Mechatronik macht's möglich

Cleverer spielen: Dartscheibe mit eingebauter Bull’s-Eye-Garantie

Jeder Wurf ein (Voll-)Treffer: Ein mechatronisches Projekt von Studierenden des praxisintegrierten Studiengangs Mechatronik/Automatisierung macht diesen Darts-Traum jetzt möglich.
Jeder Wurf ein (Voll-)Treffer: Ein mechatronisches Projekt von Studierenden des praxisintegrierten Studiengangs Mechatronik/Automatisierung macht diesen Darts-Traum jetzt möglich.

Wie trifft ein Dartpfeil immer ins Schwarze? Ein Studierendenteam der Hochschule Bielefeld zeigt, wie Mechatronik, Kameras und Linearmotoren so etwas ermöglichen.

Ein kleiner Wackler – und schon fliegt der Dart-Pfeil anders als beabsichtigt. Felix Lütkebohle, Student am Campus Gütersloh der Hochschule Bielefeld (HSBI), ist das egal. Denn der Pfeil trifft trotzdem ins Schwarze, ins sogenannte Bull’s Eye - weil die Dartscheibe sich bewegt und sich in Sekundenbruchteilen so verschoben hat, dass der Pfeil genau in der Mitte landet.„Mechatronik macht’s möglich“, freut sich Lütkebohle.

Mechatronik/Automatisierung – so heißt auch der Bachelorstudiengang, den Felix Lütkebohle absolviert hat. In sieben Semestern lernen die Studierenden hier, Wissen aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik zu verknüpfen und komplexe technische Systeme zu entwickeln. Das Besondere: Der Studiengang ist praxisintegriert, die Studierenden durchlaufen abwechselnd Theoriephasen an der Hochschule und Praxisphasen in einem kooperierenden Unternehmen, bei dem sie auch angestellt sind. In Lütkebohles Fall: Beckhoff Automation aus Verl, global agierender Spezialist für Automatisierungssysteme.

„Die durchgängige Verknüpfung von Theorie und Praxis ist uns in beiden Phasen des praxisintegrierten Studiums sehr wichtig“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Freund, zuständig für das Lehrgebiet Elektrotechnik und Automatisierung am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der HSBI. Deshalb bearbeiten die Studierenden auch an der Hochschule immer wieder praktische Projekte. Die anspruchsvollste Aufgabe steht mit dem obligatorischen mechatronischen Projekt am Ende des Studiums, in den beiden letzten Semestern, an. Ein solches ist das Bull’s-Eye-Projekt.

Dieses Projekt unterscheidet sich nur thematisch von vergleichbaren Anforderungen in der Industrie. „Bei unseren Projekten geht es immer darum, die industrielle Arbeitsweise, sozusagen, zu simulieren“, erklärt Thomas Freund. Heißt: eigenständig und im Team zu arbeiten, Industrie-Komponenten zu verwenden und sämtliche Stufen des Projektmanagements zu durchlaufen, von der Planung inklusive Lastenheft, Gefährdungsanalyse, Zeit- und Budgetplanung über die Ausführung und Dokumentation bis hin zur Abnahme samt CE-Zeichen und Konformitätserklärung.

Bildverarbeitung, Programmierung, Projektleitung, Dokumentation

Das Entwickler:innenteam der Bull’s-Eye-Dartscheibe simulierte in seiner Projektarbeit die Anforderungen seines späteren Berufsalltags unter realen Bedingungen: (v.l.) Pierre Louis Detemble, Felix Lütkebohle, Jule Brede und Linus Bröker.
Das Entwickler:innenteam der Bull’s-Eye-Dartscheibe simulierte in seiner Projektarbeit die Anforderungen seines späteren Berufsalltags unter realen Bedingungen: (v.l.) Pierre Louis Detemble, Felix Lütkebohle, Jule Brede und Linus Bröker.

Das Studierenden-Team hatte sich schnell gefunden. Neben Felix Lütkebohle begeisterten sich auch Louis-Pierre Detemble, Linus Bröker und Jule Brede für das Bull’s-Eye-Projekt. Bis auf Brede, die ihr praxisintegriertes HSBI-Studium bei der Schüco International KG absolviert hat, sind alle Studierende des Teams zugleich Beckhoff-Mitarbeitende, ebenso wie die der Vorgänger-Teams. Dabei fing das Team nicht bei Null an: „Manche Projekte wie Bull’s Eye sind so aufwendig und umfassend, dass sie über mehrere Semester von mehreren Gruppen bearbeitet werden“, erläutert Thomas Freund die Vorgehensweise. Die vier Studierenden befassten sich als drittes Team mit dem „Bull’s Eye“-Projekt.

„Die Vorgruppen hatten bereits tolle Arbeit geleistet und eine absolut hilfreiche Projektübergabe vorbereitet“, betont der Projektleiter. Das Ziel seines Teams: „Die Trefferquote erhöhen und das System noch schneller machen.“ Dabei geht es um weniger als Sekunden. Bröker nimmt einen Dartpfeil in die Hand und demonstriert einen Wurf: „Der Abstand zwischen Dartscheibe und Werfenden beträgt laut Reglement 2,37 Meter. So dauert es vom Abwurf des Pfeils bis zum Eintreffen auf der Scheibe nur 140 bis 150 Millisekunden.“ Nicht viel Zeit, um die Flugbahn zu berechnen und die Dartscheibe in die entsprechende Position zu bringen.

Die Studierenden fokussierten sich auf die Bildverarbeitung und konnten dabei neu entwickelte Industriekameras mit höherer Aufnahmerate einsetzen, sodass mehr Bilder für die Berechnung der Flugbahn aufgenommen werden konnten. „Die Komponenten hatten bei unserer Übernahme des Projekts noch Prototypen-Status“, erzählt Lütkebohle. Professor Freund freut sich über den Einsatz der neuen Kameras: „Generell versuchen wir, in den Projekten moderne Methoden und auch die jeweils aktuelle Hardware zu verwenden.“ Ohne Sponsoren gehe das allerdings nicht, bekennt Freund.

