Vernichtet Automatisierung Arbeitsplätze?
Den vielleicht wichtigsten Punkt gleich zu Beginn: Werden durch Roboter und Automatisierungstechniken Arbeitsplätze vernichtet?
Eine der wichtigsten wissenschaftlichen Studien zu dieser Frage kommt zu einer klaren Aussage in Bezug auf die Automation: Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Marcel Smolka (Europa-Universität Flensburg) und seine Kollegen analysierten die Daten mehrerer tausend spanischer Fertigungsunternehmen über einen Zeitraum von 27 Jahren (1990 bis 2016). Auf diese Weise konnten sie Entwicklungen in Unternehmen, die Roboter zur Automatisierung einsetzten, vergleichen mit jenen, die das nicht getan haben.
Die Untersuchung der Daten zeigte, dass die Einführung von Robotern innerhalb von vier Jahren zu erheblichen Produktionssteigerungen von 20 bis 25 Prozent führte, der Anteil der Arbeitskosten um 5-7 Prozentpunkte sank und zur Schaffung von Nettoarbeitsplätzen in Höhe von 10 Prozent führte.
Unternehmen, die keine Roboter zur Automatisierung der Prozesse einsetzen, erlebten dagegen signifikante Arbeitsplatzverluste. Smolka: „‘Robot adopters‘ weiten ihre Geschäftstätigkeit aus und schaffen Arbeitsplätze, während ‚non-adopters‘ angesichts des verschärften Wettbewerbs mit Hochtechnologie-Unternehmen negative Produktions- und Beschäftigungsergebnisse erzielen.“
In Kürze: Was ist Automatisierung? Eine Definition in 3 Schwierigkeitsgraden
Für einen Zweitklässler: Automatisierung bedeutet, dass Maschinen oder Computer Aufgaben für uns erledigen, so wie wenn du ein Spielzeugauto hast, das von selbst fährt, sobald du es aufziehst.
Für einen Abiturienten: Automatisierung ist der Prozess, bei dem Systeme oder Maschinen entwickelt werden, um Aufgaben ohne menschliches Zutun auszuführen. Es ist wie ein fortgeschrittenes Computerprogramm, das bestimmte Aufgaben automatisch erledigt, ohne dass du ständig darauf klicken oder es steuern musst.
Für einen Vollprofi: Automatisierung bezieht sich auf den Einsatz von Technologie, insbesondere von Steuerungs- und Informationstechnologien, um verschiedene Prozesse und Abläufe zu steuern und zu überwachen. Sie reduziert die Notwendigkeit menschlicher Intervention und erhöht die Effizienz, Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Systemen, wobei sie oft in Kombination mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen eingesetzt wird, um komplexe Aufgaben in verschiedenen Branchen zu optimieren.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein Forschungspapier, das WissenschaftlerInnen am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn 2019 erstellt haben und das sich auf die Automatisierung allgemein bezieht. Die Ergebnisse einer Befragung von rund 2.000 Produktions- und Dienstleistungsbetrieben zeigten, dass sich die Pläne der Unternehmen, auch in Zukunft weiter in digitale und automatisierte Arbeitsprozesse zu investieren, leicht positiv auf die Beschäftigung in Deutschland auswirken.
Besagte Investitionen sollten demnach im Zeitraum von 2016 bis 2021 zu einem Jobwachstum von insgesamt 1,8 Prozent führen. „Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung sorgt dafür, dass Unternehmen zunächst eher zusätzliche Beschäftigte brauchen und einstellen werden, um die neuen Technologien einzuführen, als Personal abzubauen“, erklärt Dr. Ulrich Zierahn vom ZEW.
Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien vom Herbst 2022 sieht darüber hinaus einen klaren Zusammenhang zwischen dem demografischen Wandel und der industriellen Automatisierung: Länder mit besonders niedrigem Bevölkerungswachstum haben nämlich gleichzeitig die höchste Dichte an Industrierobotern pro Arbeitskraft, wie sich herausgestellt hat:
- Spitzenreiter ist Südkorea mit einer Roboterdichte von 1.000 Robotersystemen pro 10.000 Beschäftigten - und einer besonders niedrigen Geburtenrate von 0,8 Kindern pro Frau.
