Mit Open Source erfolgreich...!
ROS: So forciert Pilz den Einsatz in der Service-Robotik
Das Robot Operating System (ROS) ist als Open Source an Universitäten sehr beliebt. Pilz will nun den Einsatz in der Industrie ankurbeln und setzt bei der Steuerung seiner Service-Robotik-Module auf ROS. Was sich Pilz davon verspricht, lesen Sie hier.
Bereits auf der Hannover Messe 2019 berichtete next Robotics live am Stand von Pilz zum ROS-Vorhaben.
Da kommt man mit dem Zählen kaum noch mit. Robotik schickt sich an, nach Industrie 4.0 nun eine fünfte industrielle Revolution anzustoßen. Preislich attraktive Leichtbauroboterarme sowie die technische Möglichkeit, diese ohne Zaun mit dem Menschen kollaborieren zu lassen, eröffnen nicht nur in der Industrie neue Optionen. Auch in Medizin, Gewerbe und Handwerk, ja sogar im Privatbereich sind Roboter nun vorstellbar. Dass dies keine Vision aus der Filterblase abgehobener Fachjournalisten ist, zeigt sich daran, dass es eine wachsende Schar an Start-ups gibt, die sich in diesem Markt tummeln und die neben Kuriositäten wie Spätzleschabern auch veritable Innovationen wie Reinigungsmaschinen, medizinische Operationsassistenten, Verkaufsberater im Einzelhandel oder landwirtschaftliche Erntehelfer zur Serienreife entwickeln.
Wenn man sich in diesem Milieu umsieht, merkt man schnell, dass das Open-Source-Software-Framework ROS, Robot Operating System, hier weit verbreitet ist. Entstanden ist ROS 2007 im universitären und forschenden Umfeld, wo es sich zum Standard für Forschungsprojekte in der Robotik entwickelt hat. Die Vorteile von ROS: Es ist offen, interoperabel und bietet die Möglichkeit, Komponenten herstellerübergreifend zu integrieren. Vor allem: Es ist kostenlos und unter jungen technikaffinen Menschen gut bekannt. Jedermann kann sich die eigene Robotersteuerung, oder die eines fahrerlosen Transportsystems, aus verschiedenen Software-Paketen flexibel zusammenstellen. Was für ein Unterschied zur proprietären Steuerungswelt der meisten Roboterhersteller.
Für komplexe Applikationen, in denen verschiedene Sensoren und Aktoren beliebiger Hersteller unterschiedliche Aufgaben übernehmen und komplexe Algorithmen steuern müssen, wird eine standardisierte Kommunikationsschicht benötigt. Genau das bietet ROS. Durch die Modularität und den Open-Source-Charakter, also die offene Verfügbarkeit des Quelltextes, sowie die Verwendung von modernen Programmiersprachen wie Python oder C++ lassen sich industrielle Applikationen flexibel erstellen und später modifizieren. Hinzu kommt: Typische Robotersteuerungen arbeiten häufig mit fest programmierten Bahnen, die eine Veränderung der Bewegung durch plötzlich auftauchende Hindernisse nur schwer möglich machen. Gerade in dynamischen Umgebungen, wie sie in der Service-Robotik üblich sind, hat ROS seine Stärken, weil sich Kollisionsvermeidung beim Greifen von Objekten oder die Navigation von fahrerlosen Transportsystemen (FTS/englisch: AGV) leichter umsetzen lässt.
Pilz programmiert ROS-Pakete selbst
Als einer der ersten Hersteller der klassischen industriellen Automatisierungswelt hat Pilz ROS für sich entdeckt. Für seine Service-Robotik-Module, unter anderem ein AGV-tauglicher 24-Volt-Manipulator mit sechs Kilogramm Nutzlast, nutzt Pilz ROS-Pakete mit ausgewählten Funktionen für Robotersteuerung und Bahnplanung. Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern, die ihre ROS-Pakete extern entwickeln lassen, stammen die Pakete von Pilz aus der hauseigenen Programmierstube. Da die Antriebselektronik im Pilz-Manipulator integriert ist, reagiert sie direkt auf die Sollwerte der ROS-Pakete, ohne dass eine herstellerspezifische Steuerung zwischen dem Manipulator und ROS benötigt wird. Für die Sicherheit sorgt das Automatisierungssystem PSS 4000. Das bietet dem Kunden alle Freiheiten bezüglich der Bahn- und Bewegungsplanung. Ein weiterer Vorteil: Da auch viele AGVs auf ROS laufen, können sowohl AGV als auch Manipulator von derselben Steuerung angesprochen werden. Das spart Platz, Gewicht und Kosten in der mobilen Robotik.
Robotik für neue Zielgruppen öffnen
Dank der aktiven ROS-Community mit Hilfeforen und vielen Tutorials kann sich auch ein mechanischer Integrator so gut einarbeiten, dass er seine eigenen Roboterapplikationen individuell einrichten kann. Durch den Einsatz graphischer Benutzeroberflächen wie Drag´n Bot wird der Prozess nochmals einfacher. So wird die Robotik auch für kleine und mittelständische Unternehmen, die Roboter einsetzen möchten, interessant, um den Automatisierungsgrad in ihrer Fertigung zu erhöhen. Da es in der Community unglaublich viele Pakete zu unterschiedlichsten Bereichen gibt, lassen sich Roboterapplikationen wie Palettieren, Conveyor Tracking oder auch eine kamerabasierte Objekterkennung mit gemischten Komponenten verschiedenster Hersteller bauen. Außerdem: Da ROS an vielen Hochschulen eingesetzt wird, ist es leichter vorqualifizierte Mitarbeiter zu finden, weil sich viele mit dem System bereits auskennen.
Open Source bringt aber auch Herausforderungen: Grundsätzlich kommen ROS-Pakete innerhalb der Community von unterschiedlichen Autoren. Deshalb reicht die Qualität der Pakete von undokumentierten Bausteinen bis zu professionellen und qualitativ hochwertigen Projekten. Da Pilz ein hoher Qualitätsstandard sehr wichtig ist, wird die Software nach den industriellen Qualitätskriterien und Anforderungen des ROS Industrial Consortiums entwickelt und getestet. Für die eigenen Pakete übernimmt Pilz bei seinen Kunden natürlich auch den Support. Mit seinem Bekenntnis zu ROS leistet Pilz Pionierarbeit in der Industrie und ist einer der Wegbereiter für offene Standards in der Robotik. Dass eine innovationshungrige Startup-Szene die Robotik in den kommenden Jahren durcheinanderwirbeln wird, zeigt sich schon heute bei jedem Messebesuch.