Für Beckhoff Automation ist das Engagement keine Frage. Das Unternehmen stellte nicht nur mechatronische Bauteile zur Verfügung, sondern half auch mit seinem Know-how. „Wir unterstützen unsere praxisintegrierten Studierenden sehr gerne bei ihren Studienprojekten, schließlich profitiert das Unternehmen von optimal ausgebildeten Mitarbeitenden“, so Dr. Ursula Frank, R&D Kooperationen bei Beckhoff Automation. Nicht nur das: „Prototypen wie beispielsweise die hier verwendeten Komponenten zur Bildverarbeitung durchlaufen so quasi nebenbei noch einen zusätzlichen Praxistest. Die Erkenntnisse aus den Studien-Projekten nutzen wir gerne für Optimierungen und Weiterentwicklungen.“

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Zwei Antriebe und verschiedene Kameras bewegen die Dartscheibe

Neue Kameras mit höherer Aufnahmerate – für Felix Lütkebohle bedeutete das die Neuprogrammierung der Bildverarbeitung: „Die von den Kameras dreidimensional erfasste Flugbahn wird als ballistische Kurve dargestellt, um die Position exakt zu berechnen, bei der der Pfeil auf die Scheibe trifft.“ Dafür muss die Hälfte der Flugzeit reichen. Detemble ergänzt hinsichtlich der Rahmenbedingungen: „In den verbleibenden etwa 70 Millisekunden muss die Dartscheibe bzw. ihr Mittelpunkt an die errechnete Position gebracht, oder wie wir sagen: verfahren werden.“

Damit das mit der erforderlichen hohen Dynamik und Präzision geschieht, wurden im Bull’s-Eye-Projekt sogenannte Linearmotoren von Beckhoff verbaut. „Sie drehen sich nicht wie herkömmliche Rotationsmotoren, sondern schieben die anzutreibenden Objekte gradlinig an“, erklärt Thomas Freund. Bei der Abwärtsbewegung der Dartscheibe hilft außerdem die Schwerkraft mit. Und nach oben? „Für eine noch schnellere Aufwärtsbewegung haben wir einen zweiten Hilfsantrieb installiert“, nennt Jule Brede eine weitere Optimierung.

Fehlt nur noch die Dokumentation. Die Studierenden schauen leicht betreten, schließlich bekennt der Projektleiter mit einem Lachen: „Das ist nicht unbedingt die Lieblingsdisziplin der technisch Interessierten.“ Prof. Freund nickt verständnisvoll: „Aber auch sehr wichtig und unverzichtbar, da rechtsrelevant.“ Und so hat das Team auch die Dokumentationspflicht erfüllt. „Am besten funktioniert das parallel zur praktischen Bearbeitung des Projekts“, stellt Brede fest. „Man darf nicht bis zum Ende damit warten, dann kommt man durcheinander oder die Zeit wird knapp.“ Mit dem Ergebnis war Prof. Dr. Thomas Freund mehr als zufrieden. Und für das nächste Team wird die Dokumentation äußerst nützlich sein, denn fertig ist das Bull’s-Eye-Projekt auch nach der dritten Runde noch nicht. „Optimieren lässt sich immer etwas“, resümiert Lütkebohle.

FAQ: Dartscheibe mit eingebauter Bull's Eye-Garantie

1. Was macht die Dartscheibe zur „Bull’s-Eye-Garantie“?
Die Scheibe bewegt sich in Sekundenbruchteilen so, dass der Pfeil im Zentrum (Bull’s Eye) landet; möglich durch Mechatronik, Kameras und Linearmotoren.

2. Wie wird die Flugbahn erfasst – und wie knapp ist das Zeitfenster?
Die Kameras erfassen die Pfeilbahn dreidimensional; sie wird als ballistische Kurve berechnet. Vom Abwurf bis zum Auftreffen vergehen nur ca. 140 bis 150 ms; etwa 70 ms bleiben, um den Scheibenmittelpunkt an die berechnete Position zu verfahren.

3. Welche Antriebe sorgen für die nötige Dynamik?
Verbaut sind Linearmotoren (gradlinige Bewegung statt Rotation). Beim Abwärtsweg hilft die Schwerkraft; für schnellere Aufwärtsbewegungen ist ein zusätzlicher Hilfsantrieb installiert.

4. Wer steckt hinter dem Projekt und in welchem Rahmen entstand es?
Ein Studierendenteam der Hochschule Bielefeld (Campus Gütersloh) im praxisintegrierten Bachelorstudiengang Mechatronik/Automatisierung. Team: Felix Lütkebohle, Louis-Pierre Detemble, Linus Bröker, Jule Brede. Mehrere Team-Generationen arbeiteten daran; u. a. mit Unterstützung von Beckhoff Automation (Teile, Know-how); Brede studierte praxisintegriert bei Schüco.

5. Was waren Ziel und Fortschritte des aktuellen Teams – und wie wurde dokumentiert?
Ziel: Trefferquote weiter erhöhen und das System schneller machen. Eingesetzt wurden neue Industriekameras mit höherer Bildrate (teils noch Prototypen). Das Projekt bildet industrielle Arbeitsweise ab – inkl. Lastenheft, Gefährdungsanalyse, Zeit-/Budgetplanung, Ausführung, Dokumentation, Abnahme, CE-Zeichen und Konformitätserklärung. Die Dokumentation erfolgte parallel und dient dem nächsten Team; Optimierungspotenzial besteht weiterhin.