Zeitenwende in der Bauwirtschaft

KI sorgt für eine Revolution auf der Baustelle

Für die Bauwirtschaft bricht eine von Digitaltechnologie und vor allem von Künstlicher Intelligenz geprägte Ära an.
Für die Bauwirtschaft bricht eine von Digitaltechnologie und vor allem von Künstlicher Intelligenz geprägte Ära an.

Roboter bohren in Decken, Drohnen analysieren Baufortschritte und KI-Systeme verhindern kostspielige Fehler: Der Umbruch in der Bauwirtschaft hat längst begonnen.

Die Baubranche ist prädestiniert für den Siegeszug der Real-world AI, also der Nutzung Künstlicher Intelligenz in der realen Welt. Real-world AI steht dabei als Gegenentwurf zur Gen AI, der generativen KI. Während Gen AI wie etwa ChatGPT lediglich Texte, Bilder, Grafiken oder Videos generieren kann, umfasst Real-world AI beispielsweise KI-Roboter oder Baumaschinen mit KI-Steuerung. Experten sind sich sicher, dass die Baubranche beides kombinieren wird.

KI verändert Prozesse, Planung und Geschäftsmodelle

„Der Einsatz Künstlicher Intelligenz verändert die Prozesse, Planungslogiken und Geschäftsmodelle der Branche grundlegend. Dabei geht es perspektivisch nicht nur um digitale Baupläne oder automatisierte Ausschreibungen. Vielmehr werden intelligente Systeme künftig Einzug in nahezu alle Phasen eines Bauprojekts halten: von der Bedarfsplanung über die Bauausführung bis zum Gebäudebetrieb", erklärt der Bau- und Immobilienexperte Klaus-Peter Stöppler.

Besonders relevant sei dabei der Einsatz von KI-gestützten Lösungen im Bereich des Building Information Modeling (BIM). Während BIM in Deutschland bereits in zahlreichen Großprojekten eingesetzt wird, beginnt in der nächsten Phase die Verknüpfung von BIM mit KI-Algorithmen. Dadurch lassen sich Planungsfehler nicht nur frühzeitig erkennen, sondern auch automatisch korrigieren. „Studien zufolge setzen heute schon knapp drei Viertel der deutschen Bauunternehmen KI in Planung und Entwurf ein, aber bei der Umsetzung auf der Baustelle fällt der Anteil deutlich niedriger aus“, so Stöppler. Das werde sich allerdings in den nächsten Jahren allmählich ändern.

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Baustellen werden sich deutlich wandeln

Sensorik, Drohnen und autonome Baumaschinen liefern Daten in Echtzeit, die mithilfe von KI analysiert werden. So entstehen prädiktive Modelle, die etwa den Verschleiß von Maschinen vorhersagen oder Arbeitsabläufe dynamisch anpassen, um Verzögerungen zu vermeiden. Stöppler verweist als Beispiel auf die Plattform Capmo, die mit KI-gestützter Mängelverfolgung und Baufortschrittsdokumentation inzwischen bei mehr als 3.000 Projekten deutschlandweit eingesetzt wird.

Weitere Beispiele direkt von der Baustelle sind:

  • der Baubot von Fischer, der präzise und monotone Arbeiten wie Bohren, Staubabsaugung und das Setzen von Bolzenankern in Decken, Wänden oder auf Fassaden übernimmt, oder
  • der Jaibot von Hilti, ein halbautonomer Bohrroboter mit KI-gestützter Positionserkennung, der Löcher anhand digitaler Pläne markiert und sich dynamisch an veränderte Baustellenbedingungen anpasst.

Neben spezialisierten Bohrrobotern drängen nach Beobachtung des Experten zusehends auch autonome Baumaschinen weiter auf den Markt, zum Beispiel die Trockenbaumaschinen von Canvas, die per KI‑Sensorik Wände ohne menschliches Zutun glätten. „Das ist eine direkte Antwort auf den Fachkräftemangel“, ordnet der Bau- und Immobilienfachmann Stöppler ein, dass die ausgedünnte Personaldecke neben der Kostenseite ohnehin einen starken Treiber für Innovationen in der Bauwirtschaft darstelle.

Digitaler Reifegrad wird auch durch die Bauämter aufgehalten

Doch trotz dieser Fortschritte bleibt der digitale Reifegrad der Branche insgesamt noch niedrig. Klaus-Peter Stöppler verweist in diesem Zusammenhang auf eine PwC-Studie aus dem letzten Jahr, wonach sich nur 16 Prozent der deutschen Bauunternehmen selbst als „digital fortgeschritten“ einstufen. Als Gründe nennt der Bau- und Immobilienexperte das traditionell fragmentierte Marktumfeld mit vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die hohe regulatorische Komplexität und die mit jedem Projekt verbundene umfangreiche Verzahnung mit einer Vielzahl von Beteiligten einschließlich Bauämtern und anderer staatlicher Stellen mit häufig sehr geringem Digitalisierungsgrad bremsen die Innovationskraft der Branche.

Das von der neuen Bundesregierung geschaffene Sondervermögen von 500 Milliarden Euro, von dem ein erheblicher Teil in die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur fließen soll, werde immerhin teilweise auch den technischen Fortschritt in der Baubranche vorantreiben, so der Experte. Allerdings gebe es eine Hürde, die der gesamten Bautätigkeit in Deutschland im Wege stehe: die mangelnde Digitalisierung der Bauämter. Nach Einschätzung des Bau- und Immobilienfachmanns ist die mangelnde Digitalisierung in den Bauämtern derzeit ein Flaschenhals für die gesamte Bauwirtschaft.