crumbling China flag

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Das Konfliktpotential zwischen China und der westlichen Welt steigt:

Jessica Breuer
Jessica Breuer ist Direktorin der Solution Group Maschinen- und Anlagenbau bei der Managementberatung Atreus in München. (Bild: Atreus)

Im Sommer 2023 sind Exportbeschränkungen auf Rohstoffe – Gallium und Germanium – in Kraft getreten, Rohstoffe, die für die Halbleiterindustrie von außerordentlicher Bedeutung sind. Bei genauerer Betrachtung sind diese Metalle keineswegs selten. Allerdings ist ihre Verarbeitung kostenintensiv, wodurch westliche und andere Produzenten dem Preiswettbewerb der chinesischen Lieferanten nicht standhalten konnten und aufgeben mussten. Besonders bei kritischen Rohstoffen, die von China nach Europa und Deutschland exportiert werden, besteht eine teils hohe Abhängigkeit, wodurch das Risiko von Erpressung steigt.

Die verkündeten Maßnahmen Chinas sollten sämtliche Abnehmer im Westen dazu anregen, sich künftig nicht länger ausschließlich auf Zulieferer aus China zu verlassen. Diese Dominanz bei den Rohstoffen lässt sich nicht rasch beseitigen. In dieser Hinsicht ist Europa derzeit besonders anfällig. Auch wenn die USA nun verstärkt in die Rohstoffgewinnung einsteigt, wird es voraussichtlich 5 bis 10 Jahre dauern, bis die Abhängigkeit von China merklich abnimmt. Dies wird dazu führen, dass Unternehmen, die von diesen Rohstoffen abhängig sind, allen voran die Chipindustrie, ihre Lieferantenbasis diversifizieren müssen.

Es ist jedoch auch ein Wettbewerb der Systeme – Autokratie gegen Demokratie. Unter diesem Aspekt kann die Nähe zu China, die Abhängigkeiten und Verflechtungen evaluiert und Schlussfolgerungen gezogen werden. Doch in Gesprächen mit mittelständischen Maschinenbauunternehmen zeigt sich ein deutlich pragmatischerer Ansatz oder sogar eine Ignoranz bzw. das Verdrängen geopolitischer Konsequenzen. Die sich zunehmend verschlechternden Standortbedingungen in Deutschland führen zur Verlagerung von Produktionsstätten. Die chemische Industrie hat in den letzten Monaten eine spürbare Produktionskürzung erlebt, während BASF mit viel Aufmerksamkeit ein großes Werk in China eröffnet hat. Automobilhersteller setzen vermehrt auf den chinesischen Markt und planen bedeutende Investitionen in China (vgl. HB, 21.7./S.19, Das Ende einer goldenen Ära, Bert Rürup).

China zwischen Spannungen und Chancen: Perspektiven angesichts der Taiwan-Frage

Dr Christian Frank Atreus
Dr. Christian Frank ist Partner und Leiter der Solution Group Maschinen- und Anlagenbau bei der Managementberatung Atreus in München sowie Mitglied des Executive Boards (Bild: Atreus)

Eine häufig gehörte und weit verbreitete Meinung ist, dass es zu keiner offenen Auseinandersetzung kommen wird, da dies auch für China ein zu großes Risiko darstellen würde. Stattdessen wird eher ein längerfristiger Prozess der "Annäherung" zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan erwartet.

Trotz der gegenwärtigen politischen Spannungen bleibt China für die kommenden Jahre ein attraktiver Standort, auch wenn es derzeit unter einer Konsum- und Investitionsflaute leidet. Die anhaltende Immobilienkrise in China hat zu einer deutlichen Zurückhaltung der Immobilienkäufer geführt, die nun an anderen Stellen sparen, um ihre Schulden schnell zu begleichen.

Es gibt jedoch auch gegensätzliche Entwicklungen: Aufgrund des schwachen Binnenkonsums in China streben chinesische Anbieter vermehrt auf den europäischen und amerikanischen Markt, auch um vor Ort zu produzieren. Dadurch umgehen sie Zollbeschränkungen für wichtige Materialien und senken gleichzeitig die Transportkosten. Dies übt Druck auf den heimischen Markt aus und beeinflusst die angestammten Kernmärkte des deutschen Mittelstands. Deutsche Unternehmen, insbesondere im Maschinenbau, sind durch chinesische Exporte zusätzlichem Druck ausgesetzt. Die Förderung chinesischer Exporte ist durch das kommunistische Regime politisch gewollt, insbesondere, solange die Binnennachfrage nicht in Schwung kommt. China konzentriert sich darauf, seine Exporte wettbewerbsfähig zu halten, auch mithilfe von Subventionen. Der Importanteil chinesischer Maschinenbauer in die EU stieg von 6,8 Prozent im Jahr 2010 auf 11,4 Prozent im Jahr 2022.

