Vollverguss neu gedacht

Mit Hotmelt Moulding zur Mini-Kondensatpumpe

Mit Vollverguss per Hotmelt Moulding verhalf Werner Wirth Refco zur derzeit kleinsten Kondensatpumpe am Markt, der Vamp-F.
Mit Vollverguss per Hotmelt Moulding verhalf Werner Wirth Refco zur derzeit kleinsten Kondensatpumpe am Markt, der Vamp-F .

Eine halbe Papprolle war Maßvorgabe – daraus wurde die Vamp-F: kleiner, dichter, wirtschaftlicher als jede andere Kondensatpumpe. Schlüssel ist der Hotmelt-Vollverguss, entwickelt mit Werner Wirth – samt komplett neuer Fertigungslösung.

Wie klein kann man eine Pumpe bauen? „Das war unsere Größenvorgabe“, sagt Michael Oswald und hält eine auf knapp die Hälfte eingewickelte Papprolle hoch. „Damit haben wir gesagt: Doch, so klein kann man eine Pumpe bauen. Und dann war es meine Aufgabe, zu schauen: Was braucht es jetzt, dass das wirklich funktioniert.“

Auch so kann eine Projektgeschichte starten. In dieser geht es um Hotmelt Moulding, Lösungsfindung und intensive Zusammenarbeit von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt. Die Beteiligten: Das Schweizer Unternehmen Refco Manufacturing und Werner Wirth.

Verzicht aufs Gehäuse

Michael Oswald ist Innovationsleiter bei Refco. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Komponenten für Kälte- und Klimatechnik und fertigt unter anderem Vakuumpumpen für Klimaanlagen. Die Vision lautet: Mit den Pumpenverkäufen den Umsatz signifikant steigern. Dafür entwickeln die Schweizer ihre Komponenten stetig weiter, um den praktischen Bedarf der Anwender möglichst breit bedienen zu können.

Eine der jüngsten Entwicklungen ist die Vamp-F, eine Kondensatpumpe mit integriertem Reservoir und optischem Niveausensor. Sie sollte funktional aufs Wesentliche reduziert sein. Und eben kleiner als alle anderen Pumpen am Markt. Größenvorgabe: etwa eine halbe Papprolle, maximal 26 mm.

Schnell waren drei Elemente definiert, über die diese zu erreichen war. Zunächst wurde die enthaltene Membranpumpe in kleiner Bauhöhe in Auftrag gegeben. Dann wurde mit der optischen Füllstandsmessung per Licht eine platzsparende Sensoriklösung gefunden. Das dritte Element war die Größe des Endprodukts. „Hier war klar: Wollen wir kleiner bauen, müssen wir auf das Gehäuse verzichten“, so Oswald. Die Kondensatpumpe sollte im Vollverguss per Hotmelt Moulding gefertigt werden. Damit würden neben einer kompakten Baugröße auch die nötige Dichtheit sowie ein wirtschaftlicher, zeitsparender Fertigungsprozess realisiert.

Jedes Werkzeug enthält vier Formen, in denen die Baugruppen ihren Vor- und Endverguss erhalten.
Jedes Werkzeug enthält vier Formen, in denen die Baugruppen ihren Vor- und Endverguss erhalten.

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Vielversprechende Extrudertechnologie

Unter den kontaktierten Lieferanten entschied sich Refco für Werner Wirth. Das in Hamburg ansässige Unternehmen entwickelt und fertigt Lösungen für die Verbindungstechnik und den Komponentenschutz. Dabei begleitet es seine Kunden von der ersten Idee bis zur Serienfertigung und versorgt sie mit Engineering-Lösungen im Werkzeugbau. Im Bereich Hotmelt Moulding zählt das Familienunternehmen zu Europas Marktführern. „Werner Wirth bot uns die beste Betreuung und eine vielversprechende Extrudertechnologie“, begründet Oswald die Entscheidung. „Diese hatte unserem Ziel, in kurzer Zeit hohe Stückzahlen fertigen zu können, am besten entsprochen.“

Hotmelt Moulding ist ein Spritzgussverfahren, das im Niederdruck erfolgt. Es ist schonend, formgebend und vor allem für hohe Stückzahlen geeignet. Mit ihm lassen sich Verschlüsse für Gehäuse fertigen. Das Verfahren ermöglicht aber auch, elektronische Baugruppen direkt in eine Werkzeugform einzusetzen und zu vergießen. Diese Variante erspart die Konstruktion, Fertigung, Montage und eben auch den Größenbedarf eines Gehäuses. Im Mittelpunkt der Entwicklung steht hierbei das Erstellen des Formwerkzeugs, das einen auf das Produkt abgestimmten Vergussprozess ermöglicht. Beim gemeinsamen Projekt von Refco und Werner Wirth ging es zudem auch um die Fertigungsanlage.