- Auf den Plätzen zwei und drei folgen Singapur und Japan mit 1,1 bzw. 1,3 Geburten.
- Mit Hongkong auf Platz 7 gibt es ein zweites Land unter den Top Twelve, das mit einer Geburtenrate von 0,9 sogar unter der Marke von 1 bleibt.
Weltweit wird die Geburtenrate 2021 bei 2,3 liegen. Klaus Prettner und Ana Lucia Abeliansky vom Department für Wirtschaftswissenschaften der WU kommen in ihrer Studie jedenfalls zu dem Schluss, dass jeder Rückgang des Bevölkerungswachstums um ein Prozent das Wachstum der Roboterdichte um zwei Prozent erhöht. "Automatisierung in der Industrie trägt also zumindest in dieser Dimension zur Lösung eines Problems bei und sollte daher nicht per se als Problem gesehen werden", so die Forschenden.
Welche Technologien gehören zur Automatisierung?
Kommt ein bisschen darauf an, wen man fragt:
- Laut dem Gabler-Wirtschaftslexikon ist Automatisierung die "Übertragung von Funktionen des Produktionsprozesses, insbesondere Prozesssteuerungs- und -regelungsaufgaben vom Menschen auf künstliche Systeme."
- Der Verband VDMA zählt zur Automatisierung die drei Bereiche Integrated Assembly Solution (Montage- und Handhabungstechnik), die Robotik sowie den Bereich der Industriellen Bildverarbeitung.
- Laut dem ZVEI umfasst der Sektor die Teilbranche elektrische Antriebe; Schaltgeräte, Schaltanlagen und Industriesteuerungen sowie Messtechnik und Prozessautomatisierung.
Dabei geht es in der Regel um die Automatisierung von Fertigungsprozessen in der Industrie.
Darüber hinaus gibt es unter dem Namen RPA (Robotic Process Automation) eine rein softwarebasierte Automatisierung von Unternehmensabläufen. Dabei übernehmen Software-Agenten oft mit Unterstützung von KI-Algorithmen eng definierte Prozesse von menschlichen Mitarbeitern, zum Beispiel in der Kundenkommunikation. Ein Beispiel für diese Automatisierung sind Chat-Bots.
Welche Umsätze werden mit Automatisierung generiert?
Laut einer Studie des kanadischen Marktforschungsunternehmens Precedence Research umfasste der weltweite Markt für die industrielle Automatisierung 2023 rund 213,5 Milliarden US-Dollar. Die Analysten dort erwarten bis zum Jahr 2033 mehr als eine Verdoppelung des globalen Umsatzes bei den Unternehmen der Automatisierungs-Branche auf dann rund 529 Milliarden US-Dollar. Das würde einem durchschnittlichen Wachstum pro Jahr (CAGR) von etwa 12 % entsprechen.
Wo sitzen die wichtigsten Automatisierungsunternehmen?
