Gameboy

Der Gameboy kann soviel mehr als "nur" Klötzchen und Klempnern. (Bild: gemeinfrei Pixabay)

Dass findige Bastler Computerspiele auf allen möglichen Plattformen zum Laufen bringen wollen und vor allem auch können, ist nichts Neues. Alleine aufzuzählen auf welchen Geräten der Urvater aller Boomer-Shooter Doom (ja, das Genre nennt man jetzt so. Ja, ich fühle mich auch alt.) würde hier den Rahmen sprengen. Sagen wir es so, Doom läuft auch auf einem Schwangerschaftstest und einem Porsche.

Falls irgendwann eine außerirdische Sonde aus den Untiefen des Weltalls geborgen werden sollte, seien Sie sicher – man wird schauen, ob Doom drauf läuft.

Aber eine Spielekonsole ummodeln, dass sie für nicht-spielerische Zwecke genutzt werden kann, ist nicht so alltäglich. Aber es ist geschehen – u.a. mit dem Nintendo Gameboy.

In einer Zeit, in der es für die Heimautomatisierung noch keine Arduinos oder Raspberry Pis gab, konnte man - was kleine, erschwingliche (im weitesten Sinne) Computer anging - nicht gerade aus den Vollen schöpfen. Also musste man erfinderisch werden. Da kam den Konstrukteuren und Entwicklern der Gameboy gerade recht.

Der im Jahre 1989 veröffentlichte erste Gameboy hatte immerhin eine 8-Bit-CMOS CPU mit 4,19 MHz Taktfrequenz sowie 8 kB RAM, 8 kB Grafikspeicher und einen LCD-Bildschirm mit einer Auflösung von 160x144 Pixel und 4 Graustufen. Für die Games-Entwickler eine Herausforderung, was Grafik und Gameplay anging, für Textausgabe und rudimentäre Graphen völlig ausreichend. Und für einen Verkaufspreis von 169 DM (der später merklich reduziert wurde) ein guter Deal.

 

Die Herstellung kompatibler Module ist durch die weitestgehend offen gelegte Verschaltung und Hardware auch für Heimanwender und Bastler möglich; auf die Herstellung von, auch mit Chips und anderen Elementen bereits bestückten, PCB-Boards und Cases sind mittlerweile mehrere Firmen spezialisiert.

Aber eine der spannendsten alternativen Nutzungsmöglichkeiten ist, den Gameboy als Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) zu nutzen, wie das Magazin Elektor schon 2006 vorstellte. Das Geheimnis liegt hierbei in der speziellen Gameboy-Cartridge, die mit Speicherchips für die Software ausgerüstet ist und mit einem I2C-Interface für die Verbindung zur Außenwelt sorgt.
Die Programmierung der SPS kann dabei sowohl direkt auf dem Gameboy (menügeführt) als auch unter Windows auf einem angeschlossenen PC erfolgen.

Interessierte finden hier alle nötigen technischen Daten.

 

Sogar Hersteller von medizinischem Gerät sind Nutzer der kleinen Spielkonsole, wie z.B. ein älteres Elektrokardiogramm. Das Gerät wird von der deutschen Firma Medical Imaging Electronics hergestellt und verwendet eine vom EKG erzeugte Welle, um ein separates Aufnahme- oder Bildgebungsgerät elektronisch zu steuern. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein normales medizinisches Gerät. Wenn man es öffnet, stellt man fest, dass der Bildschirm und die elektronischen Teile des Geräts zu einem Game Boy Advance gehören, der zerlegt und in das Gerät eingebaut wurde. Insbesondere die Idee, einen Gameboy für Elektrokardiogramme zu verwenden, gibt es schon seit Jahrzehnten, wie dieses 1997 angemeldete Patent zeigt. Das Patent umreißt die Vorteile der Integration eines Game Boy in Elektrokardiogramme, darunter modulare Funktionalität, Tragbarkeit, Stabilität des Systems, unmittelbarer Zugriff auf Daten ohne zusätzliche sperrige Hardware, Benutzerfreundlichkeit und geringere Kosten.

Eine weitere Anwendung ist die Steuerung einer Nähmaschine. Klingt komisch, ist aber eine valide Möglichkeit schnell Schrift und andere Grafiken auf einer stick-fähigen Maschine zu realisieren.

 

Auch für passionierte Angler hat der Gameboy eine Lösung bereit: Das Gyogin Tanchiki, was übersetzt "Taschen-Sonar" bedeutet, wurde 1998 in Japan von Bandai entwickelt. Das Pocket Sonar wurde in den Gameboy eingesteckt. Daran angeschlossen war ein langes Kabel, das zu einem schwimmenden Sender führte, der den heutigen drahtlosen Sendern sehr ähnlich war. Alles, was man tun musste, war, den Game Boy in das mitgelieferte wasserdichte Gehäuse zu stecken, an den See zu fahren und den Sender auszuwerfen.

Bei der heutigen Verfügbarkeit von Kleinstrechnern und deren – im Vergleich – beeindruckenden Leistung sind solche Hacks leider rar geworden und werden, wenn überhaupt, nur noch von Geeks und Retro-Enthusiasten gemacht. Spannend ist es aber allemal, was mit dem Gameboy der ersten Generationen so alles möglich war und immer noch ist.

Ach ja: Doom läuft übrigens auch drauf.

Der Nintendo Gameboy und die Nähmaschine

Bernhard Richter verantwortlicher Redakteur keNEXT
(Bild: B.Richter)

Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.

Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.

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