Gefragter Komponentenschutz

Elektronik findet sich heutzutage einfach überall: unter Wasser, im Weltall, in extremer Kälte oder Hitze. Die dort herrschenden Zustände wie Feuchtigkeit, Staub, Schläge, Vibrationen dürfen die sensiblen Bauteile nicht aus dem Takt bringen. Dass dies nicht passiert, dafür sorgt das Unternehmen Werner Wirth. Seit 1962 liefert der Spezialist für Komponentenschutz Lösungen für eine Branche, in der die Bauteile immer kleiner und filigraner werden ‒ und die deshalb einen ganz besonderen Schutz nötig haben. So benötigen die sensiblen elektronischen Baugruppen anstelle einfacher Kunststoffgehäuse mittlerweile einen passend ausgelegten Komponentenschutz. Werner Wirth verfügt dafür über alle relevanten Verarbeitungstechnologien: Conformal Coating (Belackung), Bonding (Kleben), Potting (Verguss), Hotmelt Moulding (Niederdruckspritzguss). Und auch die dafür benötigten Materialien wie zum Beispiel Thermoplaste, Schutzlacke, Gießharze und Kleber hat das Unternehmen im Portfolio. So finden Interessenten hier stets das richtige Material für jede gewünschte Anwendung im Bereich Komponentenschutz. Last but not least übernimmt Werner Wirth auf Wunsch gern auch die Produktion für seine Kunden. Das Know-how, die Materialien und ein vielfältiger Maschinenpark machen dies möglich.

Herausfordernde Aufgabe

Am Anfang stehen bei Werner Wirth eine Checkliste, anhand der die Rahmenbedingungen des Projekts bestimmt werden. Sie klärt Fragen zum Produkt und zum Fertigungsprozess des Kunden. Zum Beispiel: Unter welchen Temperaturen wird das Endprodukt eingesetzt? Erfährt es Einflüsse durch Feuchtigkeit, Vibration oder Reinigungschemikalien? Welche Stückzahlen sind geplant? Welche Stückzahlen sind nötig, um den kundeneigenen Arbeitsfluss aufrechtzuerhalten? Auf dieser Basis erstellt Werner Wirth eine Machbarkeitsanalyse, die darlegt, welche Werkzeug- und Maschinengröße für den geplanten Fertigungsmengen erforderlich ist.

Mit dem Bau des Prototypenwerkzeugs beginnt dann der eigentliche Entwicklungsprozess. Und hier stellte die Vamp-F für die Beteiligten eine große Herausforderung für den Vollverguss dar. „Auch wenn sie aufs Wesentliche reduziert wurde: Die Baugruppe besteht aus so vielen Einzelteilen, dass es für den Verguss anspruchsvoll wird“, schildert Bernd Conrad. Er ist bei Werner Wirth als Business Development Manager Processing Machines Ansprechpartner für alle Vergussverfahren und begleitete das Projekt von der ersten Kontaktaufnahme an. „Membranpumpe, Leistungselektronik, Kondensator, Netzteil, Sensor – das alles am Platz zu halten, wenn es vom einfließenden Kunststoff umflossen wird, das war die Aufgabe.“

Seit 2024 vergießt die Maschine die Kondensatpumpen im schweizerischen Hitzkirch. Die zweite Anlage ist bereits bestellt.
Seit 2024 vergießt die Maschine die Kondensatpumpen im schweizerischen Hitzkirch. Die zweite Anlage ist bereits bestellt.