Auf der Beschaffungsseite deutet nichts darauf hin, dass die Verbindungen abgebaut werden. Die Lieferkette hat sich mittlerweile nach den Wirren der Pandemie wieder normalisiert, und die Versorgung ist wieder gesichert. In Asien hat sich die Versorgung mit Rohstoffen, Materialien und Komponenten schneller normalisiert als die Lieferketten zwischen Asien und Europa. Lediglich die Lieferfähigkeit von Steuerungskomponenten leidet nach wie vor. China bleibt ein attraktiver Standort für Beschaffung und Produktion. Dennoch haben die Ereignisse der letzten zwei Jahre einen starken Eindruck auf Unternehmen hinterlassen, die zukünftig ihre Lieferketten deutlich diversifizieren und einen stärkeren Teil ihres Lieferantennetzwerks in Europa ansiedeln möchten.

Chinas Bedeutung für den Mittelstand: Chancen und Herausforderungen im globalen Kontext

Für zahlreiche mittelständische Unternehmen im Maschinenbau bleibt China ein bedeutender Absatzmarkt. Ein Geschäftsführer eines weltweit agierenden mittelständischen Maschinenbauunternehmens äußerte die Ansicht: "China ist gesetzt und trägt wesentlich zum Unternehmensergebnis bei." Diese Auffassung teilen viele Unternehmer. Das Land bleibt ein attraktiver Standort und wird auch in den kommenden Jahren für viele deutsche mittelständische Industriebetriebe ein Schwerpunkt des Wachstums sein.

Jedoch dürfen Asien und China nicht gleichgesetzt werden. Asiatische Märkte, insbesondere Indien, bieten sich sowohl als erweiterte Produktionsstandorte für westliche Unternehmen als auch als Absatzmärkte an. Dabei müssen politische Rahmenbedingungen wie Handelsabkommen, Rohstoff- und Energiepartnerschaften geschaffen werden. Sicherlich kann der chinesische Markt als Beschaffungs- und Absatzmarkt nicht durch die Fokussierung auf andere asiatische Märkte kompensiert werden. Dennoch ist es ratsam, pragmatisch zu handeln und nicht wie in den letzten 20 Jahren erfolglos mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur zu verhandeln, wodurch den Chinesen das Feld überlassen wurde. Eine solche Vorgehensweise kann sich weder Europa noch Deutschland leisten.

China bleibt für viele Unternehmen ein wichtiger Markt, und diese Unternehmen behalten dort eine bedeutende Präsenz. Im Jahr 2022 war China mit einem Handelsvolumen von rund 300 Mrd. EUR der führende Handelspartner Deutschlands, und das bereits im siebten Jahr in Folge. Nicht weniger bedeutend ist die USA als Handelspartner mit einem Volumen von 250 Mrd. EUR im Jahr 2022. Diese Situation könnte im Falle einer geopolitischen Eskalation zu einem Dilemma werden. In den letzten Monaten haben wir teilweise zusätzliche Investitionen erlebt. Dabei betont die Politik deutlich, dass sie im Falle von Ausfällen nicht einspringen wird und die Verantwortung für das "Derisiken" hauptsächlich bei den Unternehmen liegt. Hierbei besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen der politischen und der wirtschaftlichen Interpretation. Die wirtschaftliche Konsequenz des "Wiedererhöhens" besteht darin, dass Unternehmen in China weiter investieren, und verstärkt für den chinesischen Markt produzieren.

