Die Erneuerbaren Energien werden kritisiert. Mit Recht, denn weder weht der Wind gerade dann, wenn die Verbraucher aus Industrie und Gesellschaft nach Strom verlangen, noch scheint die Sonne gerade dann. Dieses Problem ist so alt wie die grünen Technologien selbst. Die Achillesverse der Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen, das sind derzeit der mangelhafte Ausbau eines Verteilungsnetzes einerseits und die fehlende Kapazität der Energiespeicher andererseits.
Da hilft es wenig, dass das erste Halbjahr 2017 für Betreiber von Windkraft, PV-Anlagen und Co bisher sehr erfolgreich lief. Denn im April wurden in Deutschland zeitweise 85 Prozent der Stromversorgung aus Sonne und Wind generiert, ein neuer Rekord. Und auch die vergangenen Wochen im Juni 2017 waren gut, um Strom aus Wind und Sonne zu gewinnen.
Wo bleibt der richtige Speicher?
Bisher bleiben die Speichertechnologien jedoch hinter den Anforderungen aus dem Markt zurück. Die Lösungen, die heute zu sehen sind, sind oft in Reihe geschaltete Batterien basierend auf Lithium-Ionen-Technologie. Bei EWE, dem fünftgrößten Energieversorger in Deutschland, wagt man sich deshalb nun aus der Deckung. Das Unternehmen will nun mit einer Redox-Flow-Batterie neue Maßstäbe setzen und das, obwohl die Technik dafür schon lange bekannt ist.
Die Größenordnung hat es bei dem Projekt im Norden Deutschlands in sich. Denn mit dem 120 Megawattspeicher will der Energieversorger mittelgroße Städte wie Oldenburg einen Tag lang mit Energie versorgen können. Für Großstädte wie Berlin reiche der Stromvorrat immerhin für eine Stunde. Zeit genug, um kleinere Ausfälle überbrücken zu können. Doch wie funktioniert die Technik?
Die Redox-Flow-Technologie
Das Grundprinzip der Redox-Flow-Batterie ist schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt. Dabei wird elektrische Energie in einer Flüssigkeit gespeichert, in der bestimmte Stoffe gelöst sind. Solche Lösungen heißen Elektrolyte.
Bei einer Redox-Flow-Batterie kommen zwei unterschiedliche Elektrolyte zum Einsatz. Diese verteilen sich auf zwei getrennte Behälter. Die beiden Elektrolyte können Elektronen unterschiedlich fest an sich binden. Der Elektrolyt mit stärkerer Bindung zu Elektronen wird Katolyt der Elektrolyt mit schwächerer Bindung Anolyt genannt.
Um die Batterie zu laden, werden dem Katolyten durch Oxidation Elektronen entrissen und diese an den Anolyten weitergegeben, der diese an sich bindet. Beim Entladen kehrt sich der Elektronenfluss um, so dass die im Anolyten gespeicherte Energie frei wird und als elektrischer Strom wieder nutzbar wird.
Da sich die Elektrolyte bei Redox-Flow-Batterien in zwei getrennten Tanks befinden ist eine Entladung quasi ausgeschlossen und kann so über lange Zeit sicher gestellt werden. Ein Vorteil der Technik gegenüber anderen Batterientypen.
Projekt "größte Batterie der Welt"
Diese Grundeigenschaften nutzt EWE zukünftig am Standort in ostfriesischen Jemgum. Dort speichert man bisher Gas in den Kavernen, unterirdischen Salzhöhlen. Diese plant der Energieversorger mit Wasser füllen, um so salzhaltige Elektrolytspeicher zu halten. Da sich die Redox-Flow-Technologie theoretisch beliebig skalieren lässt und nur durch den verfügbaren Platz für die Tanks eingeschränkt wird, spricht das Unternehmen angesichts des vorhandenen Fassungsvermögen der Kavernen vom größten Batteriespeicher der Welt.
Das Problem bisher war, dass für die Elektrolyte der Redox-Flow-Batterien beispielsweise in Schwefelsäure gelöste umweltgefährdende Schwermetallsalze wie Vanadium eingesetzt wurden. Damit ist die Technologie in dieser Form nicht geeignet für den Einsatz in den natürlich entstandenen Kavernen. Deshalb setzt das Unternehmen nun auf eine Neuentwicklung von Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Diese haben eine Redox-Flow-Batterie entwickelt, die als Elektrolyt in Salzwasser gelöste recyclebare Polymere nutzt.Dazu der Dr. Martin Hager vom Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena: "Das Neuartige an unserem Batteriesystem ist, dass es deutlich günstiger hergestellt werden kann, aber dennoch fast die Kapazität und Leistung herkömmlicher, metall- und säurehaltiger Systeme erreicht."
Da das Verfahren bisher nur in Behältern erforscht wurden, die in etwa die Größe einer Regentonne haben, werden die Projektpartner noch einige Hausaufgaben machen müssen, bevor das Projekt komplett umgesetzt werden kann. „Wir haben noch einige Tests durchzuführen und etliche Fragen zu klären, bis wir das aufgezeigte Speicherprinzip gemäß der Universität Jena in unterirdischen Kavernen anwenden können. Ich gehe aber davon aus, dass wir etwa Ende des Jahres 2023 eine Kavernenbatterie in Betrieb haben können“, sagt Ralf Riekenberg, der das Kooperationsprojekt brine4power von EWE und Universität Jena leitet.
Doch noch ehe die Projektpartner diesen Schritt machen werden können und die Kavernen für die Energiespeicherung füllt, wird das Vorgehen in einer größeren Dimension mit Kunststoffbehältern noch getestet. Bis Ende 2017 will man dann startbereit sein und so die Redox-Flow-Batterie mit Polymeren zur Speicherung im großen Stil nutzbar machen. Mit Spannung verfolgen werden das Projekt sicher auch Kollegen aus Forschung und Industrie, um daraus neue Speicherkonzepte zu entwickeln. Sollte das Konzept aufgehen und Nachahmer finden, wäre das jedenfalls eine gute Nachricht. Denn so könnte es funktionieren mit der Energiewende.