Maschinenverordnung 2023/1230
Der Countdown läuft - nur noch wenig Zeit bis zur neuen CE-Pflicht
Ab 20. Januar 2027 ersetzt die Maschinenverordnung die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Hersteller müssen nun Cybersecurity, digitale Anleitungen und strengere Prüfverfahren beachten – unsere Übersicht zeigt, worauf es jetzt ankommt.
Die sichere Gestaltung, Herstellung und Inbetriebnahme von Maschinen ist seit jeher ein Kernanliegen des europäischen Binnenmarktes. Mit der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG wurde ein Rahmen geschaffen, der über Jahre hinweg die Grundlage für Produktsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und freien Warenverkehr bildete. Doch technologische Entwicklungen – von Digitalisierung über vernetzte Produktion bis hin zu neuen Cyber-Risiken – haben gezeigt, dass dieser Rechtsrahmen an seine Grenzen stößt.
Die Antwort der EU ist die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230: Sie ersetzt die Richtlinie und schafft ab 2027 ein einheitliches, verbindliches Regelwerk. Für Hersteller bedeutet das nicht nur neue Pflichten, sondern auch mehr Klarheit und Verbindlichkeit bei der CE-Kennzeichnung.
Warum die Maschinenverordnung kommt
Die Maschinenrichtlinie musste von jedem Mitgliedstaat in nationales Recht umgesetzt werden – in Deutschland etwa durch die Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung - 9. ProdSV). Mit der Maschinenverordnung wird dieser Umweg überflüssig, da sie unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten gilt.
Sie ist Teil des sogenannten New Legislative Framework (NLF), das für mehr Einheitlichkeit, bessere Durchsetzung und weniger Interpretationsspielräume sorgen soll.
Zentrale Neuerungen im Überblick
Besonders wichtig sind die Stichtage: Am 29. Juni 2023 wurde die Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, am 19. Juli desselben Jahres trat sie in Kraft. Erste Vorschriften, etwa zur Benennung notifizierter Stellen, gelten bereits seit Januar 2024. Verbindlich wird die Maschinenverordnung jedoch erst ab dem 20. Januar 2027 – dann aber ohne Übergangsfrist. Ab diesem Zeitpunkt sind ausschließlich Konformitätserklärungen und CE-Kennzeichnungen nach der Verordnung zulässig.
Die Pflichten für Hersteller wurden im Artikel 10 der Verordnung deutlich erweitert. Wer eine wesentliche Veränderung an einer Maschine vornimmt, wird beispielsweise automatisch zum Hersteller – mit allen daraus resultierenden rechtlichen Verpflichtungen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Berücksichtigung von Cybersecurity-Aspekten. Künftig müssen also auch Risiken durch Manipulationen oder Softwarefehler systematisch in die Risikobeurteilung aufgenommen werden.
Auch bei den Maschinenkategorien gibt es eine wichtige Neuerung. Anhang I unterscheidet künftig zwischen Teil A mit hochrisikobehafteten Maschinen und Teil B mit weniger kritischen Produkten. Für die Maschinen in Teil A ist zwingend eine Prüfung durch eine notifizierte Stelle erforderlich. Hersteller, deren Maschinen in Teil B fallen, können ihre Konformität weiterhin im eigenen Verfahren nachweisen – vorausgesetzt, sie halten die einschlägigen harmonisierten Normen ein.
Von großer praktischer Bedeutung ist auch die Frage der Dokumentation. Künftig dürfen Anleitungen und Konformitätserklärungen grundsätzlich digital bereitgestellt werden, etwa über QR-Codes oder Weblinks. Nur bei Endkunden im B2C-Bereich bleibt die Pflicht bestehen, zusätzlich eine gedruckte Anleitung mitzuliefern. Viele Unternehmen werden daher auf hybride Modelle setzen: eine kurze Papierfassung mit den wichtigsten Sicherheitshinweisen und eine ausführliche digitale Dokumentation, die stets aktuell gehalten werden kann.
Die Überarbeitung betrifft zudem die Normenlandschaft. Die EN ISO 12100, die als zentrale Norm für die Risikobeurteilung gilt, wird derzeit aktualisiert; eine neue Fassung wird für 2025 erwartet. Hersteller sollten daher ein kontinuierliches Normen-Monitoring etablieren und die Veröffentlichungen der harmonisierten Normen im Amtsblatt der EU regelmäßig prüfen.
Schließlich wurde auch die Struktur der Anhänge angepasst. Die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen finden sich nun in Anhang III, die technischen Unterlagen in Anhang IV, die Konformitätserklärung in Anhang V und die verschiedenen Bewertungsmodule in den Anhängen VI bis IX. Diese Neuordnung orientiert sich ebenfalls stärker am NLF und erleichtert künftig die Rechtsanwendung.
CE-Kennzeichnung ab 2027: Kontinuität und Veränderung
Der Prozess der CE-Kennzeichnung bleibt im Kern vertraut, wird aber in vielen Details präziser gefasst. Hersteller müssen weiterhin eine umfassende Risikobeurteilung vornehmen, Schutzmaßnahmen umsetzen, harmonisierte Normen anwenden, Validierungen durchführen und ihre technische Dokumentation vollständig vorhalten.
Neu ist, dass dabei digitale Bedrohungen systematisch einzubeziehen sind und die Bereitstellung der Dokumentation weitgehend digital erfolgen kann. Auch die Konformitätserklärung darf künftig elektronisch abgegeben werden.
Was Hersteller jetzt tun sollten
Für die Praxis bedeutet das: Unternehmen müssen sich frühzeitig mit der Maschinenverordnung auseinandersetzen und ihre Prozesse entsprechend anpassen. Eine Gap-Analyse zeigt, wo bestehende Abläufe nicht mehr ausreichen. Im nächsten Schritt sollten Risikobeurteilungen aktualisiert und um Cyber- und Software-Aspekte ergänzt werden. Auch eine klare Strategie für die technische Dokumentation ist erforderlich: Während die digitale Bereitstellung Standard wird, muss für Verbraucherprodukte weiterhin eine Papierversion vorgehalten werden.
Ebenso wichtig ist ein kontinuierliches Monitoring der harmonisierten Normen. Nur so können Hersteller sicherstellen, dass ihre Verfahren auch künftig die Konformitätsvermutung genießen. Schließlich gilt es, den eigenen Bewertungsweg festzulegen: Fällt ein Produkt unter die Hochrisikokategorien in Anhang I Teil A, ist eine Zusammenarbeit mit einer notifizierten Stelle zwingend notwendig.
Unternehmen sollten außerdem interne Zeitpläne festlegen. Spätestens bis Ende 2026 müssen alle Prozesse und Dokumentationen vollständig auf die Anforderungen der Maschinenverordnung umgestellt sein, damit ab dem 20. Januar 2027 ausschließlich nach neuem Recht gearbeitet werden kann.
Fazit
Die Maschinenverordnung bringt mehr Klarheit und Einheitlichkeit, sie stellt die Hersteller aber zugleich vor zusätzliche Herausforderungen. Cybersecurity, digitale Dokumentation und strengere Prüfpflichten verändern die CE-Kennzeichnung nachhaltig.
Wer jetzt beginnt, seine Prozesse systematisch auf die neuen Anforderungen auszurichten, verschafft sich nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil. Denn ab dem 20. Januar 2027 gilt: CE-Kennzeichnung nur noch nach der Maschinenverordnung – ein Zurück zur Richtlinie gibt es nicht.
überarbeitet von Redaktion Automation NEXT