Werkzeugmaschinenhersteller Kapp Niles
Kapp Niles ist Hersteller von Maschinen und Werkzeugen zur Feinbearbeitung von Verzahnungen und Profilen. Knapp 800 hochspezialisierte Mitarbeiter repräsentieren die Innovationskraft und die seit 115 Jahren gewachsene Kompetenz des Unternehmens.
Der Spezialist ist Technologiepartner für Unternehmen der Fahrzeug-, Luftfahrt- und Kompressorindustrie, Antriebstechnik, Energie und Windkraft, Bahntechnik, Rohstoffgewinnung und des Schiffsbaus. Maschinen, Werkzeuge und Technologielösungen aus dem eigenen Haus bearbeiten Zahnräder und Profile auf tausendstel Millimeter genau und bis zu einem Durchmesser von acht Metern.
Jede Systemlösung wird von den Spezialisten individuell auf die Anforderungen des Kunden optimiert und über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betreut.
Das Forschungsprojekt Meproma
Das Forschungsprojekt Meproma entwickelte seit April 2012 in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungs- und Industrieverbund mechatronische Entwicklungsmethoden und -werkzeuge. Ziel des Projektes war die nachhaltige Steigerung der Effizienz im Produktentwicklungsprozess des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Lösungen werden jetzt in einem Leitfaden des VDMA zusammen gefasst.
Einen ausführlichen Bericht zum Forschungsprojekt und den Ergebnissen finden Sie in der ke NEXT 1-2/2015.
Interview mit Alfred Tenner, Leiter Elektrokonstruktion
Was war Ihre spezielle Rolle beziehungsweise Aufgabe im Projekt Meproma?
In der ersten Projektphase ging es darum, den aktuellen Entwicklungsprozess der beteiligten Firmen zu beschreiben.
Dazu wurden Interviews, unter anderem auch bei der Firma Kapp durchgeführt. Neben der reinen Beschreibung des Ablaufes einer Entwicklung wurde der Schwerpunkt auf den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Disziplinen und der verwendeten Tools gelegt. In den weiteren Projektphasen wurden die in den einzelnen Firmen gewonnenen Informationen gemeinsam diskutiert und ausgewertet.
Anschließend definierten wir ein mechatronisches Referenzmodell, welches die Arbeitsgebiete enthält, die für einen Entwicklungsprozess notwendig sind. Zu diesen Arbeitsgebieten zählen unter anderem das Projektmanagement, das Anforderungsmanagement oder das Konfiguration- und Variantenmanagement.
Die detaillierte Ausarbeitung dieser Arbeitsgebiete erfolgte durch die am Projekt beteiligten Firmen, in der Regel innerhalb bilateraler Treffen. Wir arbeiteten dabei schwerpunktmäßig an den Themen Anforderungsmanagement, Qualitätssicherung, Anforderung an eine integrierte Werkzeugkette und modellbasierte Absätze der Datendurchgängigkeit.
Welche Erfahrungen konnten Sie einbringen?
Wie auch viele andere Firmen des Maschinen- und Anlagenbaus beschäftigen wir uns mit der Optimierung der Entwicklungsprozesse. Dabei versucht jede Firma die Lösungen zu finden, die am sichersten und schnellsten zu einem Erfolg führen.
Wir beschäftigen seit einigen Jahren mit dem Thema „Durchgängige Entwicklungswerkzeuge“ und „Virtueller Test der Software und virtuelle Inbetriebnahme“.
Dazu stehen wir unter anderem mit der Firma Siemens in Kontakt, die den Mechatronic Concept Designer (MCD) entwickelt. Die dabei erarbeiteten Ergebnisse bezüglich optimierter Entwicklungsvorgehensweisen, Datendurchgängigkeit und Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen, konnten wir als unsere Erfahrungen in das Projekt einbringen.
Darüber hinaus demonstrierten wir den aktuellen Stand der virtuellen Inbetriebnahme, das heißt neben der Erstellung des 3D-Modells, der Einbindung der physikalischen Elemente, auch den Einsatz in einem realen Praxisfall.
Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Element, sind die Erfahrungen, die mit der Einführung von neuen Vorgehensweisen, wie zum Beispiel Scrum für die Softwareentwicklung im Maschinenbau, gewonnen wurden. Diese wurden ausführlich während eines separaten Termins diskutiert.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Projekt, dem erarbeiteten Konzept und Leitfaden mit?
Dadurch, dass alle Firmen ihre eigenen Erfahrungen beisteuerten, konnte die Wissensbasis aller erweitert werden. Die Abläufe für Entwicklungen im Maschinen- und Anlagenbau wurden klar definiert und in Cluster aufgeteilt.
