Worum geht es bei Kabelbäumen?
Bestand ein Kabelbaum früher aus wenigen Drähten, die eine Verbindung beispielsweise von der Batterie zum Anlasser im Auto herstellen mussten, handelt es sich heute um hochkomplexe Leitungsstränge mit einem Gewicht bis zu 60 kg und einer kilometerlangen Gesamtlänge. Kabelbäume werden aber nicht nur in Autos oder Flugzeugen verbaut, sondern auch für Schaltschränke sowie für Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik benötigt.
Warum werden Kabelbäume bisher von Hand gefertigt?
Kabelbäume gehören zu den wenigen industriell genutzten Teilen, die nach wie vor händisch hergestellt werden müssen. Bislang werden die einzelnen Kabel auf einem Kabelbrett ausgelegt und in bestimmte Richtungen gebogen oder zusammengesteckt. Durch den Ukrainekrieg sind Autohersteller wie zum Beispiel BMW in Probleme geraten, weil dort produzierte Kabelbäume zeitweise nicht mehr geliefert werden konnten.
Eine Automatisierung ist zugleich aber auch sehr schwierig, weil bisherige Greifsysteme nicht in der Lage waren, nicht exakt platzierte schlaffe Kabel zu greifen oder Stecker zu verbinden.
Wie eine manuelle Kabelbaumfertigung aussieht, zeigt das folgende Video:
Wie kann eine automatisierte Kabelbaum-Fertigung gelingen?
Prof. Dr.-Ing. Bernd Langer und Prof. Dr.-Ing. Martin Kipfmüller haben an der Hochschule Karlsruhe ein Verfahren zur automatisierten Herstellung und Montage von Kabelbäumen entwickelt. Mit diesem Verfahren wird es möglich werden, Industrieroboter zur Herstellung von Kabelbäumen flexibel und wirtschaftlich einsetzen zu können.
Wie funktioniert das? Kurz gesagt: Die Kabel für einen Kabelbaum werden tiefgefroren.
So kommen sie in einen "biegesteifen" Zustand, in dem der Zusammenhang zwischen Kraft und Verformung linear und klar definiert ist.
Nachdem der biegesteife Zustand durch Einfrieren der Kabel erreicht ist, werden diese durch Industrieroboter geformt und auf Verlege-Anordnungen fixiert, die sich durch steuerbare bewegliche und temperierbare Stifte auszeichnen. Das Abkühlen kann in einem Kühlbereich oder durch Kühlbacken – also einem Mikroklima - erfolgen. So ist es denkbar, dass im Greifer des Industrieroboters Heiz- und Kühlelemente enthalten sind.
Die Kabel werden an der Biegestelle lokal erwärmt, damit die Isolation bei der Verformung nicht irreversibel geschädigt wird. Anschließend wird das Kabel sofort wieder abgekühlt, damit die Biegung stabilisiert. Die Roboterarme können dann mit vordefinierter Kraft den nächsten Kabelabschnitt ausrichten. Besonders interessant ist, dass nun Kabel auch im Rahmen der Montage durch Steckerwände hindurch gesteckt werden können, ohne dass diese abknicken.
Die Grundlagen zum Thema Robotik
Mit dem Thema kollaborative und Low-Cost-Robotik kommen auf Mittelstand und Handwerksbetriebe ganz neue Fragestellungen zu. Im folgenden finden Sie die wichtigsten Grundlagen verständlich erklärt:
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Welche Vorteile bringt das Verfahren?
Das Verfahren ermöglicht durch das Abkühlen eine Automatisierung im Bereich der Kabelbaumherstellung mit hoher kundespezifischer Varianz und Flexibilität:
- Die Vorteile des Verfahrens sind eine deutliche Verkürzung der Produktionszeiten sowie die bessere Planbarkeit und Verkürzung der Lieferkette, da die Produktion aufgrund der Kostenoptimierung durch Automatisierung in Industrieländer rückverlagert werden kann: Der Kabelbaum kann kurz der Verwendung in der gewünschten Ausfertigung produziert werden und steht dann exakt zum Einbauzeitpunkt bereit. So muss nicht mehr – wie bisher – eine wochenlange Lieferzeit eingeplant werden.
- Wenn der Kabelbaum durch die Automatisierung innerhalb des Produktionslaufs hergestellt werden kann, wird auch der so genannte "One-Piece-Flow" möglich, was wiederum die Flexibilität erhöht.
- Durch die Roboterbasierte Fertigung kann auch der Prozess dokumentiert und eine verbesserte Qualitätssicherung erreicht werden. Bislang findet eine Qualitätskontrolle optisch oder durch Ziehen am Kabel statt, was bei sehr kleinen Bauteilen aber kaum noch möglich ist.
Wie geht es mit der automatisierten Kabelbaumherstellung weiter?
Patente für die Erfindung wurden in Deutschland und verschiedenen europäischen Ländern bereits erteilt. Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH unterstützt die Hochschule Karlsruhe bei der Patentierung und Vermarktung der Innovation.
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