Strategische Wendepunkte: USA’ s Pragmatismus und die Zukunft der Lieferketten

Die USA zeigen in diesem Zusammenhang eine deutlich pragmatische Haltung, selbst wenn von offizieller Seite mit möglichen gegenseitigen Ausfuhrbeschränkungen gedroht wird – wie kürzlich im Zusammenhang mit zwei für die Chipindustrie relevanten Rohstoffen. Gleichzeitig werden neue Lieferketten parallel aufgebaut, ohne dabei die bestehenden Lieferketten zu gefährden oder abzubauen. Viele chinesische Lieferanten haben sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte etabliert und skaliert, sodass das Abbrechen dieser Lieferbeziehungen einen enormen Schaden verursachen würde – ein "Too Big to Fail"-Szenario! Gleichzeitig gelingt es den USA, beispielhaft in Oklahoma eine erste Verarbeitungsanlage für Seltene Erden und kritische Mineralien aufzubauen, um dort unter anderem Magneten für die Automobilindustrie zu produzieren. Auch wenn ein Teil immer noch importiert werden muss, so wird dieser Anteil sicherlich nicht mehr hundertprozentig sein.

Bei Berücksichtigung der strategischen Bedeutung, der bestehenden hohen Abhängigkeit mit einer zunehmenden Erpressbarkeitstendenz sowie eines latent vorhandenen Krisenpotenzials ergeben sich verschiedene Handlungsoptionen. Diese leiten sich sowohl aus der Kritikalität der Beziehung als auch aus der strategischen Relevanz ab. Wenn eine Lieferantenbeziehung im Sinne einer "verlängerten Werkbank" besteht, ist ein Rückzug und eine Verlagerung nach Europa oder in ein anderes Land durchaus denkbar – sogar kurzfristig. Diversifikation und eine breitere Aufstellung, sowohl in Asien als auch in Europa, könnten erfolgen. Insbesondere haben die Lieferketten-Risse aufgrund der strikten Covid-19-Regeln verdeutlicht, wie fragil vermeintlich stabile Lieferketten sein können. In Fällen von kritischen Teilen oder großen Volumina ist ein schneller Rückzug nicht immer möglich, da der Aufbau neuer Strukturen nicht schnell genug umsetzbar ist.

Vertriebs- und Serviceorganisation bleiben vor Ort, um den Absatzmarkt China zu bedienen, ein Rückzug ist nicht sinnvoll.

China ist nach wie vor ein attraktiver Produktionsstandort, verfügt über qualifiziertes Personal mit hoher Leistungsbereitschaft und Arbeitsethik sowie günstige Energie, ohne die Geopolitik auszublenden, wobei andere asiatische Länder sich als alternative Standorte positionieren und immer interessanter werden.

Komplette Einheiten „local for local“ zur Bedienung des chinesischen Binnenmarktes: Bei immer mehr Unternehmen setzt sich die Logik durch, in der Region für die Region zu produzieren und zu liefern und dafür auch die geeignete lokale Lieferkette zu organisieren. Wir erleben seit einigen Monaten eine Neuausrichtung der Strategien entsprechend der neuen geopolitischen Realitäten. Wichtige Märkte werden nicht mehr durch Exporte, sondern durch Produktion vor Ort bedient (local for local) auf Kosten des Industriestandortes Deutschland. Das ist aus Sicht der Unternehmen eine sehr rationale Handlung, dagegen ein großes Dilemma, wenn man die geopolitischen Risiken im Fokus hat (vgl. Mikko Huotari, China steht am Wendepunkt, HB, 21./22.7.2023, S. 48f.)

Fazit

Eine Belehrung seitens der Politik ist nicht vonnöten. Würde die Politik ihre eigenen Aufgaben erfüllen und würde für Deutschland alle Voraussetzungen eines attraktiven Produktions- und Wirtschaftsstandort schaffen, würden Mittelständler sicherlich nicht in Massen nach Asien und in die USA abwandern, um dort Produktionsstätten zu errichten. In Anbetracht der Bedeutung Chinas als Beschaffungsmarkt und als Absatzmarkt, insbesondere angesichts der latent vorhandenen Kriegsgefahr, empfiehlt sich ein differenziertes Modell:

  • Beschaffung: Diversifizierung, Absicherung der Lieferketten, Verkürzung und Reduzierung der Logistikkosten.
  • Produktion: China bleibt zwar ein attraktiver Standort, jedoch sollte die Abhängigkeit durch den Aufbau von Produktionsstätten in anderen asiatischen Ländern verringert werden.
  • Absatzmarkt: Der chinesische Markt ist zu attraktiv, um ihn aufzugeben; dennoch sollte auf lokale Produktion und Vertrieb gesetzt werden. Die Wertschöpfung und der Vertrieb vor Ort sollten im Ernstfall, der hoffentlich nie eintritt, relativ unabhängig von der Muttergesellschaft agieren können.

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