Die grundlegende Säule des tragbaren, elektronischen Assistenzsystems sind mobile Endgeräte wie das Smartphone oder die Smartwatch. Sie werden für Sehgeschädigte immer besser bedienbar, von diesen auch immer mehr genutzt und stellen wichtige Technologien wie GPS oder eine Sprachaus- und Eingabe bereit. “Dieses Potenzial wollen wir nutzen um bisherige Hilfsmittel wie den Langstock zu ergänzen“, erklärt Projektkoordinator Sebastian Ritterbusch von der Ixpoint Informationssysteme. Denn der so genannte Blindenstock erfasst nur Hindernisse in Bodenhöhe, eine sichere Fortbewegung ist so bislang ohne fremde Hilfe nur in vertrauten Räumen und auf eintrainierten Wegen möglich.
Neben dem Mobilgerät soll das System aus zwei weiteren Hardware-Komponenten bestehen. Eine ungefähr auf Brusthöhe angebrachte Kamera erfasst die Situation – Schilder, Absperrungen, Personen –direkt vor dem Nutzer des „Navis“ und schickt sie zur Auswertung an das Mobiltelefon. Hier sind bereits digitale Kartendaten, zum Beispiel von Katasterämtern, und Bilder bestimmter Umgebungen unter anderem mit typischen Wegmarken, Gebäuden, Eingängen oder auch Verkehrsübergängen gespeichert. Darüber hinaus soll eine „mobile Braillezeile“ Detailinformationen zur Umgebung in Blindenschrift ausgeben.
Eine besondere Herausforderung für die Projektpartner ist die Entwicklung der Mensch-Maschine-Schnittstelle. „Denn alles, was das System erkennt, zusammenführt und analysiert, müssen wir den Betroffenen auch schnell und nutzerfreundlich weiter vermitteln“, erklärt Rainer Stiefelhagen, Leiter des Studienzentrums für Sehgeschädigte (SZS) am KIT. Im Laufe des Projektes sollen verschiedene Varianten der Informationsübertragung getestet werden. Möglich sind die Übermittlung von Sprachnachrichten oder akustischen Signalen oder die Nutzung von Vibrationen, die auf das Mobiltelefon, eine Smartwatch oder auch einen Gürtel übertragen werden können und die Richtung anzeigen.
Die Projektbeteiligten wollen zunächst Daten für den Systemaufbau sammeln und in Kooperation mit Blindenverbänden und Mobilitätstrainern ein Anforderungsprofil für das Navi erstellen. Ein erstes Basissystem soll Ende 2017 von Probanden getestet und anschließend weiter optimiert werden. „Unser System kann die Sinne erweitern“, betonen Ritterbusch und Stiefelhagen. „Wo es am Ende zum Einsatz kommt, hängt nicht zuletzt von den verfügbaren Daten ab. Doch jeder Schritt, mit dem wir mit neuen Methoden die Orientierung verbessern werden, bedeutet mehr Sicherheit und Selbstständigkeit für die Nutzer.“ jl
Das Projekt
Terrain ist ein Verbundprojekt unter der Koordination der Ixpoint Informationssysteme. Projektpartner am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind das Studienzentrum für Sehgeschädigte, das Computer Vision for Human-Computer Interaction Lab sowie das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse. Weiterer Partner ist F.H. Papenmeier. Das Projekt hat ein Volumen von 2,1 Millionen Euro, wird im Rahmen des Förderschwerpunktes „Mensch-Maschine-Technik-Interaktion für eine intelligente Mobilität: Verlässliche Technik für den mobilen Menschen“ (IMO) zu 79 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und läuft bis zum 30. Juni 2018.