Die 15 umsatzstärksten Automatisierungsunternehmen konzentrieren sich laut einer Auswertung des US-Magazins Control im Wesentlichen auf die drei Regionen Zentraleuropa, die USA sowie Japan, wie die folgende interaktive Weltkarte zeigt:
Als größter Automatisierer der Welt gilt der deutsche Siemens-Konzern mit einem Umsatz von mehr als 14 Milliarden US-Dollar in diesem Sektor. An zweiter Stelle der Automatisierungs-Top-Ten liegt der Schweizer ABB-Konzern, gefolgt vom US-Unternehmen Emerson (siehe Tabelle unten)
Die größten Automatisierer als Tabelle
Rang | Unternehmen | Standort | Land | Umsatz (in Mio. US-Dollar) |
1 | Siemens | München | Deutschland | 14.181 |
2 | ABB | Zürich | Schweiz | 11.920 |
3 | Emerson | Ferguson (Missouri) | USA | 11.610 |
4 | Schneider Electric | Paris | Frankreich | 7.978 |
5 | Rockwell Automation | Milwaukee (Wisconsin) | USA | 7.289 |
6 | Fortive (Danaher) | Everett (Washington) | USA | 5.233 |
7 | Festo | Esslingen am Neckar | Deutschland | 3.986 |
8 | Mitsubishi Electric | Chiyoda | Japan | 3.754 |
9 | Ametek EIG | Berwyn (Pennsylvania) | USA | 3.754 |
10 | Honeywell | Morristown (New Jersey) | USA | 3.742 |
11 | Omron | Kyoto | Japan | 3.702 |
12 | Phoenix Contact | Blomberg | Deutschland | 3.523 |
13 | Endress+Hauser | Reinach | Schweiz | 3.414 |
14 | Yokogawa | Tokio | Japan | 3.201 |
15 | MKS Instruments | Andover (Massachussetts) | USA | 2.950 |
Welche Rolle spielt Deutschland in der Automatisierung?
Mit einem Jahresumsatz von 52,3 Milliarden Euro bei Automatisierungstechnik im Jahr 2021 und einem Exportwert von 46,5 Milliarden Euro stellt Deutschland international gesehen einen der wichtigsten Standorte für die Automatisierungsbranche dar. 2021 waren in Deutschland in der Automation rund 257.000 Menschen beschäftigt, so Zahlen von ZVEI, VDMA und statistischem Bundesamt.
Welchen Anteil haben Roboter an der Automatisierung?
Roboter werden zu einem immer wichtigeren Teil der Automatisierung, nicht nur in der Industrie, sondern zunehmend auch in Dienstleistungsbereichen. Nach einer "Corona-Delle" 2019 und 2020 hat die Zahl der Roboter seitdem stark zugenommen.
Laut dem Jahresbericht "World Robotics 2023" der International Federation of Robotics (IFR) ist die Industrierobotik 2022 im zweiten Jahr in Folge um mehr als eine halbe Million neu installierter Systeme gewachsen. Mit 553.000 Einheiten wurde ein Zuwachs von 5 % gegenüber dem Vorjahr erreicht.
Die weltweit installierte Basis an Industrierobotern wuchs um 12 % auf 3,9 Millionen Systeme. Das durchschnittliche jährliche Wachstum seit 2017 beträgt damit stolze 13 %.
"Der Einsatz von Robotik und Automatisierung wächst derzeit in einem atemberaubenden Tempo", sagte Marina Bill, Präsidentin der IFR.
Findet Automatisierung nur in der Industrie statt?
Nein, auch im Bereich der Dienstleistungen wird immer stärker automatisiert. Neben der rein softwarebasierten Prozessautomation (Robotic Process Automation RPA) gibt es im Service-Sektor auch einen starken Trend zur hardware-basierten Automatisierung. Beispiele dafür sind zum Beispiel Roboter, die Aufgaben des Wachschutzes übernehmen (Wie Kollege Roboter die Security-Branche revolutioniert) oder als Köche On-demand frische Nudelgerichte zaubern (Mit dem Cobot bleibt die Küche niemals kalt).
Starke Zuwächse sieht die IFR dementsprechend im Bereich der professionellen Servicerobotik: Besonders deutlich wird dies im Hotel- und Gaststättengewerbe, wo die Zahl der eingesetzten Systeme im Jahr 2022 um satte 125 % auf 24.500 Systeme steigen wird. Es folgen Transport und Logistik mit einem Zuwachs von 44 % auf 86.000 Systeme und die Landwirtschaft mit einem Plus von 18 % auf 8.000 Roboter. Großes Wachstumspotenzial sieht die IFR beispielsweise auch im Bereich der Gebäudereinigung.
Der Autor: Peter Koller
Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins IEE. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.