Interview Schubert,

Business Unit Manager Roland Haag (rechts) im Gespräch mit ke-NEXT-Chefredakteur Wolfgang Kräußlich. (Bild: ke NEXT)

Schubert System Elektronik war eines der ersten Unternehmen im Industrieumfeld, das multitouchfähige Geräte auf den Markt gebracht hat. Wie kamen Sie auf die Idee dazu?

Nun, wir haben schon vor Jahren einen Technologiezirkel eingeführt, so nennen wir das. Da sitzen einmal im Monat Entwicklungsleitung, Produktmanagement und Business-Unit-Manager zusammen, und Fachleute aus den Abteilungen werden auch regelmäßig dazugezogen. Wir sprechen dann darüber, welche neuen Technologien es auf dem Markt gibt, was uns zum Beispiel im Consumer-Bereich begegnet.

Wir analysieren, welche neuen Prozessoren mit welchen Rechenleistungen auf den Markt kommen oder ob es Anforderungen gibt, die man aus Messebesuchen oder von Aktivitäten der Marktbegleiter ableiten könnte. Wir schauen uns die Technologien an und überlegen, ob es sinnvoll ist, das in die Endanwendungen zu integrieren – und wenn ja, was das konkret bedeutet. So kamen wir vor rund acht Jahren auch auf das Thema Multi-Touch. Wir glaubten dran, dass zukünftige Applikationen das sinnvoll einsetzen können und dass wir diese Technologie in den Griff kriegen müssen. Also haben wir damit begonnen.

Damals waren mit Apples iPhone und iPad ja gerade gut funktionierende Multi-Touch-Systeme auf den Consumer-Markt gekommen. Wie schwer war es, das auf den Industriebereich anzupassen?

Für die Industrie musste das Ganze natürlich mechanisch adaptiert werden. Wichtiger war es aber, die Touch-Technologie, vor allem die Multi-Touch-Technologie, erstmal zu beherrschen. Wir haben sehr früh, im Jahr 2009, damit begonnen, uns mit dieser Thematik zu beschäftigen. Wir waren meines Wissens auch die Ersten, die das zur SPS IPC Drives 2010 schon vorgestellt hatten. Da waren wir den anderen ein Stück weit voraus. Aber was damals mit einem Tablet mit sieben oder auch zehn Zoll noch recht gut in den Griff zu kriegen war, das war bei viel größeren Display-Diagonalen, also 15 Zoll, 21 Zoll oder sogar im 24 Zoll-Bereich, gar nicht so einfach.

Das war ein Prozess, der uns über mehrere Jahre beschäftigt hat. Es ging ja darum, welche Sensor-Technologie setzen wir ein, welchen Controller und welche Parameter-Settings sind geeignet? Wie sieht es mit der Anmutung, der Haptik im Industrieumfeld aus? Wir mussten auch Partner für die Laminierung der Displays suchen, das war schon ein Lernprozess. Aber es hat sich gelohnt: Dieser Trend hat sich im Markt durchgesetzt. Ich schätze mal, dass bis zu 90 oder 95 Prozent unserer jetzigen Neuanfragen mehr oder weniger in diese Richtung laufen.

HMI-Framework,
Über das HMI-Framework lassen sich neben der Visualisierung der NC oder SPS noch Dokumentation, Videostreams, Softkeys oder Prozessdaten integrieren. (Bild: Schubert)

Vertrauen die Anwender der Touch-Technologie? Oder anders gefragt: Müssen Sie für wichtige Funktionen noch separate Taster anbringen?

Für kritische und sicherheitsrelevante Anwendungen ist es noch immer so, dass Tasten zum Einsatz kommen. Zum Teil ist das auch durch Vorschriften so festgelegt. Wir empfehlen unseren Kunden auch immer eine klare Trennung gewisser Funktionsbereiche. Man muss eben sehen, welche Dinge separate Tasten brauchen und welche sich mit Touch realisieren lassen. Zudem sollte man prüfen, was mit einem einfachen Touch geschehen darf und wozu man eine Zwei-Finger-Bedienung vorsehen sollte. Es ist ja ein Unterschied, ob ich in der Dokumentation blättere oder ob ich einen Antrieb aktiviere. Es ist eben eine Frage der Sicherheit, der Ergonomie und der Benutzerfreundlichkeit.

Es heißt oft, kapazitive Touch-Technologie sei in der Industrie wegen der Benutzung von Handschuhen ungünstig ...

Klar sind Handschuhe ungünstig, obwohl es da heute auch schon passende Materialien gibt. Aber das ist oft ein vorgeschobener Grund, denn in den meisten Branchen tragen die Bediener keine Handschuhe. Aber wenn wie in der Holzverarbeitung, wo es oft harzig ist, Handschuhe getragen werden, sind andere Bedienkonzepte – Tasten oder resistive Touch-Konzepte – eben besser. Auch hier gilt wieder: Es kommt auf die Ergonomie in der jeweiligen Applikation an. Die ist uns besonders wichtig. Dazu ein weiteres Beispiel: Mittlerweile setzen sich 16:9- oder 16:10-Bildschirmformate anstelle der bekannten 4:3- oder 5:4-Geometrie durch. Auch diese Entwicklung nutzen wir, um die Ergonomie zu verbessern. Dafür haben wir ein eigenes HMI-Framework entwickelt.

Prime-Cube-Serie,
In der Prime-Cube-Serie verbindet Schubert bei Bedarf moderne Touch-Displays mit auf die Applikation angepassten Drehreglern, Schaltern und Tasten. (Bild: Schubert)

Das klingt interessant, auf das Framework kommen wir gleich noch. Bleiben wir kurz bei der Hardware: Beobachten Sie einen Trend hin zu mehr Rechenleistung?

Beim Thema Rechenleistung kommt es sehr stark auf die Anwendung an. Die einen benötigen eher eine grafische Leistung und damit einen stärkeren Grafikprozessor, bei den anderen ist es vielleicht eher die Arithmetik, die eine große Prozessorleistung benötigt. Manche brauchen beides. Ich denke aber, dass es oft anders herum ist: Die heute verfügbare Rechenleistung weckt mit der Zeit erst diese Begehrlichkeit. Man packt immer mehr in die Applikationen hinein, und die Rechenleistung steht, in Anführungszeichen, fast unbegrenzt zur Verfügung – in den Gedanken zumindest.

Mit den neuesten Rechnerplattformen wie Intels Core i7 können wir schon ein großes Spektrum abdecken. Aber nichtsdestotrotz gibt es auch die ganz andere Schiene, wo man auf die ARM-Prozessortechnologie heruntergeht, wo es zum Beispiel nur darum geht, mit einfachen Grafiken lokal Störungen anzuzeigen und einfache Bedienungen vorzunehmen. Oder wenn es Temperaturanforderungen gibt, auf die man achten muss, wenn die Verlustleistung gering sein muss, sind kleinere Prozessoren gefragt. Es kommt auf die Applikation an, und natürlich auf den Preis.

ke NEXT TV zu Besuch bei Schubert System Elektronik (Quelle: ke NEXT TV)

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