Eine insgesamt 5,4 Kilometer lange Unterquerung des Bosporus, wird dieser Auszeichnung in mehrfacher Hinsicht gerecht.

Sultan Abdülmecid I., Herrscher über das Osmanische Reich, forcierte bereits im 19. Jahrhundert als großer Visionär die Planung eines Tunnels unter der Meerenge. Dieser erwies sich mit den Mitteln der damaligen Zeit allerdings als unmöglich.

Nach 16 Monaten Vortriebszeit durchstach der Herrenknecht-Mixschild millimetergenau die Zielschachtwand des Eurasia-Tunnels auf der europäischen Landseite Istanbuls. Noch nie zuvor ist ein so großer, leistungsfähiger Tunnel unter derart vielschichtigen und extremen Bedingungen unterirdisch gebaut worden.

120-Meter-Tunnelbohrer

Die sorgfältig geplante und nun erfolgreich ausgeführte Ankunft des 120 Meter langen Tunnelbohrers ist für alle am Jahrhundertprojekt beteiligten „Baumeister“ ein ingenieurtechnischer wie emotionaler Höhepunkt, insbesondere für das Joint Venture Yapı Merkezi und SK Engineering & Construction.

Dr. Ersin Arıoğlu, Gründer von Yapı Merkezi und Vorstandsvorsitzender der Yapı Merkezi Holding, sowie Martin Herrenknecht, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Herrenknecht , und ihre Ingenieure erlebten den finalen Projekt-Durchbruch als einen besonderen gemeinsamen Moment. Er wird Signalwirkung im weltweiten Tunnelbau haben. Denn damit gehen neue Machbarkeits-Standards beim Herstellen von Tunneln unter extremen Baugrundbedingungen einher. „Ich glaube, das heute abgeschlossene Pionierprojekt wird auch andere Tunnelbauer ermutigen, immer tiefer, weiter und größer zu denken“, sagte Dr. Ersin Arıoğlu.

Projektstart im April 2014

Gestartet war die kühne Mission mit der in Schwanau speziell designten, 3300 Tonnen schweren Unikat-Maschine im April 2014. Sie legte in einem gigantischen Startbauwerk auf der asiatischen Seite am süd-östlichen Ende des Bosporus los. Bei einem Gefälle von fünf Prozent tunnelte sich der großformatige Mixschild bis zum tiefsten Punkt 106 Meter unter dem Bosporus.

Dort herrschen elf Bar Wasserdruck. Kombiniert mit einem sehr wechselhaften, verschleißintensiven Untergrund stellt das für die Abbauwerkzeuge des riesigen Schneidrades eine Extrem-Anforderung dar. Hierfür bedurfte es diverser Sicherheitsfeatures, die nur Herrenknecht durch Referenzen erprobt und weiterentwickelt für Pionierprojekte liefern kann.

„Die besondere Herausforderung bestand darin, ein Schneidrad zu entwickeln, das den Wechsel der Abbauwerkzeuge auch bei dem enormen Außendruck sicher von innen ermöglicht“, erklärt Werner Burger, Konstruktionsleiter bei Herrenknecht. Ergebnis: ein durch schmale Arbeitskammern von der Rückseite begehbares Schneidrad. So können die Werkzeuge durch spezielle Schleusensysteme vom Personal unter atmosphärischen Druckverhältnissen sicher ausgetauscht werden. Darüber hinaus war die TBM mit Spezial-Equipment zum Einsatz von Sättigungstauchern ausgestattet. „Alle Einrichtungen haben sich im Verlauf des Vortriebs bei Wartungs- und Reparaturarbeiten bewährt“, sagt Burger.

92 Meter pro Woche

Dank der Pionier-Technologie und der Zusammenarbeit aller Projektpartner erreichte die TBM unter dem Bosporus hervorragende Bestleistungen von bis zu 92 Metern pro Woche. „Modernste Technik ist eines von vielen Puzzleteilen. Entscheidender war jedoch unser unerschütterliche Wille und gegenseitiges Vertrauen ineinander. Nur dadurch haben wir gemeinsam den Durchbruch bei diesem außergewöhnlichen Projekt geschafft“, betonte Martin Herrenknecht.

Ab Ende 2016 sollen im Eurasia-Tunnel täglich 100.000 Fahrzeuge auf zwei übereinanderliegenden Fahrbahnen zwischen den Kontinenten wechseln. Das neue Tunnelbauwerk ist die erste direkte Verbindung zwischen dem historischen Golden Horn auf der europäischen Seite und dem Hafengebiet auf der asiatischen Seite. Es wird den chronisch verstopften Verkehr in Istanbul entscheidend entlasten und die Fahrtzeit von heute 100 auf nur noch 15 Minuten reduzieren.

hei

Verlauf Eurasie-Tunnel,
Der Eurasia-Tunnel verläuft vom Startschacht auf der asiatischen Seite aus unter den Bosporus in Richtung Europa – in einer Tiefe von bis zu 106 Metern unter dem Meeresspiegel. Dabei wurden Neigungen von bis zu fünf Prozent bewältigt. (Bild: Herrenknecht)

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