Herausstreichen möchte ich die Erkenntnisse, dass es für eine Steigerung der Effektivität von Entwicklungsprozessen und damit einer Steigerung der Effektivität der Firmen insgesamt auf folgende Schwerpunkte ankommt: Funktionale Strukturierung der Produkte als wichtige Voraussetzung, das heißt als Basis der weiteren Schritte, das „Denken in Funktionen“ muss in den Firmen etabliert werden; frühzeitige und gleichberechtigte Zusammenarbeit aller an der Entwicklung beteiligter Disziplinen, Erfahrungen bei der Einführung der neuen Vorgehensweisen sowie die Suche nach geeigneten Tools, um eine Datendurchgängigkeit zu erreichen.
Welche Konsequenzen hat die Teilnahme am Projekt, wie etwa veränderte Prozesse?
Die gewonnenen Erkenntnisse können wir sehr gut bei der weiteren Umgestaltung unseres Entwicklungsprozesses anwenden. Dazu zählt auch die Einführung des MCD von Siemens. Da der MCD als Tool durch Siemens ständig weiterentwickelt wird, haben wir als Partner die Möglichkeit, regelmäßig unsere Anforderungen einzubringen. Dabei können wir nun auch auf die in Meproma erarbeiteten Erkenntnisse zurückgreifen.
Darüber hinaus gab es auch direkte Konsequenzen. Nennen möchte ich hier etwa die Einführung von Scrum bei Softwareprojekten. Parallel dazu laufen Überlegungen , den Entwicklungsprozess durch zum Beispiel Parallelisieren von Entwicklungsschritten effektiver zu gestalten. Voraussetzung dafür sind klar definierte funktionale Strukturen und eine durchgängige Datenbasis.
Was würden Sie sagen, welche Faktoren tragen allgemein zum Erfolg eines neuen Projektes/Workflows in einem Unternehmen bei?
Aus meiner Sicht sind folgende Schritte für den Erfolg maßgeblich:
- Erarbeiten und Umsetzen eine funktionalen Struktur des Produktes, zum Beispiel der Werkzeugmaschine. Diese Struktur sollte im Unternehmen durchgängig definiert sein, vom Verkauf über die Konstruktion, Montage bis zur Auslieferung beziehungsweise dem Controlling.
- Bildung von Entwicklerteams, die alle am Entwicklungsprozess beteiligten Mitarbeiter über alle Disziplinen einschließen. Der Einsatz agiler Methoden kann von Vorteil sein, ist aber im Einzelfall zu entscheiden. Je nachdem wie groß das Projekt und das Team ist.
- Frühzeitige Einbindung der Qualitätssicherung, das heißt Testfälle definieren, Komponententest, Virtuelle Inbetriebnahme oder Dokumentation der Testergebnisse.
- Definition der Datenbasis. Hier muss eine Entscheidung über die einzusetzenden Tools und die Art und Weise der Ablage der Daten aus den disziplinspezifischen Tools (3D-CAD, E-CAD, Software, …) und der Dokumentation getroffen werden.
- Definieren der Einführungsstrategien dieser neuen Vorgehensweisen. Dazu gehört eine offene Kommunikation mit den Mitarbeitern, wie etwa dem Schaffen von Kommunikationsplattformen, Mitarbeiterschulungen und Einzelgesprächen. Darüber hinaus zählt hierzu auch die Auswahl der Teams unter Berücksichtigung der Soft Skills.
Wie bindet man die Mitarbeiter richtig in die Umsetzung eines neuen Projektes ein?
Wenn Mitarbeiter durch die neuen Prozesse eine Verbesserung beziehungsweise einen Benefiz für sich erkennen, dann ist die aktive Mitarbeit deutlich höherwertiger als wenn die neuen Prozesse angeordnet werden. Das setzt zuallererst die Erläuterung der Vorgehensweisen und der Grundlagen voraus.
Als nächster Aspekt sollten die Mitarbeiter aktiv mit eingebunden werden. Da es in der Regel bei der Umsetzung der theoretisch vorliegenden Prozesse in die Praxis firmenspezifische Anpassungen braucht. Hier können die Mitarbeiter sehr gut ihre persönlichen Erfahrungen einbringen und sich somit an den neuen Prozessen aktiv beteiligen. Sinnvoll in dieser Phase ist ein von allen akzeptierter Moderator.
Nicht alle Mitarbeiter werden sich in dieser Phase gleichmäßig einbringen. Sinnvoll scheint deshalb der Start mit einem Pilotprojekt und das offene kommunizieren der erreichten Resultate. Diese sollten dann für die Umsetzung der neuen Prozesse in die Breite verwendet werden.