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Zwei Jahre Entwicklung und Qualifizierung

Die gesamte Anlage mit Vorratsbehälter, Extruder und Werkzeugaufnahme
Die gesamte Anlage mit Vorratsbehälter, Extruder und Werkzeugaufnahme

Im Kern waren es drei Punkte, die am Ende für die Lösung maßgeblich waren:

  • Werner Wirth änderte sein Werkzeugkonzept. Damit verschob sich die Stelle, an welcher der polymere Werkstoff eingespritzt wird. Der Druck, der vom Kunststofffluss auf die Anordnung der Einzelteile ausgeübt wird, verringerte sich dadurch.
  • Refco änderte die Anordnung seiner Baugruppe. Dadurch wurden die Einzelteile lagestabiler und konnte funktionserhaltend vergossen werden.
  • Und Refco änderte Materialien innerhalb seiner Baugruppe. So hielt sie vollständig den Temperaturen des Hotmelt-Verfahrens von um die 200 °C stand.

Auch wenn es sich schlicht anhört: Das finale Werkzeug und die dazugehörige Maschine sind Ergebnis eines intensiven Ideenaustauschs und Wechselspiels, bei dem die Beteiligten offen für Anpassungen ihrer eigenen Ansätze waren. „Wir haben uns immer schrittchenweise vorwärts gearbeitet“, sagt Oswald. „Wir haben an drei bis vier Themen gearbeitet, wie Temperaturfähigkeit, Dichtigkeit und Vergussmaterial.“ Siebenmal waren die Schweizer in Hamburg und haben am Technikum von Werner Wirth, dem unternehmenseigenen Innovationslabor, Tests mit Prototypenwerkzeugen gefahren.

Anschließend wurden die gefertigten Testpumpen der eigenen Qualifizierung unterzogen. „Dann hatten wir gesehen: Wir haben eines von vier Themen gelöst – und an den anderen müssen wir noch weiterarbeiten.“ Nach zwei Jahren Entwicklungs- und Qualifizierungszeit standen Werkzeug, Vergussmaterial und Fertigungsmaschine.

Vier Pumpen gleichzeitig je Spritzvorgang

Die neue Maschine fertigt nun seit 2024 am Refco-Hauptsitz in Hitzkirch. Zwei Formwerkzeuge sind hierin verbaut. Jedes Werkzeug enthält vier Formen, in welche die Elektronikbaugruppe jeweils eingesetzt wird. Zunächst erfolgt in zwei Formen ein Vorverguss, um die Baugruppe zu fixieren. Anschließend erhalten diese Formen ihren Endverguss, während in den zwei übrigen Formen der nächste Vorverguss durchgeführt wird. Insgesamt werden damit je Spritzvorgang vier Pumpen fertiggestellt.

Für die Vergussmasse werden 50 Kilogramm eines polymeren Werkstoffs in der Maschine bevorratet. Dieser wird zunächst durch einen Trockenofen geführt, um ihn zu entfeuchten und eine gleichbleibende Fertigungsqualität sicherzustellen. Von dort gelangt das Material in den Extruder, wo es erwärmt, verflüssigt und über je vier Düsen ins Werkzeug gespritzt wird. Werkzeug und Maschinensteuerung stammen von Werner Wirth, die Anlage entstand zusammen mit einem Sondermaschinenbauer und wurde genau auf das Formwerkzeug abgestimmt. Die gesamte Lösung ist aber eine Gemeinschaftsleistung von Refco und Werner Wirth.

Breit aufgestelltes Anwendungswissen

„Ohne Werner Wirth hätten wir das nicht hingekriegt“, ist sich Michael Oswald von Refco sicher und ergänzt: „Ohne unseren Durchhaltewillen wäre es aber auch nicht gelungen.“ Oswald schätzt das breit aufgestellte Anwendungswissen von Werner Wirth, das neben Hotmelt Moulding auch alle anderen typischen Vergusstechniken sowie den Werkzeug- und Maschinenbau umfasst. „Was funktioniert, was nicht, welches sind die richtigen Materialien, wie müssen wir unseren eigenen Prozess anpassen – da sind viele Ideen und wichtiges Know-how von Werner Wirth beigesteuert worden.“ Damit sei es auch gelungen, vereinzelt aufkommende Zweifel am Erreichen des Ziels aus dem Weg zu räumen, wie Oswald zugibt.

Zu Recht, wie das Ergebnis zeigt. Nach der Produktvorstellung Ende 2024 wurde die Vamp-F innerhalb weniger Wochen so oft verkauft, dass nicht genug produziert werden konnte. Eine zweite Maschine ist deshalb bereits in Arbeit.