
Nach dem erfolgreichen Test der kleinen Version von StEnSea im Bodensee soll das Konzept skaliert und vor der Küste Kaliforniens erprobt werden. (Bild: Fraunhofer IEE)
Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat einen Unterwasser-Energiespeicher entwickelt, der das Prinzip von Pumpspeicherkraftwerken auf den Meeresboden überträgt. Nach einem erfolgreichen Feldtest mit einem kleineren Modell im Bodensee bereiten die Forscherinnen und Forscher nun gemeinsam mit Partnern einen Testlauf vor der kalifornischen Küste vor: Im Projekt „StEnSea“ verankern sie dort in 500 bis 600 Metern Tiefe eine hohle, 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser. Der Prototyp hat eine Leistung von 0,5 Megawatt und eine Kapazität von 0,4 Megawattstunden.
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So funktioniert der Betonkugel-Stromspeicher
- Die Hohlkugel aus Beton bekommt oben eine Öffnung, in den eine Unterwasser-Motorpumpe, auch Pumpturbine genannt, in einem Rohr eingelassen wird.
- Wird ein Ventil geöffnet, strömt Wasser durch das Rohr in die Kugel hinein. Die integrierte Pumpe läuft dabei rückwärts und arbeitet als Turbine. Das Wasser treibt den Motor an, sodass Strom erzeugt wird. Damit wird der Speicher entladen.
- Ein Unterwasserkabel schafft dabei die Verbindung zum Stromnetz an Land oder zu einer schwimmenden Transformator-Station eines Offshore-Windparks.
- Soll Energie gespeichert werden, pumpt die Motorpumpe das Wasser gegen den Druck des umgebenden Wassers wieder aus der Kugel. Anschließend kann der Zyklus erneut beginnen.
„Für das Speichern von Strom über mehrere Stunden bis einige Tage hinweg eignen sich Pumpspeicher-Kraftwerke besonders gut“, erklärt Dr. Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer IEE. Dazu transportieren Pumpen große Wassermassen von einem tief gelegen Reservoir, dem sogenannten Unterbecken, in ein höher gelegenes, das Oberbecken. Das passiert, wenn die Stromverfügbarkeit hoch ist. Bei geringer Verfügbarkeit wird das Wasser im Pumpspeicherkraftwerk über ein Rohrsystem durch Turbinen in das Unterbecken geleitet. Die Turbinen wandeln diese kinetische Energie wiederum in elektrische um.
Pumpspeicherkraftwerke haben einen enorm hohe Wirkungsgrad. Allerdings ist ihr Ausbaupotenzial wegen des großen Flächenbedarfs weltweit stark begrenzt. „Daher übertragen wir ihr Funktionsprinzip auf den Meeresgrund – die naturräumlichen und ökologischen Restriktionen sind dort weit geringer“, so Projektmanager Bernhard Ernst.
Erfolgreicher Feldversuch am Bodensee
In einem Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee haben Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IEE zusammen mit Partnern bereits gezeigt, dass das Konzept funktioniert. Für den Großversuch arbeitet das Fraunhofer zum einen mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Der zweite Partner ist Pleuger Industries. Das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwassermotorpumpen, einer Schlüsselkomponente des Kugelspeichers StEnSea (Stored Energy in the Sea).
Als Standort für den Speicher haben die Partner ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Spätestens Ende 2026 soll er in Betrieb gehen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt mit knapp 3,4 Millionen Euro, das US-Energieministerium mit rund vier Millionen US-Dollar.
Welche Rolle spielt die Tiefe für die Effizienz?
Das Fassungsvermögen und die Leistung von Kugelspeichern hängen im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: dem Volumen der Kugeln und der Wassersäule, die auf den Kugeln lastet. Die Experten des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Sicht ideal sind. Denn dort stehen Parameter wie Druck, notwendiges Kugelgewicht und erforderliche Wandstärke in einem optimalen Verhältnis zueinander. Zudem können in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwassermotorpumpen eingesetzt werden. Auch der Einsatz von hochfestem Spezialbeton ist hier nicht erforderlich.
Welches Potenzial gibt es für die Betonkugel-Speicher?
Das Potenzial dieser Technologie ist riesig: Es liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forschenden bei insgesamt 817.000 Gigawattstunden. Allein an den zehn besten europäischen Standorten sind es immer noch 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden.
Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in der optimalen Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Vor Norwegen zum Beispiel, Portugal, der US-amerikanischen West- und Ostküste, Brasilien oder Japan könnten die Kugelspeicher in großer Zahl installiert werden. Ebenso eignet sich die Technologie für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.