrie leisten werden.
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CO2-Einsparpotenziale werden sichtbar
Dieser Ansicht sind auch zahlreiche Akteure aus Politik und Wissenschaft. Vor etwas mehr als einem Jahr hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Förderprogramm für Manufacturing-X vorgestellt. Ziel der Initiative ist es, die Transformation zu einer digital vernetzten Industrie flächendeckend zu realisieren und dazu den Datenraum Industrie 4.0 aufzubauen. Unternehmen sollen künftig also in der Lage sein, Daten entlang der gesamten Fertigungs- und Lieferkette souverän miteinander zu teilen.
Das Potenzial von Datenräumen ist riesig – davon ist auch Dr. Patrick Kölsch überzeugt. Der 34-Jährige hat am Lehrstuhl für Fertigungstechnik und Betriebsorganisation an der RPTU Kaiserslautern-Landau promoviert und vor einigen Jahren greenable mitgegründet. Das GreenTech-Start-up entwickelt eine Software, mit der insbesondere KMU den CO2-Fußabdruck auf Produktebene berechnen können. „In Kombination mit einem Datenraum haben Unternehmen dann zum Beispiel die Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck ihres Produkts mit anderen Unternehmen zu teilen. Damit werden automatisch auch Einsparpotenziale im Sinne der Nachhaltigkeit sichtbar“, erklärt Patrick Kölsch.
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Denn je mehr Daten ein Unternehmen zur Verfügung hat, desto eher lassen sich auch Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen entlang der gesamten Lieferkette ergreifen. Darüber hinaus können Datenräume auch dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. „Neben dem CO2-Fußabdruck können Unternehmen über einen Datenraum beispielsweise auch weitere Daten für ihren digitalen Produktpass teilen“, sagt Patrick Kölsch und ergänzt: „Damit sehen sie genau, welche Komponenten alle in einem Produkt verbaut sind und ob sie recyclingfähig oder wiederverwertbar sind. Das ist ein wichtiger Hebel für die Kreislaufwirtschaft.“
Unternehmen behalten die Datensouveränität.
Wie ein geteilter Datenraum funktioniert
Doch wie genau funktioniert so ein Datenraum? Und warum ist es besser, Daten darüber zu teilen – und nicht in einer E-Mail? Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Datenraum sind eine einfach verfügbare und durchgängige Datenvernetzung und die Bereitschaft zum multilateralen Teilen. So sieht es zumindest die Initiative Manufacturing-X. Ein solches Datenökosystem muss entsprechend auf offenen Standards basieren. Dabei ist es so, dass die Daten stets bei deren Eigentümern selbst liegen und aktiv von diesen geteilt werden müssen. Auf diese Weise behalten die teilnehmenden Unternehmen stets die volle Souveränität über ihre Daten.
Angenommen, ein Unternehmen hat beispielsweise einen CO2-Fußabdruck für ein Produkt berechnet und möchte diesen mit weiteren Lieferanten und Partnerunternehmen teilen. Aktuell setzen viele Unternehmen dafür einfach eine E-Mail auf. Dadurch erfolgt ein doppelter Medienbruch: Erst müssen die Daten von der vorliegenden Form – meist strukturierte Daten in einer Datenbank – in eine Form gebracht werden, die per E-Mail weitergeleitet werden kann. Der Empfänger muss diese Daten dann wieder strukturieren und in seine eigenen Datenbanken einpflegen. In solchen zumeist manuellen Prozessen können sich schnell Fehler einschleichen, E-Mails können im Spam-Ordner landen, Adressaten falsch eingegeben oder auch Werte gefälscht werden.
Diese Fehlerquellen ließen sich bei einem Datenraum vermeiden. „Bei einem Datenraum gibt es Konnektoren, über die sich unterschiedlichste Software-Systeme andocken lassen. So lassen sich Daten sicher und ohne Medienbruch teilen“, sagt Patrick Kölsch. Inwiefern Datenräume künftig auch dazu beitragen, den Datenaustausch zwischen Unternehmen grundsätzlich sicherer zu machen, das wird sich dem Mit-Gründer von greenable zufolge noch zeigen. Besser als das Verschicken von Daten per E-Mail mit all den damit zusammenhängenden Anfälligkeiten sei das Konzept aber allemal.
Darüber hinaus bergen Datenräume das Potenzial, einheitlichere Datenstandards flächendeckend zu etablieren. „Für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts gibt es aktuell je nach Anwendungsfall unterschiedliche Standards. Wäre es in Zukunft so, dass Unternehmen ihre CO2-Fußabdrücke nur noch über Datenräume teilen, so birgt das die Chance, dass sich auch einheitlichere Datenstandards durchsetzen“, erklärt Patrick Kölsch. Das käme wiederum der Transparenz zugute.
Datenräume meist noch im Modellstatus
Die Möglichkeiten, die sich durch Datenräume bieten, sind vielseitig. Aktuell handelt es sich dabei aber oft noch um Zukunftsmusik. Die meisten der derzeit vorhandenen und öffentlich geförderten Datenräume befinden sich nämlich noch im Modell-Status. Zwar haben Unternehmen hier die Möglichkeit, sich an diesen Förderprojekten zu beteiligen – wie etwa an Manufacturing-X. Die meisten von ihnen, die diese Option nutzen, sind jedoch vorrangig größere Unternehmen. Für KMU wiederum scheint das Thema noch deutlich weiter entfernt.
Für sie gilt es zunächst, ihre Wertschöpfungsketten grundsätzlich zu digitalisieren, sodass überhaupt die notwendigen Voraussetzungen zur Teilhabe an einem Datenraum geschaffen sind. Patrick Kölsch empfiehlt KMU hier, sich am besten schrittweise an das Thema heranzutasten: „Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass sich Unternehmen immer zunächst fragen, was denn der Grund dafür ist, dass sie das Thema Datenraum angehen möchten. Wenn sie sagen, es geht ihnen etwa darum, den CO2-Fußabdruck zu berechnen, dann hat es erst einmal Priorität, dafür die notwendigen Prozesse dafür aufzusetzen.“
Die Teilnahme am Datenraum ist sozusagen die Kür; die Pflicht bleibt zunächst aber die Digitalisierung selbst.